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»Falsch, mon ami.« Er schüttelte sanft den Kopf. »Absolut falsch. Was sie auf der Nase hatte, war der Kneifer, den wir in Carlotta Adams' Handtäschchen fanden ...«

29

Mir fiel die Aufgabe zu, am anderen Morgen Inspektor Japp zu benachrichtigen.

»Ach, Sie sind's, Hauptmann Hastings«, antwortete mir eine ziemlich flaue Stimme. »Na, was gibt's?«

Ich bestellte ihm Poirots Botschaft.

»Um elf Uhr bei Ihnen sein? Ja, das kann ich machen. Er hat doch nicht etwa das Geheimnis um den Tod des jungen Ross gelüftet .? Ich gestehe offen, daß wir vollkommen im Dunkeln tappen.«

»Eine gute Nachricht hat er, glaube ich, für Sie bereit«, sagte ich. »Auf jeden Fall scheint er sehr mit sich zufrieden zu sein.«

»Das kann ich von mir gerade nicht behaupten. Also gut, Hauptmann Hastings. Ich werde mich pünktlich einfinden.«

Mein nächster Anruf galt Martin Bryan. Ihm erzählte ich, wie mir befohlen war, daß Poirot eine Entdeckung gemacht habe, die seines Erachtens Mr. Bryan viel Vergnügen bereiten würde. Als er mich fragte, was es sei, antwortete ich wahrheitsgemäß, daß ich keine Ahnung hätte. Dann schwieg der Teilnehmer am anderen Ende der Leitung, und erst nach einem Weilchen erklärte er: »Abgemacht. Ich werde kommen.«

Wer aber beschreibt mein Erstaunen, als Poirot hierauf sich selbst zum Apparat bemühte, Jenny Driver anrief und sie ebenfalls zu uns bat?

Er war ruhig und ernst, und ich belästigte ihn nicht mit Fragen. Als erster stellte sich Martin Bryan ein, wie immer in den letzten Wochen frisch und munter. Jenny Driver folgte ihm fast auf dem Fuß. Es schien sie zu überraschen, Bryan bei uns zu treffen, und er schien ihre Überraschung zu teilen.

Poirot schleppte zwei Stühle herbei und nötigte die beiden, Platz zu nehmen.

»Inspektor Japp muß jeden Augenblick eintreffen«, sagte er, seine Uhr ziehend.

»Inspektor Japp?« wiederholte Bryan erstaunt.

»Ja, ich habe ihn ganz ungezwungen - als Freund -hergebeten.«

Der Schauspieler versank in Schweigen. Jenny streifte ihn mit einem raschen Blick und schaute dann nach einer anderen Richtung. Ich hatte den Eindruck, als sei sie heute morgen sonderbar zerstreut.

Gleich darauf trat Inspektor Japp ins Zimmer. Er begrüßte Poirot mit seiner gewöhnlichen Scherzhaftigkeit.

»Was bedeutet diese Versammlung hier? Sie wollen mir, vermute ich, irgendeine neue wundervolle Theorie anvertrauen?«

Poirot strahlte ihn an.

»Nein, nein, keine wundervolle Theorie. Nur eine ganz einfache Geschichte, so einfach, daß ich mich schäme, sie nicht sofort erkannt zu haben. Wenn Sie erlauben, werde ich den Fall von Anbeginn mit Ihnen durchgehen.«

Japp seufzte und sah nach der Uhr.

»Dauert es länger als eine Stunde?«

»Beruhigen Sie sich, mon ami, so lange brauchen Sie nicht auszuharren. Nicht wahr, Sie möchten wissen, wer Lord Edgware, wer Miss Adams und wer den jungen Ross tötete?«

»Das letztere vor allem«, erwiderte der vorsichtige Japp gespannt.

»Dann hören Sie mich an, und Sie werden alles erfahren. Sehen Sie, ich werde bescheiden sein« (sehr unwahrscheinlich! dachte ich ungläubig), »ich werde Ihnen enthüllen, wie ich genasführt wurde, wie ich das größte Unvermögen offenbarte, wie es der Unterhaltung mit meinem Freunde Hastings und der zufälligen Bemerkung eines gänzlich Fremden bedurfte, um mich auf die richtige Spur zu bringen.«

Er machte eine Pause, räusperte sich und begann hierauf in seiner Predigerstimme, wie ich es nannte, vorzutragen:

»Ich greife zurück auf jenes Supper im Savoy, als Lady Edgware eine Unterredung mit mir verlangte. Sie wünschte ihren Gatten loszuwerden, und am Schluß unseres Gesprächs sagte sie - ziemlich unklug nach meiner Meinung -, daß sie schließlich noch ein Taxi nehmen und ihn eigenhändig töten würde. Diese Worte hörte auch Mr. Bryan, der in diesem Augenblick hereinkam.«

Er wirbelte herum.

»Eh? Stimmt das?«

»Wir alle hörten sie«, verbesserte ihn der Schauspieler. »Die Widburns, Marsh, Carlotta - alle, ohne Ausnahme.«

»Zugegeben. Eh bien, es wurde dafür gesorgt, daß ich jene Worte Lady Edgwares nicht vergaß. Mr. Martin Bryan besuchte mich am folgenden Morgen eigens zu dem Zweck, sie mir in den Kopf zu hämmern.«

»Keineswegs«, rief Bryan ärgerlich. »Ich kam ...«

Poirot hob eine Hand hoch.

»Sie kamen angeblich, um mir ein Ammenmärchen von einem Mann, der Sie auf Schritt und Tritt verfolgte, zu erzählen. Wahrscheinlich lieferte Ihnen irgendein Film den Stoff dazu. Ein Mädchen, dessen Einwilligung Sie erst einholen müßten ... ein Mann, den Sie an einem Goldzahn wiedererkannten. Mon ami, heutzutage würde kein junger Mann mit einem Goldzahn in der Welt umherlaufen, besonders nicht in Amerika. Der Goldzahn ist ein hoffnungslos veraltetes Stück der Zahnheilkunde, merken Sie sich das! Nachdem Sie nun Ihre Geschichte vom Stapel gelassen hatten, kamen Sie zu dem eigentlichen Zweck Ihres Besuches: mir Gift gegen Lady Edgware ins Herz zu träufeln. Um es klar auszudrücken, Sie bereiteten den Boden für den Augenblick vor, wenn sie ihren Gatten ermorden würde.«

»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, murmelte Martin Bryan, dessen Gesicht totenblaß geworden war.

»Sie belächeln die Vorstellung, daß er in eine Scheidung willigen könnte! Sie vermuten, daß ich ihn am folgenden Tag sehen würde, während unsere erste Verabredung bereits umgestoßen ist. Und als ich an jenem Morgen zu ihm gehe, setzt er der Scheidung keinerlei Widerstand entgegen. Mithin entfällt jeder Beweggrund für Lady Edgware, zu einem Verbrechen zu schreiten. Und überdies erzählt er mir, daß er seiner Gattin bereits einen diesbezüglichen Brief geschrieben habe.

Aber Lady Edgware weiß nichts von diesem Brief. Entweder lügt sie oder der Lord, oder jemand hat den Brief unterschlagen.

Nun drängt sich mir unwillkürlich die Frage auf: Warum macht sich Mr. Martin Bryan die Mühe, herzukommen und mir all diese Lügen aufzutischen? Welche inneren Mächte treiben ihn? Und es schält sich die Idee heraus, daß Sie, Monsieur, einmal wahnsinnig in Lady Edgware verliebt gewesen sind. Hierin bestärkt mich der Umstand, daß mir Lord Edgware mitteilte, seine Frau habe ihm erzählt, sie wolle einen Schauspieler heiraten. Aber die Dame änderte ihren Plan. Als Lord Edgware in seinem Brief die Einwilligung zur Scheidung gibt, ist jemand anders der Auserkorene - nicht Sie. Grund genug für Sie, Monsieur, jenen Brief zu unterschlagen.«

»Niemals habe .«

»Hinterher mögen Sie sagen, was Sie wollen. Aber vorläufig muß ich Sie bitten, mir Gehör zu schenken.

In welcher seelischen Verfassung würden Sie sich nach dieser Niederlage wohl befinden - Sie, ein verwöhntes Idol, das bislang noch nie eine Zurückweisung erfahren hat? Wie ich es sehe, tobt in Ihnen eine Art irrer Wut, ein dämonischer Wunsch, Lady Edgware so viel Böses wie möglich zuzufügen. Und welches größere Übel können Sie ihr antun, als zu veranlassen, daß sie des Mordes angeklagt, vielleicht gehenkt wird?«

»Gerechter Gott!« sagte Japp.

Diesmal wandte sich Poirot an ihn.

»Ja, ja, das war die kleine Idee, die sich in meinem Hirn zu formen begann. Verschiedenes kam hinzu, um sie zu nähren. Carlotta Adams' zwei hauptsächliche Freunde: Hauptmann Marsh und Martin Bryan. Hauptmann Marsh war ein armer, mit Schulden belasteter Teufel, wohingegen Martin Bryan, ein reicher Mann, ihr sehr wohl zehntausend Dollar für den sogenannten Schabernack bieten konnte.«

»Ich tat es nicht. Ich schwöre, daß ich es nicht tat«, kam es heiser von des Künstlers Lippen.

»Als der Inhalt von Miss Adams' Brief an ihre Schwester von Washington gekabelt wurde - oh, la, la! da war ich fassungslos. Es schien, daß ich mich unrettbar festgefahren hatte. Doch später machte ich eine Entdeckung. An Hand des Originalbriefes stellte ich fest, daß eine Seite fehlte und daß mit dem >er< durchaus nicht Hauptmann Marsh gemeint sein müsse.