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»Vielleicht kann ich euch ja noch mal nützlich sein, Tel? Wer weiß, was euch dort erwartet.«

»Warte, Tel«, mischte Viktor sich ein. »Warum muss ich unbedingt zum Clan des Feuers?«

»Weil ...« Es war offensichtlich, dass Tel ihm nur ungern antwortete, und erst recht in Lojs Gegenwart. »Weil du lernen musst, deine Kraft zu lenken. Und das kann nur, wer die Weihen aller Elementaren Clans durchläuft. Traditionell

»Und was muss er dann tun, meine verehrte Tel?«, murmelte Iwer.

»Was er will«, antwortete das Mädchen scharf. »Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Und was hast du vor, Loj Iwer?«

»Euch im Rahmen meiner schwachen Möglichkeiten zu helfen«, erwiderte die Katze, ohne zu zögern. »Euer Ziel liegt sowieso auf meinem Weg. Jedenfalls wenn du, verehrte Tel, mir die Wahrheit gesagt hast.«

Das Mädchen schnaubte nur.

Es wurde still.

Was war so schlecht daran, die Kraft zu beherrschen?, fragte sich Viktor. Wenn er der Drachentöter sein sollte, nun gut, dann war das eben sein Schicksal ... Schließlich hatte er sich heute nicht seinem Hass überlassen, hatte ihn nicht in eine alles vernichtende Macht verwandelt und das Städtchen des Erdclans nicht zerstört. Dabei wäre er dazu in der Lage gewesen - ganz sicher!

Dennoch, tief in seinem Inneren ertönte eine weitere Stimme und verschaffte sich Gehör.

»Es gibt noch eine dritte Welt«, vernahm Viktor eine weiche Stimme. »Du hast sie gesehen ... ein wenig von ihr ... in deinen Träumen. Auch dort lässt sich eine würdevolle Beschäftigung finden. Warum nicht dahin gehen? Sollen doch diese verrückten Magier untereinander ausmachen, wen sie brauchen und wen nicht. Dorthin führt für sie kein Weg. Das ist eine Tatsache.«

Er erinnerte sich an den Fresssack. Irgendetwas sehr Bedeutsames hatte ihm dieser nicht sonderlich angenehme Typ erklären wollen. Was hatte Loj noch mal gesagt? Die

Daran wollte er gerne glauben.

Aber eines war klar, wenn er seine Verfolger abschütteln könnte, dann würde er eine Freiheit erlangen, von der er bei sich zu Hause, auf der Anderen Seite, nur träumen konnte. Ganz gleich, selbst wenn das alles nur ein kranker Wahnsinn war und er in Wirklichkeit schon lange in die Kaschtschenko-Klinik[24] eingeliefert worden war, für diese Form des Wahnsinns wäre er bereit, für immer auf seine »Wirklichkeit« zu verzichten ... genau wie der Rollenspieler Kolja vom Frachtkahn.

»Tel, werde ich zum Drachentöter?« Viktor wollte nicht länger drumherumreden. »Wenn ich die Weihen hinter mich gebracht habe?«

Dieses Wort hatte etwas Abscheuliches. Drachentöter ... Mörder ... Henker ... Killer ... Assassine.

Das Mädchen wich seinem Blick aus.

»Du sollst dieses Wort nicht laut aussprechen, Viktor. Gib dem, was noch nicht stattgefunden hat, keinen Namen.« Ihre Stimme war zu einem Flüstern geworden.

Loj lauschte eifersüchtig.

»Was kann ich tun?«

»Du selbst bleiben.« Tels Lippen formten die kaum hörbaren Worte. »Alles andere ist Schicksal.«

»Und was ist mit diesen Angeborenen? Was sind das überhaupt für Leute? Ich habe geträumt ... aber undeutlich und wirr ...«

Sowohl Loj als auch Tel senkten die Blicke.

»Das ist unser Fluch, Viktor«, sagte Loj schließlich. »Es ist so, dass wir alle - alle Clans, die hier in der Mittelwelt

»Lange beschützten uns die Drachen. Die Geflügelten Herrscher der Mittelwelt«, ergänzte Tel überraschend.

»Das heißt, dass die Drachen gut sind?«, wunderte sich Viktor.

»Gut?«, empörte sich Loj. »Seit wann das! Sie herrschten mit eiserner Faust nach dem Motto: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Es gab immer nur ein Urteil! Du weißt schon, welches ... Sie wollten alles wissen und alles bestimmen. Sie mischten sich in alles ein ... Und duldeten keinen Widerspruch. Andererseits waren sie schön und stark ...«

»Sie waren weder gut noch schlecht, Viktor«, sagte Tel mit leiser Stimme. Sie presste ihre Knie an die Brust und legte ihr Kinn darauf. »Sie existierten einfach. Und jetzt sind sie nicht mehr. Weil ...«

»Weil die Clans ihre Tyrannei am Ende satthatten«, mischte sich Loj nun wieder ein. »Ihre Tyrannei und Despotie, ganz gleich, was man dir erzählt, nur so kann man ihre

»Warum tötete er sie dann nicht? Warum ließ er sie am Leben? Wenn er sie doch so sehr hasste?«

»Ich weiß es nicht.« Tel zuckte mit den Schultern.

»Grundsätzlich ist es das Privileg des Geheimen Clans, zwischen den Welten hin und her zu wechseln.« Loj lächelte schlau.

»Und was habt ihr sonst noch für Privilegien? Und was ist das Besondere an euch?« Viktor beschloss, es nicht länger hinzunehmen, dass das Mädchen sich in Schweigen hüllte.

»Erzähl es ihm schon, Tel«, schmunzelte Loj zufrieden. »Wenn du was vergisst, helfe ich dir auf die Sprünge.«

Das Mädchen warf ihr einen wütenden und misstrauischen Blick zu.

»Der Geheime Clan gehört zu den Elementaren ... halt, nein, so nicht. Den Kräften nach sind wir den Elementaren ebenbürtig, aber wir sind nicht an einen der vier Urgründe, an Feuer, Wasser, Luft oder Erde, gebunden. Wir haben unsere Existenz nie zur Schau gestellt. Und wir waren niemals an den kleinen Streitereien beteiligt.«

»Ja, ja, ihr habt immer nur bei den großen Angelegenheiten mitgemischt«, schnaubte Loj. In ihrer Stimme schien eine uralte Gekränktheit mitzuschwingen.

»Neid ist kein guter Zug«, sagte Tel mit schulmeisterlicher Stimme. »Ich habe die Ordnung unserer Welt nicht erdacht, Iwer. Ich hoffe, du bist klug genug, das zu begreifen.«

»Seid friedlich!«, flehte Viktor. »Tel, wozu die ganze Geschichte? Wozu braucht der Geheime Clan den Drachentöter?«

»Genau«, unterstützte Loj ihn erbarmungslos. »Na los, Tel, warum schweigst du? Oho, wirst du etwa rot?«

»Wenn die Angeborenen ihren eigenen Drachen erschaffen ...«, flüsterte Tel.

Loj Iwer blickte das Mädchen einige Sekunden durchdringend an, während sie lautlos die Lippen bewegte.

»Vielleicht würde es an meiner Stelle ebenso gut eine Flak tun«, sagte Viktor verbittert.

»Was würde es an deiner Stelle auch tun?« Tel war verwirrt, und auch Loj zog ihre reizvoll gebogenen Augenbrauen überrascht nach oben.

»Eine Fliegerabwehrkanone. So ein Ding, das Raketen und Flugzeuge vom Himmel holt. Ich schätze mal, dass ein Drache nicht viel anders ist, oder? Sie rechnen seine Position aus und feuern ihm ein paar Raketen in den Ranzen ...«

»Hör auf, Viktor!« Es klang wie eine Ohrfeige. Tel war rot geworden und sprang auf die Beine. »Du bist nicht meine Waffe! Du bist überhaupt keine Waffe! Du bist von ganz allein - Kraft! Aber du musst den vorgezeichneten Weg beschreiten, sonst ...«

»Aber warum jagt Ritor mich? Warum will er mich töten?«

»Weil er auf die Ankunft des Drachen wartet.« Tels Flüstern war kaum zu verstehen, wie ein entferntes Rascheln des Windes, wie das Rascheln des Windes in einer wallenden goldenen Mähne ...

»Ja, und?«

»Du ... er denkt, dass du ...«

»Und bin ich das etwa nicht?«, stieß Viktor hervor und spürte, wie sich eine schreckliche Kälte in ihm breitmachte.

»Noch nicht!«, sagte Tel scharf und hartnäckig. »Dir steht noch eine letzte Weihe bevor. Beim Feuer. Und danach die Insel.«

»Die Insel?« Auf Lojs schönem Gesicht zeichnete sich Angst ab. »Die Dracheninsel im Heißen Meer, gleich neben der Bruchstelle der Welten?«

»Ja.« Tel hielt ihrem Blick stand. »Die Weihen werden vom Hüter der Insel vollendet.«

»Bei allen Großen Kräften«, murmelte Loj, ohne sich für ihre Furcht zu schämen. »Tel, und wenn du dich doch irrst, dann bedeutet das den sicheren Tod ... für dich und für ihn.«

»Ja. Wenn er nicht standhält. Aber Viktor wird standhalten«, sagte Tel mit eiserner Überzeugung wie ein Frauchen, das seinen Hund lobte.

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24

KASCHTSCHENKO-KLINIK Gemeint ist das Psychiatrische Krankenhaus Nr. 1 in Moskau, das 1894 gegründet wurde und von 1922 bis 1994 nach dem russischen Arzt und Psychiater Pjotr Kaschtschenko hieß.