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Aber damit ist das Beweismaterial keineswegs erschöpft. Bei seiner Verhaftung bekundete Hauptmann Marsh, daß er geglaubt habe, Martin Bryan in Lord Edgwares Haus eintreten zu sehen. Da diese Aussage aus dem Mund eines Angeklagten kam, legte man ihr kein Gewicht bei. Außerdem hatte Mr. Bryan ein Alibi. Kein Wunder! Wenn er den Mord beging, mußte er ein Alibi haben. Leider wurde dieses Alibi nur durch eine einzige Person erhärtet - Miss Driver.«

»Und?« fragte die junge Dame scharf.

»Nichts, Mademoiselle«, sagte Poirot lächelnd. »Ausgenommen, daß ich Sie an jenem Tag mit Mr. Bryan zusammen beim Lunch traf und Sie sich zu uns herüber bemühten, um mich glauben zu machen, daß sich Ihre Freundin für Ronald Marsh interessiert, aber nicht, wie ich sicher annahm, für Martin Bryan.«

»Für mich ...? Nicht ein bißchen«, versetzte der Schauspieler.

»Sie wurden es vielleicht nicht gewahr, Monsieur. Aber ich denke, es verhielt sich so. Hierdurch erklärt sich auch Carlottas Abneigung gegen Lady Edgware. Sie haben Miss Adams von der erlittenen Niederlage erzählt, nicht wahr?«

»Nun . ja . ich mußte mich zu irgend jemandem aussprechen, und sie .«

». war teilnehmend«, ergänzte mein kleiner Freund. »Eh bien, was ereignet sich dann? Ronald Marsh wird verhaftet. Unverzüglich verbessert sich Ihre Stimmung; die Angst schwindet. Obgleich Ihr eigentlicher Plan dadurch fehlschlug, daß Lady Edgware sich in letzter Minute zur Teilnahme an Sir Montagues Gesellschaft entschloß, hat sich doch ein Sündenbock gefunden, der sie von aller Sorge um Ihre eigene Person erlöst. Und dann hören Sie bei einem Lunch Donald Ross, diesen netten, aber ziemlich beschränkten jungen Mann, etwas zu Hastings sagen, aus dem Sie entnehmen, daß Sie keineswegs sicher sind.«

»Es ist nicht wahr!« heulte Martin Bryan auf. Schweißtropfen rannen über sein verzerrtes Gesicht. »Bei meiner Seele schwöre ich Ihnen, daß ich nichts hörte, nichts, nichts, nichts .«

Und nun kam der heftigste Schlag dieses Vormittags.

»Ja, das stimmt«, sagte Poirot ruhig. »Und ich hoffe, Sie sind jetzt hinreichend dafür bestraft worden, daß Sie mir - mir, Hercule Poirot - mit einer Schwindelgeschichte zu kommen wagten, Monsieur.« Wir atmeten alle auf.

»Sie sehen, ich enthülle Ihnen meine sämtlichen Irrtümer«, fuhr mein Freund verträumt fort. »Fünf Fragen hatte ich mir gestellt - Hastings weiß es. Eine betraf Lord Edgwares plötzliche Sinnesänderung wegen der Scheidung. Entweder beabsichtigte er eine neue Ehe einzugehen - aber nichts deutete darauf hin -, oder irgendeine Art von Erpressung gab den Ausschlag. Lord Edgware war ein Mann mit sonderbaren Neigungen. Die Möglichkeit bestand, daß anrüchige Tatsachen über ihn durchgesickert waren, die nach englischem Recht seiner Frau zwar keine Handhabe zur Scheidung boten, jedoch von ihr als Druckmittel benutzt werden konnten. Daß sich an seinen Namen ein offener Skandal heftete, wünschte Lord Edgware aber nicht. Daher gab er nach, obwohl die Wut über diesen Zwang sich in dem mörderischen Ausdruck seines Gesichts, als er sich unbeobachtet wähnte, verriet.

Zwei Fragen aber machten mir unendlich zu schaffen. Sie drehten sich um den Kneifer in Miss Adams' Tasche, der ihr nicht gehörte, und um den telefonischen Anruf, der Lady Edgware von der Tafel weggeholt hatte. Mit keiner von beiden vermochte ich Mr. Bryan in Verbindung zu bringen.

Infolgedessen sah ich mich zu der Folgerung genötigt, daß ich entweder in bezug auf Mr. Bryan oder in bezug auf die beiden Fragen unrecht hatte. In heller Verzweiflung las ich jenen Brief von Miss Adams abermals sorgfältig durch. Und ich fand etwas! Ja, ich fand etwas .!

Hier ist der Brief! Sie sehen, daß diese eine Seite abgerissen ist. Uneben, rauh, wie es oft passiert. Oben an der linken Ecke fehlt sogar ein Stück - scheinbar infolge unachtsamen Abreißens. Aber es ist nicht Unachtsamkeit gewesen, sondern wohlüberlegte Absicht. Denn dort oben, wo das Stückchen fehlt, stand ein Name oder vielleicht der erste Buchstabe eines Namens mit einem Punkt dahinter.

Nach dieser Entdeckung plagte mich mehr als je der Buchstabe D, der in der Golddose eingraviert war. Aber es gab keinen Mitspieler in diesem Drama, dessen Name mit D begann. Vielleicht aber eine Frau .?

Ah, da war Geraldine Marsh, die ihr Vetter in meiner Gegenwart einmal zufällig Dina angeredet hatte. Zudem haßte sie ihren Vater, hatte es mir selbst gesagt. Sie war ein neurotischer, nervöser Menschentyp. Wie nun, wenn sie bei ihrer heimlichen Rückkehr den Vater erstochen und dann hinaufgegangen wäre, um die Perlen zu holen?

Dann war da noch Miss Jenny Driver .«

Mein Freund zögerte und schaute Jenny an. Sie schaute mit spitzbübischem Lächeln zurück.

»Nun, und was ist mit mir?«

»Nichts, Mademoiselle. Nur eben Ihr Name, der mit D beginnt, und Ihre Freundschaft mit Martin Bryan.«

»Das ist nicht gerade viel«, meinte sie lakonisch und zündete sich eine Zigarette an. »Fahren Sie fort!«

»War Mr. Bryans Alibi echt oder nicht? Darüber mußte ich mich entscheiden. Wenn es echt war, wen hatte dann Ronald Marsh ins Haus gehen sehen? Und plötzlich fiel mir etwas ein, nämlich die erstaunliche Ähnlichkeit zwischen Mr. Bryan und dem schönen Butler aus Regent Gate. Ihn hatte Hauptmann Marsh gesehen. Und allgemach entwickelte sich auch hierüber eine Theorie. Ich bin der Meinung, daß er als erster seinen ermordeten Herrn entdeckte. Neben dem Toten lag ein Umschlag, der französische Banknoten im Werte von hundert Pfund enthielt. Er eignete sich die Noten an, schlüpfte aus dem Haus, brachte sie bei einem seiner sauberen Freunde in Sicherheit und kehrte zurück, indem er sich vermittels Lord Edgwares Schlüssel ungesehen Eingang ins Haus verschaffte. Die Entdeckung des Verbrechens überließ er dem Hausmädchen. Gefahr für sich befürchtete er nicht, da er ganz überzeugt war, daß Lady Edgware die Tat verübt habe. Und die Noten befanden sich bereits außerhalb und würden schon gewechselt sein, bevor man ihren Verlust wahrnahm. Als jedoch Lady Edgware ein Alibi nachweisen konnte und Scotland Yard sein Vorleben zu erforschen begann, wurde ihm der Boden unter den Füßen zu heiß, und er verduftete.«

Inspektor Japp gab seine Zustimmung durch ein Nicken kund.

»Nunmehr wende ich mich der Kneiferfrage zu. Gab es Personen, die in irgendwelchen, und sei es noch so lockeren Beziehungen zu dem einen oder anderen Beteiligten standen und einen Kneifer trugen? Ja, da war vor allem Miss Carroll, die Sekretärin des Ermordeten. Sie hielt sich an jenem Abend im Haus auf, sie hatte bereits von dem Wunsch getrieben, Lady Edgware zu belasten - ungenaue Aussagen gemacht, und überdies war sie eine Frau mit Umsicht und Kaltblütigkeit. Einen Beweggrund sah ich zwar nicht; immerhin mochte während der vieljährigen Tätigkeit bei Lord Edgware einer entstanden sein, von dem wir nichts ahnten. Miss Carroll hätte auch den Brief an Lady Edgware unterschlagen können. Und als sie mit Carlotta Adams die Einzelheiten festlegte oder sich mit ihr am Mordabend traf, war der Kneifer vielleicht aus Versehen in Carlottas Handtäschchen geraten.

Aber ein geschickt angestelltes Experiment bewies mir, daß der Kneifer nicht Miss Carroll gehörte. Etwas niedergeschlagen wanderte ich mit Hastings heim, mit dem Versuch beschäftigt, die Dinge in meinem Hirn methodisch zu ordnen. Und dann geschah das Wunder!

Zuerst sprach mein Freund Hastings von Donald Ross und der Tafelrunde der Dreizehn bei Sir Montague Corner und erwähnte, wie Ross zuerst aufgestanden sei. In meine eigenen Grübeleien verstrickt, hörte ich nur mit halbem Ohr hin. Es schoß mir nur flüchtig der Gedanke durch den Kopf, daß das eigentlich, strenggenommen, nicht stimmte. Am Ende des Dinners mochte Donald Ross zuerst aufgestanden sein, doch in Wirklichkeit war Lady Edgware die erste gewesen, da sie sich erhob, um zum Telefon zu gehen. Und wie ich an sie dachte, fiel mir ein gewisses Rätsel ein - ein Rätsel, das meines Erachtens gut mit ihrer etwas kindischen Mentalität in Einklang stand. Ich gab es Hastings auf, der sich nicht dafür begeisterte. Als nächstes überlegte ich mir, wen ich wohl über Mr. Bryans Gefühle für Jane Wilkinson ausfragen könnte. Sie selbst würde mir nicht Rede und Antwort stehen. Und als wir gerade den Fahrdamm kreuzten, äußerte ein Passant einen ganz einfachen Satz.