Erik und Kevin nickten. Ebenso die älteren Partner der übrigen sieben Paare.
»Wir warten hier, bis er auftaucht, in diesem kleinen Tal. Wenn er an Land geht, werden wir ihn aufspüren. Vergesst nicht, Jungs, er vermag vieles. Das Beste wäre, ihn aus der Entfernung zu erschießen ... aber auf so viel Glück wage ich nicht zu hoffen. Na gut, es ist nicht meine Aufgabe, euch zu sagen, wie ihr am besten gegen ihn kämpft. Wir decken euren Angriff ... alles Übrige ist eure Angelegenheit.«
»Wir werden euch nicht enttäuschen«, sagte Erik leise. »Nicht wahr, Kevin?«
»Wir werden euch nicht enttäuschen«, stimmte der andere zu. »Oder wissen wir etwa nicht, mit wem wir es zu tun haben?«
Ritors Lager befand sich in einem abgelegenen kleinen Talkessel. Auf den Abhängen ringsum wuchs dichter Wald. Der Magier hatte sich keine große Mühe gegeben, einen
Das Warten begann. Nach Ritors Berechnungen waren sie dem Drachentöter mehrere Stunden voraus - bald würde die Stunde der größten Kraft schlagen. Der Kahn oder das Floß, je nachdem, was der Drachentöter gewählt hatte, würde festmachen, und jener würde an Land gehen. Er wusste ja nicht, dass er verfolgt wurde. Er würde den üblichen Weg zu den Grenzen des Erdclans wählen. Und da würden sie ihn zu fassen bekommen. Zusammen mit Liz ... jener war noch nicht in der Lage, gleichzeitig gegen zwei Elemente zu bestehen. Ganz gleich, wie gut sein Schutzwall war, er wäre noch nicht fähig, ihn mit äußerster Kraft zu nutzen. Fünf Magier der Luft und ein Magier des Feuers - gegen sie würde der Drachentöter nicht bestehen können.
Wenn es sein muss, opfere ich alle meine Kämpfer, dachte Ritor kalt, aber wir werden den Drachentöter vernichten. Koste es, was es wolle. Ich spüre schon die Vibrationen unsichtbarer Saiten ... nur für mich wahrnehmbare Vorzeichen, und sie kündigen die baldige Ankunft des Drachen an ... Und wenn der Drachentöter auf ihn trifft, dann ist die Katastrophe unvermeidlich. Denn dieser Drache ist tatsächlich der letzte. Vielleicht wäre Torn in der Lage, den ersten Ansturm der Angeborenen abzuwehren, obwohl ich das kaum glaube, aber den zweiten wird er ganz sicher nicht überstehen. Denn allein im Kampf gegen den anderen, den Erschaffenen Drachen, werden zwei Drittel seiner Soldaten sterben, und für das restliche Drittel reicht den Angeborenen ein adlerköpfiges Schiff.
Die aufgehende Sonne vertrieb unbarmherzig die letzten Fetzen der Nacht; eigensinnig kletterte sie am Himmelsgewölbe in die Höhe, und Ritor fühlte sich unwillkürlich an die größte Angst seiner Kindheit erinnert; damals hatte er gefürchtet, dass die goldene Kugel den steilen Aufstieg an der hellblaugläsernen Kuppel nicht aushalten, abrutschen und in einem verzehrenden Flammenmeer auf die Erde stürzen würde.
Erik und Kevin scheuchten ihre Leute unermüdlich durch die Gegend und arbeiteten irgendwelche Taktiken aus, die nur ihnen verständlich waren; die Jungen »zur Hand« schlichen durchs Gebüsch und verschmolzen buchstäblich mit den Pflanzen wie flinke Schlangen. Sandra und Asmund saßen abseits und flüsterten miteinander; Solli und Boletus unterhielten sich mit Liz. Das Mädchen hatte gerötete Wangen und erklärte den beiden Magiern der Luft in diesem Moment etwas; ihre zarten Finger huschten hin und her, und zwischen ihnen loderten die blassen Zünglein rauchloser Flammen auf - Liz führte offenbar irgendwelche Details ihrer Angriffskunst vor.
Alles war in Ordnung. Seine Truppe war bereit. Bald würden sie aufbrechen.
Ritor blieb eine Weile lang auf einem alten, vertrockneten Ast sitzen und genoss einen kurzen Augenblick grenzenlosen Friedens. Viel zu selten wurde ihm diese Wohltat zuteil. »Morgen zieh ich in den Kampf, bis dahin ...«[20] - wie von selbst fielen ihm die Worte ein. Vor nicht allzu langer Zeit war einer von der Anderen Seite zum Clan der Luft gestoßen; er hatte leider nicht das geringste Talent zur Zauberei, dafür konnte er Verse rezitieren und Lieder singen, dieses hier und noch unzählige andere ...
Der Magier der Luft prüfte mit größter Sorgfalt seine Überwachungsformel; gespannt und aufs Äußerste konzentriert
Ritor hob schweigend die Hand. Im gleichen Moment erstarrte das ganze Lager.
Der Zauberer benötigte einige Sekunden, um herauszufinden, wo und wie der Drachentöter sich vorwärts bewegte. Ja ... alles klar. Ganz wie er es vorhergesehen hatte, der nichtsahnende Mann hatte die viel bereiste Hauptstraße von den Anlegestellen zu den Ländereien der Erde gewählt. Und genau das hatte Ritor von ihm erwartet. Jetzt war es nur eine Kleinigkeit. Sie mussten ihn umzingeln und ... das Begonnene zu Ende bringen.
»Gehen wir«, befahl das Oberhaupt der Luft mit leiser Stimme. Er sah Asmunds vor Aufregung zerbissene Lippen, Sandras hochgezogene Augenbrauen und Liz’ weiße, ineinander verschränkte Finger; nur Solli und Boletus waren ganz gelassen. Wer sein Leben um ein Haar unter dem ungezügelten, rasenden Ansturm der großen Windflügel gelassen hatte, den konnte ein Drachentöter nicht aus der Ruhe bringen.
Bis zu besagter Hauptstraße waren es zwei Stunden Fußmarsch. Die Herbstsonne schien weich, und das Laufen war angenehm. Ritors Truppe bewegte sich in einer langen Reihe vorwärts. Kevin und Erik und dahinter Blade bildeten die Vorhut, Jerome und Ben deckten die Seiten. Für alle Fälle. Keiner rechnete mit einem Überfall, aber wer wusste schon, was Torn vorhatte?
»Halt, wir machen Rast«, befahl Ritor, als in Sichtweite vor ihnen das helle Band der befahrenen Straße auftauchte. Er wollte, dass seine Truppe ausgeruht war. Sie hatten
Die Trasse vor ihnen leerte sich. Verschreckte Siedler auf dem Weg zum Markt, Handelsfuhren, die Ladungen von den Kähnen aufnahmen, gewöhnliche Reisende - mit einem Wort, alles, was normalerweise auf dieser Straße unterwegs war, hatte nichts Eiligeres zu tun, als der Kampftruppe zweier Elementarer Clans aus dem Weg zu gehen. Sogar die Totemistischen Clans, einschließlich der stolzen Panther, beschlossen nach kurzem Zögern, dass es besser war, dem großen Ritor nicht in die Quere zu kommen.
Der Magier der Luft hatte eine Stelle gewählt, wo der Weg eine Biegung um einen flach auslaufenden, ganz mit Wald bewachsenen Hügel machte. Es war der ideale Ort für einen Hinterhalt. Wieder eine Art Talkessel mit Böschungen; zwei Schritte vom Weg entfernt begann dichtes Buschwerk und undurchdringliches Gehölz. Der Drachentöter konnte nirgendwohin fliehen.
Kevin und Erik gaben ihre Befehle und stellten ihre Leute auf. Die übrigen Älteren und ihre Jungen versteckten sich im Unterholz; nach wenigen Augenblicken standen nur noch die Magier auf dem Weg.
»Hör zu, Liz. Solli und ich kümmern uns um die erste Schicht seines Walls. Ich bin mir fast sicher, dass sie mit Wassermagie zu tun hat. Dann kommen Sandra und Asmund und schalten die zweite Schicht aus - ich denke, die wird was mit unserem Arsenal zu tun haben. Danach bist du an der Reihe. Boletus gibt dir Deckung für den Fall eines Gegenschlags. Ich nehme an, deine Attacke wird er ebenfalls abwehren ... aber mach dir nichts draus. Denk dran, unsere Aufgabe ist es, ihn bloßzustellen. Soll er alle seine Kräfte an uns abarbeiten, indem er unsere Angriffe abwehrt.
Liz errötete und nickte.
»Verteilt euch jetzt, Freunde«, sagte der Magier. »Er ist nicht mehr weit entfernt.«
Allmählich belebte sich der Weg wieder. Zweirädrige Karren und Fuhrwerke ratterten vorbei, zogen Fußgänger und Reiter dahin; sie vernahmen das Quietschen von Rädern und die müden Rufe der Treiber, das Blöken von Schafen, die in Herden vorbeigetrieben wurden - alles war wie immer.
Ritor lag da, ganz verdeckt von den dichten immergrünen Zweigen einer Magnolie. Die Zauberer vom Clan der Erde hatten viel Mühe darauf verwenden müssen, um den empfindlichen Gast vom Heißen Meer in diesem trockenen, kalkhaltigen Boden anzusiedeln ...
Der Magier wartete. Na, na, was war da los? Aus Furcht, sein Opfer aufzuschrecken, ließ Ritor das Band seiner Überwachungsformel erschlaffen. Im Augenblick konnte er es nicht riskieren, den Drachentöter aufzuspüren, da dieser schon ganz nahe sein musste.
20
»MORGEN ZIEH ICH IN DEN KAMPF, BIS DAHIN ...« Liedzeile aus dem »Kriegslied« von Vladimir Wysozki von 1966, das auch in dem Film