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»Ganz sicher wirst du herkommen, denn deine romantischen Vorstellungen übertreffen den Umfang deiner Börse«, grinste Usia.

»Was an Münzen fehlt, wiegt mein jugendlicher Charme auf.«

»So wie du dich angemalt hast, laufen die Weiber schreiend davon, wenn sie dich sehen. Ich werde dich trösten, wenn du mit eingekniffenem Schwanz angekrochen kommst. Du solltest dich als Söldner auf den Wolkenschiffen verdingen. Ein Mann wie du könnte dort gutes Gold machen. Das ist gescheiter, als seinen Träumen hinterherzulaufen. Und nun mach dich davon, sonst verzähle ich mich noch.«

Eleborn eilte gut gelaunt die restlichen Turmstufen hinab. Er wusste, dass die Frau, die er suchte, ihn nicht zurückweisen würde. Was er nicht wusste, war, wo er sie finden würde. Sollte er keinen Erfolg haben, würde er sich mit Usia einen Krug Wein teilen. Der Alte war ein unerschöpflicher Quell an Geschichten über Nangog. Von ihm hatte er bereits vieles über diese schöne, fremde Welt gelernt. Leider wusste er bei Usias Erzählungen nie, wo die Wahrheit in Wolkenschiffermärchen überging.

Eleborn querte das weitläufige Gelände unter dem Ankerturm und schlängelte sich durch das Labyrinth aufgehäufter Waren. Es war das Blut dieser Welt, dachte er, das die Menschenkinder Nangog abzapften, um ihre eigene Welt über jedes Maß hinauswachsen zu lassen.

Am mächtigen, bronzebeschlagenen Tor zur Stadt lungerte eine Gruppe von Wachen. Die Männer kannten ihn und ließen ihn ohne Fragen passieren. Eleborn schlenderte auf der Sonnenseite der Straße, ließ sich mit dem Strom der Lastenträger treiben, der stetig aus dem Bronzetor quoll und träge die Stufen der Straße hinaufsickerte, hin zur Goldenen Pforte, von der aus es nur noch ein paar Schritte in die Menschenreiche war.

Auf dem Platz der Schlangen verführte ihn der Duft von frisch Gebratenem. Er ging die Reihe der Garstuben ab, die sich in den höhlenartigen Öffnungen der himmelhohen Ziegelmauer eines Lagerhausees aneinanderreihten. Ein gestürzter Ankerturm füllte den halben Platz mit seinen Trümmern. Auf den gesplitterten Steinquadern kauerten Lastenträger, die einen Teil ihres kargen Lohns in die fragwürdigen Köstlichkeiten der Garköche investiert hatten.

Eleborn verharrte bei einem mandeläugigen Koch aus einer der großen Städte im Osten Ischkuzas. Auf seinem Tisch lagen Holzspieße, die mit dunklem Fleisch und Gemüse bestückt waren. Zuoberst aber hatte er Skorpione liegen, die ebenfalls auf Spießen steckten, die ihnen der Länge nach durch den Leib getrieben worden waren. Eine Folter, die etliche der Tiere erstaunlicherweise überlebt hatten, denn ihre Scheren und Beine zuckten noch, und ihre giftigen Stachelschwänze krümmten sich, begierig danach, ihren baldigen Tod mit einem anderen Geschöpf zu teilen.

»Wie isst man Skorpion, Lee?«

»Ganz vorsichtig.« Der kleine Koch blickte auf und erkannte ihn. Ein Lächeln huschte über seine breiten Lippen, während er nach einem bunten Fächer griff und die Fliegen vertrieb, die sich auf dem Fleisch niederlassen wollten. »Erstaunliche Farbe auf deinem Gesicht. Woraus wird sie gemacht? Aus frischer Hundescheiße?«

»Was wird mich eher umbringen? Das Fleisch oder die Skorpione?«

»Dein empfindlicher Magen, Barbar. Was willst du jetzt? Kaufen oder schwatzen?«

Der Elf orderte fünf Fleischspieße und einen Skorpion.

Lee legte die Fleischspieße auf einen kleinen Grill, dessen Glut er mit seinem Fächer zu neuem Leben erweckte. Dann stellte er einen Becher mit geronnenem, gelblichem Fett auf die Ecke des Grills. »Deine Bemalung ist selbst für einen Drusnier außerordentlich geschmacklos, Mikayla. Hättest du etwas gesagt, hätte ich dich zu einem Meister geschickt, der dir einen Drachen auf deine Brust gemalt hätte oder einen Feuervogel. Ein wahres Kunstwerk. Nicht so einen Scheiß.« Während er redete, nutzte er den Fächer abwechselnd für die Glut und um sich Kühlung zuzuwedeln.

»Weißt du, wo ich ein hübsches Mädchen finden könnte?«

»Bist wohl in der Stimmung zu feiern. Gestern Nacht einen umgebracht und heute die Taschen voller Geld?«

»Wie gut du mich doch kennst«, entgegnete Eleborn mit vieldeutigem Lächeln.

Lee hielt seinem Blick stand, dann wendete er die Spieße. »Also unten am Platz der Silberspinner, direkt beim Abstieg zu den Kanälen, gibt es drei Damen, die sich auf die hohe Kunst verstehen, das Gleichgewicht der Säfte im Leibe eines Mannes wiederherzustellen. Sie sind nicht mehr ganz jung und haben auch nicht mehr sonderlich viele Zähne, aber wenn du die Augen schließt …« Lee schnalzte schwärmerisch mit der Zunge. »Ist auf jeden Fall besser, als sich an einem eingeölten Amphorenmund zu versuchen.«

»Ich dachte eher an ein Mädchen, das jung und hübsch ist und für das ich gar nichts zahle.«

Lee nahm einen der zuckenden Skorpione und tauchte ihn in das inzwischen sprudelnde Fett. »Ich träume nachts davon, dass sich mein gespartes Kupfer in Gold verwandelt und ich …« Er hielt inne und zog den Skorpion aus dem Fett. Das Tier rührte sich nicht mehr. Er blies darauf, dann knipste er mit dem Daumennagel den Giftstachel ab. »Junge, hübsche Dinger, für die man nichts zahlt?« Er blickte kurz auf. »Du denkst an eines der Zapotemädchen. Dumm … sehr dumm, Mikayla!« Mit diesen Worten reichte er Eleborn den Skorpion.

»Wie isst man das?«

»Mund auf, abbeißen, dann kauen.«

Eleborn musste lachen. Dann biss er vorsichtig ab. Skorpion würde nicht sein Leibgericht werden. Der Chitinpanzer knackte zwischen seinen Zähnen und gab eine weiche, breiige Substanz frei. Der Elf schluckte. »Köstlich«, heuchelte er.

»Bist kein guter Lügner.« Lee schüttete eine dampfende Flüssigkeit in einen Tonbecher und reichte ihn über den Grill. »Trink das. Ist gut für Männer mit schwachem Magen.«

Eleborn gehorchte. Das Gebräu duftete nach Blüten und schmeckte nach nichts.

»Lass die Finger von Zapotemädchen. Die wollen nur Männer mit Goldhaar, so wie du es hast, und die, die mit ihnen gehen, sieht man nie wieder.«

»Du machst dir Sorgen um mich?«

Lee sah ihn mit seinen schmalen Mandelaugen an. »Es gibt nicht viele Kunden, die mit meinem Humor klarkommen. Ich kann es mir nicht leisten, auch nur einen von ihnen zu verlieren.«

»Sehe ich aus, als würde ich mich von einem Mädchen aufs Kreuz legen lassen?«

Der Ischkuzaia musterte ihn abschätzend. Schließlich nickte er und nahm die leicht angebrannten Fleischspieße vom Feuer. »Ja, ganz genau so siehst du aus. Du bekommst etwas Soße geschenkt.«

»Weil das Fleisch angebrannt ist?«

Lee tunkte die Spieße in eine zähe gelbe Paste. »Nein, weil Männer mit Magenschmerzen nicht mehr an Mädchen denken.«

Eleborn gab ihm den angebissenen Skorpion zurück. »Hunger?«

Lee aß das Vieh tatsächlich.

Zögerlich biss der Elf in das Fleisch. Mit der Soße schmeckte es köstlich. Er entschied, nicht nachzufragen, welches Tier er gerade verspeiste. Wahrscheinlich war es vermessen zu glauben, dass auf fünf Spießen Fleisch von demselben Tier steckte. Vermutlich konnte er sich glücklich schätzen, wenn das, was er gerade verspeiste, alles zur selben Gattung Tier gehörte.

»Du weißt nicht zufällig, wo ich so ein Zapotemädchen finden könnte?«

»Jeder von uns Händlern hier hat diese Giftschlangen schon gesehen. Meist folgt ihnen in einigem Abstand ein Leibwächter. Ich sag dir eines: Einem Volk, das glaubt, sich zu schmücken, wenn sie sich Knochensplitter durch die Nase oder durch die Ohren bohren, kann man nicht trauen. Du kannst tagelang durch die Stadt streifen und wirst keines dieser Mädchen treffen. Heuere lieber auf einem Wolkenschiff an. Für einen Kerl wie dich zahlt jeder Kauffahrer in Gold – selbst wenn du dir Farbe aus Scheiße ins Gesicht geschmiert hast. Und wenn du genug Gold zusammenhast, dann gehst du zurück in deine Wälder und suchst dir ein anständiges Mädchen. Und du vergisst diese verfluchte Welt, auf der Weiber keine Kinder gebären können, Grüne Geister durch den Urwald streifen und Zapotemädchen ihren Liebhabern im Schlaf die Kehle durchschneiden.«