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Mit einer entschuldigenden Verbeugung, außer Reihe gesprochen zu haben, setzte sich Derek wieder. Viele der älteren Ritter nickten zustimmend.

»Im Maßstab heißt es auch«, sagte Sturm langsam, »daß wir nicht sinnlos Leben nehmen dürfen, daß wir nur zur Verteidigung kämpfen – entweder zu unserer oder zur Verteidigung anderer. Die Elfen haben unser Leben nicht bedroht. Zu keiner Zeit bestand für uns wirklich Gefahr für Leib und Leben.«

»Sie haben mit Pfeilen auf euch geschossen, Mann!« Fürst Alfred schlug mit seiner behandschuhten Rechten auf den Tisch.

»Das ist wahr, mein Fürst«, erwiderte Sturm, »aber es ist bekannt, daß die Elfen hervorragende Schützen sind. Wenn sie uns hätten töten wollen, hätten sie nicht auf die Bäume gehalten.«

»Was glaubst du, was passiert wäre, wenn ihr die Elfen angegriffen hättet?« fragte Gunther.

»Das Ergebnis wäre meiner Ansicht nach tragisch gewesen, mein Fürst«, sagte Sturm mit leiser, weicher Stimme. »Zum ersten Mal seit Generationen hätten sich Elfen und Menschen gegenseitig umgebracht. Ich denke, die Drachenfürsten hätten schallend gelacht.«

Einige der jüngeren Ritter applaudierten.

Fürst Alfred funkelte sie an, wütend über diesen ernsthaften Verstoß gegen die Verhaltensregeln des Maßstabs. »Fürst Gunther, darf ich daran erinnern, daß nicht Fürst Derek Kronenhüter hier angeklagt ist. Er hat seinen Mut immer wieder auf dem Schlachtfeld unter Beweis gestellt. Ich denke, wir können seinen Worten glauben. Sturm Feuerklinge, behauptest du, daß Fürst Derek Kronenhüters Anklagen gegen dich falsch sind?«

»Mein Fürst«, begann Sturm und leckte über seine aufgesprungenen, trockenen Lippen, »ich sage nicht, daß der Ritter lügt. Ich sage jedoch, daß er mich falsch dargestellt hat.«

»Zu welchem Zweck?« fragte Fürst Michael.

Sturm zögerte. »Ich würde es vorziehen, diese Frage nicht zu beantworten, mein Fürst«, sagte er so leise, daß viele Ritter in den hinteren Reihen nicht verstanden und Alfred zuriefen, die Frage zu wiederholen. Er tat es und erhielt dieselbe Antwort dieses Mal lauter.

»Auf welcher Grundlage verweigerst du die Antwort auf diese Frage, Feuerklinge?« fragte Fürst Gunther streng.

»Weil es – gemäß dem Maßstab – die Ehre der Ritterschaft verletzen würde«, gab Sturm zurück.

Fürst Gunthers Gesicht wurde ernst. »Das ist eine schwerwiegende Beschuldigung. Dir ist bewußt, daß du keine Zeugen hast?«

»Das weiß ich, mein Fürst«, antwortete Sturm, »und eben darum ziehe ich es vor, nicht zu antworten.«

»Und wenn ich dich auffordere, zu sprechen?«

»Das wäre natürlich etwas anderes.«

»Dann sprich, Sturm Feuerklinge. Dies ist eine ungewöhnliche Situation, und ich sehe nicht, daß wir zu einem gerechten Urteil kommen können, ohne alles gehört zu haben. Warum glaubst du, daß Fürst Derek Kronenhüter dich falsch dargestellt hat?«

Sturms Gesicht lief rot an. Er spielte nervös mit seinen Händen, hob seine Augen und sah direkt auf die drei Ritter, die über ihn urteilen sollten. Seine Sache war verloren, das wußte er. Er würde niemals ein Ritter werden, niemals das zugesprochen bekommen, was ihm teurer war als sein Leben. Wenn er es durch seine eigene Schuld verloren hätte, wäre es schlimm genug, aber auf diese Weise – das wäre eine ewig schwärende Wunde. Und so sprach er die Worte, von denen er wußte, daß sie ihm für den Rest seines Lebens Derek zu seinem bittersten Feind machen würden.

»Ich glaube, Fürst Derek Kronenhüter stellt mich um seiner ehrgeizigen Pläne willen falsch dar, mein Fürst.«

Ein Tumult brach aus. Derek war aufgesprungen. Seine Freunde hielten ihn mit Gewalt zurück, sonst hätte er Sturm in der Kapitelhalle angegriffen. Gunther mahnte mit einem Schlag des Schwertknaufs zur Ordnung, und schließlich beruhigte sich die Versammlung wieder, aber nicht bevor Derek Sturm herausgefordert hatte, seine Ehrenhaftigkeit im Kampf zu beweisen.

Gunther starrte den Ritter kalt an.

»Du weißt, Fürst Derek, daß in dieser Zeit – einer erklärten Kriegszeit – die Ehrenkämpfe verboten sind! Komm zu dir, oder ich muß dich von dieser Versammlung ausschließen.«

Schweratmend, sein Gesicht rotgefleckt, ließ sich Derek wieder auf seinen Sitz fallen.

Gunther ließ der Versammlung noch einen Augenblick Zeit, sich zu beruhigen, dann nahm er die Befragung wieder auf.

»Hast du noch etwas zu deiner Verteidigung zu sagen, Sturm Feuerklinge?«

»Nein, mein Fürst«, sagte Sturm.

»Dann zieh dich bitte zurück, während die Angelegenheit beraten wird.«

Sturm erhob sich und verbeugte sich vor den Fürsten, Dann drehte er sich um und verbeugte sich vor der Versammlung.

Danach verließ er in Begleitung von zwei Rittern den Saal. Sie führten ihn in eine Vorkammer, wo sie ihn auf nicht unfreundliche Art sich selbst überließen. Sie selbst postierten sich neben der verschlossenen Tür und unterhielten sich leise über Themen, die mit den Verhandlungen nichts zu tun hatten.

Sturm saß auf einer Bank am anderen Ende der Kammer. Er schien ausgeglichen und ruhig, aber der Schein trog. Er war entschlossen, die Ritter nicht seinen inneren Aufruhr merken zu lassen. Es war hoffnungslos, das wußte er. Er hatte das bereits Gunthers betrübtem Gesicht entnehmen können. Aber wie würde das Urteil lauten? Exil, des Landes und des Besitzes beraubt?

Sturm lächelte bitter. Er besaß nichts, was sie ihm wegnehmen konnten. Er hatte lange außerhalb von Solamnia gelebt, Exil wäre also bedeutungslos. Tod? Er würde den Tod begrüßen.

Alles war besser als diese hoffnungslose Existenz, dieser dumpfe, klopfende Schmerz.

Stunden vergingen. Das Gemurmel der drei Stimmen im Saal war in den Korridoren zu hören, manchmal klang es wütend.

Viele der anderen Ritter waren gegangen, denn nur die drei konnten das Urteil fällen. Die anderen Ritter spalteten sich in verschiedene Gruppen.

Die jungen Ritter sprachen offen über Sturms ehrenwertes Verhalten, sein mutiges Handeln, das selbst Derek nicht abstreiten konnte. Sturm hatte recht getan, nicht gegen die Elfen zu kämpfen. Die Ritter von Solamnia brauchten in diesen Zeiten alle Freunde, die sie bekommen konnten. Warum dann sinnloserweise angreifen? Die älteren Ritter hatten nur eine Antwort den Maßstab. Derek hatte Sturm einen Befehl erteilt. Der hatte den Befehl verweigert. Nach dem Maßstab war dies unentschuldbar. Der Streit tobte den ganzen Nachmittag lang.

Am frühen Abend ertönte dann eine kleine Silberglocke.

»Feuerklinge«, sagte einer der Ritter.

Sturm hob den Kopf. »Ist es soweit?« Der Ritter nickte.

Sturm senkte einen Moment den Kopf und bat Paladin um Mut. Dann erhob er sich. Er und seine Wachen warteten, bis die Versammlung im Saal Platz genommen hatte. Er wußte, daß der Urteilsspruch verkündet wurde, sobald sie eingetreten waren.

Schließlich öffneten die beiden Ritter die Tür und forderten Sturm auf, einzutreten. Er ging in den Saal, die Ritter folgten ihm. Sturms Blick ging sofort zum Platz vor Fürst Gunther.

Das Schwert seines Vaters – ein Schwert, von dem die Legende sagte, daß sie von Berthel Feuerklinge selbst weitergegeben wurde, ein Schwert, das nur dann zerbrechen würde, wenn sein Herr starb – lag auf dem Tisch. Sturms Augen gingen zum Schwert. Er senkte seinen Kopf, um die brennenden Tränen in seinen Augen zu verbergen.

»Bringt den Mann, Sturm Feuerklinge, nach vorn«, rief Fürst Gunther.

Den Mann Sturm Feuerklinge, nicht den Ritter! dachte Sturm verzweifelt. Dann fiel ihm Derek ein. Er hob schnell und stolz den Kopf, während er seine Tränen wegblinzelte. So wie er seinen Schmerz vor dem Feind auf dem Schlachtfeld verbergen würde, so war er entschlossen, ihn nun vor Derek zu verbergen.

Er warf trotzig seinen Kopf zurück. Seine Augen nur auf Fürst Gunther gerichtet, ging der entehrte Edelmann nach vorn zu den drei Amtsträgern des Ordens, um sein Schicksal zu erwarten.

»Sturm Feuerklinge, wir haben dich für schuldig befunden. Wir werden jetzt das Urteil verkünden. Bist du bereit, es zu empfangen?«