Выбрать главу

Endlich kam die Reihe an Viktor und Tel.

»Wohin so eilig, Kleine?« Die Aufmerksamkeit der wachhabenden Soldaten hatte eine eindeutige Richtung eingeschlagen. »Wir sind doch viel lustiger als dein Kavalier!«

Viktor fasste automatisch an den Griff seines Schwertes, was die Soldaten mit einem Anfall schallenden Gelächters quittierten. Sie hatten offensichtlich die Absicht, sich auf verbale Annäherungsversuche zu beschränken, aber natürlich waren sie auch bereit, sich zu schlagen.

»Wehe, ihr beleidigt meine Schwester!«, rief Viktor, wobei er Tels Geschichte aufnahm. »Sie ist auf dem Weg zu den Magiern in Feros, um die Kraft zu erfassen!«

Augenblicklich machte sich ein gewisser Respekt auf den Gesichtern der Soldaten breit. Der Hauptmann der Wache, der einen mit Goldborte gesäumten Umhang trug, nickte einem Kameraden zu und sagte: »He, Rames, begleite die beiden bis zum Schloss des Fürsten!«

»Zu Befehl, Sergeant.« Ein groß gewachsener Mann mit einer Hakennase, der an einen Griechen oder Bulgaren erinnerte, deutete eine Verbeugung vor Tel an und sagte: »Und Ihr habt also die Kraft gespürt, Mädchen?«

»Und wie ich sie gespürt habe!«, rief Tel mit hitziger Stimme aus. Die Soldaten brachen in lautes Gewieher aus. Rames lächelte leicht, bewahrte aber seine ernste Haltung.

»Dann schätze ich mich glücklich, Ihr Begleiter sein zu dürfen ... zumindest in der ersten Zeit.«

Er blinzelte Viktor listig zu. Offenbar glaubte er, dass jeder Zivilist stolz darauf sein müsste, wenn seiner Schwester so viel Achtung entgegengebracht wurde.

Sie schritten durch enge, gepflasterte Gässchen auf das Zentrum der Stadt zu. Entgegen Viktors Erwartungen war es recht sauber auf den Straßen, und er bemerkte nichts von jenem Gestank, der nach Meinung der Historiker die mittelalterlichen Städte beherrscht haben sollte. Möglicherweise hatten die Untertanen des Clans der Erde ja eine richtige Kanalisation. Oder übernahm die Magie diese Aufgabe?

Als Viktor versuchte, sich eine magische Toilette vorzustellen, konnte er ein Kopfschütteln nicht unterdrücken. In der Mittelwelt war das möglich. Wenn die Magie in den Alltag eindrang, würde sie jede Menge weniger erhabene Anwendungsbereiche finden.

Im Übrigen war nirgendwo auch nur das kleinste bisschen Magie zu spüren. Es waren gewöhnliche Menschen unterwegs. Vielleicht waren sie etwas stämmiger und hatten breitere Gesichter als in anderen Städten. Es war unverkennbar, dass es den Vasallen der Erde gutging.

»Es ist nicht das Schlechteste, ein Magier zu sein«, sagte Rames mit hoher, melodischer Stimme. Er hatte einen leichten, aber deutlich hörbaren Akzent. »Übrigens ist es auch durchaus ehrenwert, nicht Magier zu sein. Vor allem für ein hübsches junges Mädchen ...«

Tel wurde rot und lächelte geschmeichelt wie ein naives Landkind.

»Als Magier verbringt man die besten Jahre beim langweiligen Studium in unterirdischen Tempeln und finsteren Höhlen«, fuhr Rames fort. »Magier sind so in ihre Bemühungen versunken, die Geheimnisse der Natur zu begreifen, dass sie nicht einmal bemerken, wenn sich eine wunderschöne rosa Knospe öffnet, wenn sie ihren Duft in der verhassten unterirdischen Finsternis verströmt. Und wenn die Kraft, die durch so viele Entbehrungen erfasst wurde, erstarkt, findet sie schon keine Anwendung mehr.«

»Aber ich will eine Magierin werden!«, rief Tel kapriziös aus. »Ich will, dass alle mich lieben und fürchten! Ich will in einem weißen Kleid und mit Brillanten geschmückt in einem offenen roten Wagen dahinjagen, und hinter mir soll ein Elfenjunge sitzen und mir die Haare kämmen!«

Rames seufzte und blickte Viktor an. »Was sagst du?«

»Na ja, wenn sie es will, warum nicht?«

»Ja, warum nicht«, stimmte der Gardist zu. »Und für die Verwandten ist es auch von Vorteil ...«

Viktor antwortete nicht auf diese Spitze. Schweigend erreichten sie das Schloss. Ein wenig düster und gedrungen

»Deine Schwester hat Glück«, erklärte Rames. »Vor ein paar Stunden ist Herr Andrzej[23] in der Stadt eingetroffen. Er ist das Oberhaupt des Erdclans und Magier ersten Ranges! Er sieht die Kraft überall und kann geradewegs in die Menschen hineinschauen; er wird euch sagen, ob es sich für euch lohnt, nach Feros zu ziehen ... Nun ja, hat mich gefreut, euch zu Diensten zu sein!«

Er knallte die Hacken zusammen, drehte sich um und ging davon.

Viktor fasste Tel an der Hand und hinderte sie am Weitergehen. »Wohin willst du, Dummerchen? Warum wollen wir uns in so eine Lage bringen?«

Die Plauderei zwischen Tel und dem Gardisten hatte so echt geklungen, dass Viktor begann, in Tel tatsächlich ein törichtes Mädchen zu sehen: eine rote Kutsche mit einem Elfenpagen also ... haha ...

»Es ist zu spät, um die Pläne zu ändern!« Tel riss ihre Hand los. »Na los, komm schon!«

Viktor folgte ihr auf die Tore zu, wobei er insgeheim die ganze Welt verfluchte, angefangen von den kaputten Sicherungen auf der Anderen Seite bis hin zu den elenden Drachen.

Wie sich herausstellte, wurde der Eingang ebenfalls von Gardisten bewacht. Nur saßen ihre Uniformen besser und waren sauberer, und sie selbst wirkten wie handverlesen, allesamt hoch gewachsen und mit feisten Gesichtern, wie Grenadiere Peters des Großen.

»Wir sind gekommen, um dem Fürsten unsere Aufwartung zu machen!«, sagte Tel laut. »Ich bin auf dem Weg nach

Von dieser Dreistigkeit rutschte Viktor das Herz in die Hose. Vermutlich würde er jetzt ohne Rücksichtnahme auf seine Rolle als machtloser Bruder doch die Kraft zu Hilfe rufen müssen ...

Aber entweder war ein derartiges Benehmen bei selbst ernannten Zauberschülern üblich, oder die Gardisten hatten keine Lust, sich in die Ränke der Zauberer einzumischen.

»Tretet ein«, sagte einer der Gardisten und rückte zur Seite, um sie durchzulassen.

Die Postkutsche wurde von zwei Brüdern gelenkt. Natürlich war es ihnen nicht gestattet, Mitreisende aufzunehmen. Aber wie hätten zwei ältere Männer darauf verzichten können, die am Straßenrand winkende Loj Iwer mitzunehmen?

Aber o weh, damit hatten sie sich nichts Gutes getan. Loj war ziemlich schlechter Laune.

Viktor und Tel hatten nicht am vereinbarten Ort auf sie gewartet! Gut, sie hatte sich verspätet, aber nur um eine Viertelstunde. Und die Spuren zeigten deutlich, dass das Mädchen vom Geheimen Clan seinen Schützling schon mindestens drei Stunden früher fortgeführt hatte.

Diese dreiste Ziege!

Viktor hätte sicher auf sie gewartet. Und sie hätte ihm erzählt, wie geschickt sie seine Feinde abgelenkt hatte. Und vielleicht hätte sie sogar erreicht, was sie wollte ...

»Schönes Mädchen, trinkst du ein Weinchen mit uns?« Der ältere Bruder hatte offenbar beschlossen, ein probates Mittel anzuwenden. Er förderte eine riesige, an die vier Liter

»Ach, warum nicht?«

Eingezwängt auf dem Kutschbock zwischen zwei schwitzenden, erregten Männern, stürzte Loj tapfer ein halbes Glas hinunter. Der Wein war süß und mit Schnaps verschnitten. Die Brüder tauschten freudige Blicke aus und machten sich ebenfalls über das Gebräu her.

Der ältere Bruder packte die Flasche und verkündete mit vielsagender Stimme: »Ich bin zuerst dran.« Loj hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst.

»Na gut«, stimmte der Jüngere ergeben zu.

»Trinken wir noch eins?«, schlug Loj vor.

Die Brüder strahlten. Sie malten sich die weiteren Ereignisse in den schönsten Farben aus. Denn ein so junges Mädchen würden sie sicher mühelos unter den Tisch trinken. Schon bald würde sie anfangen zu kichern und die scherzhaften Küsse und Umarmungen erwidern. Und dann würde der Ältere das benommene Mädchen mit beiden Armen unterfassen, ihr nach hinten in den Wagen helfen, dorthin, wo es ganz weich war von all den Postsäcken und den Stapeln von Menschen- und Gnomzeitungen, die sie in Feros an die verschiedenen Adressen verteilen mussten ...

вернуться

23

HERR ANDRZEJ Der Magier der Erde wird durch seinen Vornamen als polnischstämmig charakterisiert. Andrzej ist die polnische Form des russischen Andrej oder dt. Andreas.