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Doch diese schwarzhaarige, schlanke Frau war anders. Schon als sie vor zehn Tagen zum ersten Mal erschienen war, hatte er es gespürt. Sie begehrte ihn. Heimlich verschlang sie ihn mit Blicken, das hatte er genau bemerkt. Dabei war er nicht mehr der Jüngste. Er hatte bereits sein fünfunddreißigstes Jahr vollendet.

Er blieb vor dem großen Haus aus getrockneten Lehmziegeln stehen. War es hier? Er sah noch einmal auf den Papyrusstreifen. Der Beschreibung nach musste er richtig sein. Vorsichtig spähte er durch den Torbogen in den Innenhof, und sein Herz machte einen Satz. Da stand ihre Sänfte!

Gut gelaunt trat er in den Eingang des Hauses. Eine gemauerte Treppe führte im Zwielicht nach oben. Auf der Botschaft hatte gestanden, dass es im ersten Stock nur eine Türe gäbe. Und so war es auch. Zögerlich klopfte Tuwatis. Er hatte so etwas noch nie getan.

Die Türe wurde sofort geöffnet. Dahinter wartete die dunkelhaarige Schöne. Sie empfing ihn mit einem Kuss und bat ihn hinein. »Ich freue mich, dich zu sehen. Ich war im Zweifel, ob du den Mut dazu finden würdest.«

Ihre Worte ärgerten ihn. Sie entsprachen zwar genau der Wahrheit, aber er stand nicht gerne als Zauderer da. Er sah sich um. Das Zimmer war groß, das einzige Fenster mit einem Laden verhängt. Zwei Öllampen verbreiteten goldenes Licht, das aber nicht bis in die Winkel des Zimmers reichte. Er blinzelte. Da war noch jemand. Nahe beim Bett!

»Wer ist das?«

»Meine Gefährtin«, entgegnete die Fremde lächelnd. »Du erinnerst dich an sie. Manchmal hat sie mich ins Archiv begleitet.«

»Was sucht sie hier?« Ein Hauch von Panik schwang in seiner Stimme. Sie hätte ihm sagen müssen, dass sie nicht allein waren.

»Ich dachte mir, dass zwei Frauen dir doppelte Freude bereiten könnten. Hast du das Spiel der Liebe jemals mit zwei Frauen gewagt?«

Tuwatis’ Mund wurde trocken. »Nein«, sagte er, und seine Stimme klang fürchterlich krächzend. Verdammt, wieso konnte er sich nicht ganz normal verhalten? So leicht und unbefangen wie die Fremde. Sie schien viel weniger aufgeregt zu sein als er. Wie oft sie so etwas wie das hier wohl tat? Eigentlich einerlei. Wenn sie erfahren war, würde das nicht von Nachteil für ihn sein.

»Dir muss sicherlich warm sein, Tuwatis.« Sie reichte ihm einen Becher mit süßem Wein, besser als alles, was er seit vielen Jahren zu trinken bekommen hatte. Nachdem er einen gierigen Schluck genommen hatte, streckte er zögerlich seine Hand aus und berührte die schöne Fremde an der Hüfte. Sie trug einen Wickelrock und eine enge Bluse, die so tief ausgeschnitten war, dass er die obere Wölbung ihrer Brüste sehen konnte. Tuwatis spürte, wie ihm Schweiß an den Schläfen hinablief.

»Ich werde meine Perücke ablegen.« Er war froh, endlich wieder unverkrampfter sprechen zu können. Der Wein hatte geholfen! Die Fremde nahm ihm seinen Becher ab, und er hob vorsichtig die Pferdehaarperücke von seinem Kopf und legte sie auf ein gemauertes Bord an der Wand.

»Magst du dich nicht setzen?« Ohne seine Antwort abzuwarten, geleitete sie ihn zu dem Lager an der gegenüberliegenden Wand. Auf einem großen, gemauerten Sockel lagen etliche Decken übereinander. Auf dem Bett waren bunte Kissen in Blau und Gelb drapiert. Jetzt bemerkte Tuwatis auch, dass neben dem Lager eine kleine Schale mit Räucherwerk aufgestellt war, über der sich eine blassblaue Rauchsäule kräuselte.

»Meine Freundin wird dir ein wenig die Schultern und den Nacken massieren, wenn du nichts dagegen hast.« Die Fremde küsste ihn auf die Wange, und ihre Hände streiften über seine Brust. »Bidayn ist noch eine Jungfrau«, flüsterte sie. »Sie wird sich dir heute schenken.«

Mit kundigen Fingern löste sie seinen schweren, halbrunden Halsschmuck aus Türkisen und Onyx, der ihn als Bewahrer der Tiefen Gewölbe auswies. Dann streifte sie mit seiner Hilfe seine goldenen Armreife und den großen Siegelring ab, der die geflügelte Išta zeigte. Die Jungfrau nahm den Schmuck entgegen und legte ihn neben die Schale mit dem Räucherwerk.

»Steck den Ring in einen Becher.« Seine Kehle war wieder trocken. Wellen unbekannter Gefühle brandeten in ihm auf und setzten ihn in Flammen. »Bitte. Die Göttin soll uns nicht zusehen«, erklärte er, als er den fragenden Blick der Fremden bemerkte.

»Wie heißt du, meine Schöne? In all den Tagen im Tempel hast du mir nie deinen Namen genannt.«

»Lyvianne, und meine Freundin heißt Bidayn.« Ihre Hand fuhr unter den Saum seines langen Priesterkleides. Sie schob es ihm über die Knie und streifte wie zufällig die Innenseiten seiner Schenkel. Auf einen Wink hin kniete sich die Jungfrau nun hinter ihm auf das Bett und massierte mit kundigen Händen die verspannten Muskeln seiner Schultern. Er konnte spüren, wie sich die Knoten lösten.

»Bidayn und Lyvianne? Ungewöhnliche Namen. Ich habe sie noch nie zuvor gehört.«

»Wir sind auch keine Luwierinnen«, entgegnete Lyvianne mit rauchiger Stimme. »Wir kommen von sehr weit her.«

Er wollte fragen, wo sehr weit her war, doch ihre Hände wanderten seine Schenkel hoch, und brennende Lust ließ all seine Gedanken zu Asche werden. Bidayn zog ihm das lange Gewand über den Kopf. Etwas Warmes floss über seine Schultern. Öl? Aus den Augenwinkeln sah er die Hände und Unterarme des Mädchens. Sie waren mit einem seltsamen, weitmaschigen Rautenmuster überzogen. So etwas hatte er noch nie gesehen.

»Was ist mit ihr?«

»Jungfrauen werden in einem besonderen Ritual auf ihre erste Liebesnacht vorbereitet. Dazu gehört, dass sie am ganzen Körper bemalt werden.«

Öl rann über seine Brust, und Lyvianne strich sanft durch das ergrauende Haar, in dem seine Brustwarzen verborgen waren. Nie hatte Tuwatis eine solche Erregung verspürt. Er ließ sich zurücksinken und ganz und gar treiben. Immer wieder führte ihn Lyvianne kurz vor den Höhepunkt der Lust, um dann innezuhalten und ihn erneut zu noch größerer Ekstase anzustacheln.

Inzwischen waren auch seine Hände voller Öl. Mit ihnen erkundete er die Körper der zwei Frauen. Die Jungfrau war schüchtern. Manchmal zuckte sie zurück, wenn er zu drängend und begehrlich wurde. Auch küsste sie schlecht. Bemüht, doch ohne Leidenschaft. Er ließ von ihr ab und genoss einzig die Berührung ihrer schlanken Hände, während Lyvianne es war, die ihn von Seufzer zu Seufzer führte.

Plötzlich riefen die beiden Frauen etwas – ein seltsames, befremdliches Wort, das keiner Sprache glich, die er je vernommen hatte. Dunkle Verheißung haftete ihm an. Lyvianne trieb ihn zu einem immer wilder werdenden Reigen der Lust. Inzwischen kauerte sie auf ihm, ritt ihn mit schnellen Stößen und brünstigem Stöhnen. Schweiß und Öl rannen über ihre kleinen Brüste und ihren drahtigen Körper, dabei verdrehte sie die Augen zur Decke wie eine Besessene.

Der Anblick machte ihm Angst. Er war ein heiliger Mann. Er sollte so etwas hier nicht tun! Damit forderte er den Zorn der Götter heraus. In dem Zimmer war es jäh kälter und ein wenig dunkler geworden. Vielleicht war eine der beiden Öllampen herabgebrannt? Tuwatis hatte das Gefühl, etwas Ungreifbares habe sich Zutritt verschafft, doch er war unfähig, von Lyvianne abzulassen. Auch die Jungfrau war ein wenig leidenschaftlicher geworden. Sie beugte sich von hinten immer wieder über ihn herab und küsste ihn. Obwohl ihr der Ekel vor ihm anzusehen war, machte sie weiter – als stünde sie unter einem Zauberbann. Und endlich, endlich fand das wilde Liebesspiel Erfüllung. Er bäumte sich mit einem lauten Schrei auf, der ihm tief in die Kehle schnitt, verströmte all sein Gefühl und zerfloss in seliger Ekstase. Es wollte gar nicht mehr enden, das Fließen. Es ließ ihn matter und matter werden, bis er das Gefühl hatte, sein Herz habe kaum noch die Kraft, länger zu schlagen.