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Ja wirklich! Der Zauber, der Liebeszauber hatte sich von dem Mädchen jetzt auf die Sau übertragen. Und sicherlich wäre es für den Wachtmeister kein Vergnügen gewesen, wenn statt der schönen Trine plötzlich die wilde Sau auf ihn losgestürmt wäre, vor den Augen der ganzen Schwadron, und man kann sich ja ausmalen, was der Herr Rittmeister zu dem Schauspiel gesagt hätte!

Doch es zeigte sich, dass der Wachtmeister mit den funkelnden, schwarzen Augen mehr Glück als Verstand hatte. Weil die Straße nämlich nach einiger Zeit einen weiten Bogen beschrieb, um ein Wäldchen herum; und weil die verhexte Sau es so eilig hatte, dass sie den Bogen abschneiden wollte und quer durch das Wäldchen rannte! Deshalb, nur deshalb, blieb Trines Schürze im Dickicht hängen, an einem dornichten Ast. Und kaum, dass die Schürze am Ast hing, kaum also dass die Sau ihrer los und ledig war - was geschieht da?

Die Schürze flattert am Ast wie von heftigem Sturm gezaust; die Sau indessen hält inne im Lauf: Von einem Augenblick auf den andern kommt sie zur Ruhe, verschnauft ein wenig und kehrt dann langsam, schwer atmend und schleppenden Schrittes zur Herde zurück und zu ihrem Hirten.

»Na, siehst du, Trine!« Der Schweinehirt stopft sich schmunzelnd ein Pfeifchen. »Da habt ihr ja noch mal Glück gehabt, du und die arme Sau.«

Tja, und mit dieser Bemerkung, so will’s mir scheinen, sollten wir die Geschichte beschließen: Trines Geschichte - und die des Herrn Wachtmeisters von der zweiten Schwadron.

Ein lästiger Bursche

Hexerei für den täglichen Bedarf in Haus und Hof, bei der Ausübung des Berufes: Hierher gehört auch das Gießen von Freikugeln. Wer seine Büchse mit einer Freikugel lädt, lädt sie mit einem tödlichen Geschoss, das sein Ziel nicht verfehlt, selbst über weite Entfernungen nicht. Freischützen, wie die Hersteller und Besitzer solcher Kugeln genannt werden, trifft man gelegentlich unter Soldaten an, vorwiegend unter Jägern und Wildschützen. Das Gießen von Freikugeln ist mit Hexerei verbunden, das äußere Drum und Dran unterliegt den verschiedenartigsten Vorschriften, bis hin zum Hostienfrevel. In Carl Maria von Webers romantischer Oper »Der Freischütz« werden Freikugeln auf offener Bühne gegossen, in der berühmten Wolfsschluchtszene, wenn die Jägerburschen Kaspar und Max zu mitternächtlicher Stunde den höllischen Samiel beschwören. Doch nicht von ihnen möchte ich hier erzählen; erzählen möchte ich von den beiden Tappern, deren Geschichte ich kenne, seit ich ein kleiner Junge war. Und der sie uns damals erzählt hat, im Gasthof »Zur Pyramide«, beim Schein der Petroleumlampe, das ist der Schneider-Gottl gewesen, ein uralter Häuselmann von der Hohen Iser.

Weit draußen im Isergebirge, unweit der böhmisch­schlesischen Grenze, da haben vor Zeiten die beiden Tappern gehaust: Vater und Sohn vermutlich, es können auch Brüder gewesen sein, Genaueres weiß man nicht. Sie haben gelebt, wovon man so lebt an der Hohen Iser, vom Holzmachen und vom Paschen, vom Schmuggeln also, Tabak hinüber, Bohnen­kaffee herüber. Und selbstverständlich haben sie auch gewildert von Zeit zu Zeit. Ihr Häusel hat ziemlich weit abseits gestanden, am Rand des Moores. In mondhellen Nächten sind Hirsche und Rehe an ihren Fenstern vorübergezogen, in ganzen Rudeln. Da haben sie manchmal nicht anders können, die Tappern, und haben nach ihnen geschossen. Einfach zum Stubenfenster hinaus. Es scheint aber, dass sie mit ihrer Schießerei wenig Glück hatten. Wären sie sonst wohl auf den Gedanken gekom­men, sich auf den Guss von Freikugeln einzulassen? Wer sie dabei beraten hat, weiß man nicht. Irgendjemand muss ihnen wohl gesagt haben, was alles zur Herstellung solcher Kugeln benötigt wurde und wie man dabei zu verfahren hatte. Mögli­cherweise ist es der alte Tammann gewesen, von dem man sich an der Iser zuraunte, dass er in derlei Dingen beschlagen sei.

Kurzum, was zum Guss der Kugeln benötigt wurde, waren bestimmte Kräuter, neun an der Zahl; das war Blei aus den Fenstern eines Gotteshauses; das war, nicht zuletzt, der Schädel eines Gehenkten. No gut. Die neunerlei Kräuter ließen sich unschwer beschaffen; das nötige Blei gewannen die Tappern, indem sie das Sakristeifenster an der Tannwalder Kirche einschlugen, dessen einzelne kleine Scheiben durch Stege aus Blei miteinander verbunden waren, wie damals üblich. Blieb noch der Totenschädel. Den suchten und fanden sie in der nächsten Neumondnacht unterm Hirschberger Galgen. Sie ließen den Schädel in einem der leeren Kaffeesäcke verschwinden, die sie beim Paschen benutzten, und trugen ihn darin heim.

Am Freitag danach begaben sie sich ans Werk. Alles war vorbereitet. Die Tür war verriegelt, die Stubenfenster hatten sie zugehängt. Die neunerlei Kräuter lagen zur Hand, das Blei und die Schmelzkelle. Auf dem Tisch stand ein Becken voll glühender Kohlen bereit, der Totenschädel lag links daneben, die Augenhöhlen nach oben gekehrt.

Schlag Mitternacht schmolzen die Tappern das Blei aus dem Tannwalder Sakristeifenster über dem Kohlenbecken, nachdem sie die Kräuter ins Feuer gestreut hatten, sprachen die vorgeschriebenen Formeln dazu und gossen das flüssig gewordene Blei durch die Augenhöhlen des Schädels, abwechselnd durch die linke und durch die rechte. Dann machte es in der Hirnschale des Gehenkten jedes Mal klick, bis sieben Kugeln gegossen waren.

Kein Blitz, kein Donner während der Prozedur. Kein Gespenst hat sich sehen lassen, kein Teufelsspuk hat den Tappern zugesetzt. Alles in Butter. Alles ist glatt vonstatten gegangen, verdächtig glatt.

Sie verstauen die Kugeln in einer Nische hinter dem Türstock, wo niemand sie suchen wird. Rasch sind das Kohlenbecken, die Schmelzkelle weggeräumt. Doch wohin mit dem Totenschädel? Wohin wohl! Sie stecken ihn in den Sack - und dann nichts wie zurück nach Hirschberg mit ihm, nach Hirschberg unter den Galgen, wohin er gehört.

Nach Hirschberg unter den Galgen und wieder zurück, dazu brauchten sie ein paar Stunden. Als sie im Morgengrauen zurückkamen an die Iser, waren sie hundemüde. Jetzt aber nichts wie schlafen, das haben sie sich verdient nach dem weiten Weg! - Schon legen die Tappern die Joppen, schon legen sie ihre Hosen ab, da bemerken sie, beide gleichzeitig, dass auf dem Wandbrett ein Schädel steht und sie angrinst. Der Totenschädel, den sie vermeintlich nach Hirschberg zurückgebracht hatten, unter den Galgen. Kein Zweifel - er ist es! Sie merken es an den Augenhöhlen, die schwärzliche Ränder bekommen haben, vom heißen Blei, das hindurchgeflossen ist.

»Ja verflucht!«, ruft der ältere Tapper aus. »Gibt’s denn das wirklich?«

Zornig ergreift er den Totenschädel, zornig schmeißt er ihn aus dem Fenster. Der Schädel jedoch - der Schädel kommt wieder zurück. Von selbst kehrt der Schädel zurück auf das Wandbrett und grinst sich eins.

»Ja verflucht noch mal!« Diesmal ist es der jüngere Tapper, der sich vernehmen lässt. »Haben wir denn, zum Teufel, was falsch gemacht, dass der Kerl uns foppt?«

Das muss wohl der Grund sein, sie müssen beim Guss der Freikugeln etwas falsch gemacht haben. Aber was? Und wohin mit dem Kerl auf dem Wandbrett? Dort kann er, dort darf er nicht bleiben, so viel steht für die Tappern fest.

Nach Hirschberg ist es entschieden zu weit für sie. Also hinaus mit ihm in den Rumpeltump, einen Tümpel im Isermoor! Klatschend fällt er ins schwarze Wasser, der Totenschädel, gurgelnd versinkt er darin. Wie sie heimkommen, grinst er ihnen schon wieder entgegen, vom Wandbrett herab.

Beim nächsten Mal packen sie ihn in den Tabaksack, zusammen mit etlichen Wackersteinen. Sie schmeißen den Sack in den Steinbachfall, er versinkt in der Tiefe. Wie sie nach Hause kommen, was müssen sie sehen? Auch diesmal grinst ihnen der Schädel entgegen, vom Wandbrett herab.

Noch siebenmal haben die Tappern versucht, sich des bleichen Kerls zu entledigen. Siebenmal ist er dennoch zurückgekehrt auf das Wandbrett in ihrer Stube: Schneller ist er dorthin zurückgekehrt als sie selbst. Und jedes Mal hat der vermaledeite Schädel sie angegrinst von dort oben, höhnischer als zuvor.