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Diener: Ich werde mit Gottes und deiner Hilfe ins Leben zurückkehren, jung und stark.«

»Mit Gottes und - meiner Hilfe?« Der Diener staunte, der Diener bat ihn: »Lehre mich, was ich zu tun habe, Meister, um dir zu helfen.«

»Zerschneide, sobald ich gestorben bin, meinen Leib in siebenmal sieben Stücke«, gebot Paracelsus dem treuen Diener. »Dann schraube den Knauf meines Schwertes auf. Du wirst in der Kapsel ein Pulver von weißlicher Farbe vorfinden: die Arznei der Arzneien. Streue von diesem Arcanum drei Prisen auf meinen zerstückelten Leib und bete darüber drei Vaterunser und dreimal den großen Wundsegen. Im Morgengrauen des nächsten Tages begrabe mich dann hier draußen, im Schatten der alten Linde.«

Der Diener nickte, der Diener gelobte zu tun, was der Meister von ihm verlangte.

»Noch eins!«, fügte der Doktor hinzu. »Wenn ich begraben bin, musst du Tag für Tag zu der Linde kommen und für mich beten. Und in den Stamm des Baumes schneide dann jedes Mal eine Kerbe ein.«

Auch dies gelobte der Diener zu tun.

»Nun das Letzte und Wichtigste noch!« Beschwörend hob Paracelsus die Stimme. »Zähle die Kerben im Stamm der Linde - und zähle sie wohl! Und wenn siebenmal sieben Tage verstrichen sind, öffne das Grab, das du mir gegraben hast, und wiederum bete drei Vaterunser darüber und dreimal den großen Wundsegen. Dann bestreue, was du im offenen Grab findest, mit der Arznei der Arzneien. Drei Prisen auch diesmal. Doch merke! Das Grab muss genau am siebenmal siebenten Tage geöffnet werden. Keinen Tag früher und keinen später! Dies, mein getreuer Diener, beherzige - dies vor allem!«

Sie kehrten nach Salzburg zurück. Paracelsus erkrankte noch diesen Abend am kalten Fieber, drei Tage danach war er tot. Der getreue Diener tat alles, was ihn sein Herr und Meister geheißen hatte, er tat es sorgfältig, tat es gewissenhaft. Und er tat es im festen Glauben, es werde mit Gottes und seiner, des Dieners Hilfe gelingen, den Tod zu besiegen und Paracelsus wieder ins Leben zurückzuholen.

Was für Wetter auch sein mochte, ob es regnete, ob die Sonne schien, ob es stürmte, hagelte oder gewittrig war: Tag für Tag ging der treue Diener von jetzt an hinaus zu der alten Linde, um über dem Grab des Meisters zu beten. Und wenn er das Amen gesprochen hatte, versäumte er niemals, eine Kerbe in die Rinde des Baumes zu schneiden.

Nun begab es sich einmal, dass unweit der alten Linde ein Hirtenjunge die Kühe hütet und ihn bei seinem Tun beobachtet. Kaum ist der treue Diener davongegangen, da sticht den Jungen der Hafer. Er zieht sein Messer hervor, und sei es aus Übermut, sei es aus Unverstand: Jedenfalls fügt er den vielen Kerben im Stamm der Linde eine hinzu.

So kommt es, dass der getreue Diener den siebenmal siebenten Tag verfehlt. Nicht aus eigener Schuld, denn wie hätte er wissen können, dass jener Hirtenjunge ihm in die Rechnung gepfuscht hat? Er kommt zu der Linde, er zählt die Kerben, er sieht, dass die Zahl erfüllt ist. Da öffnet der treue Diener das Grab des Meisters, nicht ohne drei Vaterunser darüber zu beten und dreimal den großen Wundsegen.

In der Tiefe des Grabes liegt Paracelsus: ein schlafender Jüngling im Alter von zwanzig Jahren etwa. Schön ist er, schön und von stattlichem Wuchs, mit vollem Haupthaar und glatter Haut, ohne jede Falte.

Der getreue Diener traut seinen Augen nicht, er bricht in die Knie, er jubelt: »O Herr, o Meister! Der Tod ist besiegt! Du hast ihn mit deiner Kunst überwunden! Der Herr unser Gott sei gelobt und gepriesen in Ewigkeit!«

Nun streut er über den Leib des schlafenden Jünglings drei Prisen von der bewussten Arznei aus dem Schwertknauf, wie Paracelsus es ihm geboten hatte. Und siehe! - das große Arcanum verfehlt seine Wirkung nicht, der Jüngling, der da im Grabe liegt, unter der alten Linde: Der Schlafende mit des Meisters verjüngten Zügen öffnet die Augen und blickt aus der Tiefe empor. Noch ist er nicht ganz dem Leben zurückgegeben. Ein Tag noch fehlt ihm, ein Einziger. Eine Kerbe zu viel in der Rinde des Baumes - ein Tag zu wenig für Paracelsus.

Traurig, unsagbar traurig lächelt der Doktor seinem getreuen Diener zu. Dann schließt er die Augen wieder, um in Sekundenschnelle zu Staub zu zerfallen. Und Staub wird er bleiben, bis die Posaune des Jüngsten Tages erschallt.

Der Tod lässt sich nicht bezwingen, von keinem Sterblichen lässt sich der Tod überwinden: Das hat selbst der große Arzt, der berühmte und kunstreiche Magier Theophrastus Bombastus von Hohenheim nicht geschafft, der sich Paracelsus nannte.

Gelächter zur Unzeit

Prag an der Moldau, zeitweilig Hauptstadt des Heiligen Römi­schen Reiches Deutscher Nation, dessen Kaiser vorübergehend dort Hof hielten, war jahrhundertelang auch Sitz einer jüdischen Gemeinde, die in der gesamten abendländischen Judenheit höchstes Ansehen genoss. Wohl die bekannteste Gestalt aus der Geschichte der Juden Prags ist der weise und zaubermächtige Rabbi Loew ben Bezalel. Große Wundertaten werden ihm zugeschrieben, so die Erschaffung des Golem, eines künstlichen Menschen aus Lehm, den er dann eigenhändig wieder zertrüm­mert habe, weil er sich der Macht und Aufsicht seines Schöpfers zu entziehen drohte. Damals residierte auf der Prager Burg, dem Hradschin, Kaiser Rudolf II. aus dem Hause Habsburg, ein Bilder-, Bücher- und Raritätensammler von hohen Graden, Liebhaber aller Künste, Gönner von Edelsteinschleifern, Sterndeutern, Alchemisten. Er habe sich, wie es heißt, in höchsteigener Person mit dem Studium der schwarzen und weißen Magie befasst, und sicherlich kommt es nicht ganz von ungefähr, dass Sage und Legende davon zu berichten wissen, es habe sich zwischen ihm und dem hohen Rabbi Loew aus der Prager Judenstadt mit der Zeit eine enge, nahezu freundschaftli­che Beziehung angesponnen.

Die Zusammenkünfte des römischen Kaisers mit dem hohen Rabbi Loew fanden ausnahmslos auf dem Hradschin statt, meist im Geheimen. Einmal jedoch bat der Kaiser den Rabbi darum, dem versammelten Hofstaat eine Probe seiner magischen Kunst zu geben. Man befand sich gerade in einem kleineren, etwas abgelegenen Saal der Burg, der sonst kaum benützt wurde.

Worin denn, so fragte der hohe Rabbi den Kaiser, die Probe bestehen sollte.

»Wie uns bekannt ist, bist du dazu im Stande, die Geister der Abgeschiedenen zu beschwören«, sagte der Kaiser. »Wie wäre es, wenn du vor unseren Augen die Erzväter deines Volkes erscheinen ließest?«

»Die Erzväter meines Volkes?« Der Rabbi versuchte, den Wunsch des Kaisers abzuwenden. Diese Beschwörung, so warnte er, sei mit Gefahr verbunden. Während der Zeit, da die Geister der abgeschiedenen Erzväter anwesend seien im Saal, müsste strengstes Stillschweigen herrschen.

Dies, so erwiderte ihm der Kaiser, sollte nicht schwer zu erreichen sein. Er werde dem Hofstaat einfach befehlen, das Maul zu halten. Den möchte er sehen, der sich getrauen sollte, seinen, des römischen Kaisers Befehl in den Wind zu schlagen.

Nun konnte der hohe Rabbi nicht anders, er musste die feierliche Beschwörung der biblischen Erzväter vornehmen. Halblaut gemurmelte Worte, weit ausgebreitete Arme, nach oben gekehrte Handflächen. Der Kaiser, der Hofstaat, alles verharrt in gespannter Erwartung. Dann wallt es zur Tür herein, wallt wie graues Gewölk herein und verdichtet sich zu Gestalten.

Ehrwürdig sind sie anzusehen, wie sie nun langsam den Saal durchschreiten, die biblischen Erzväter: Abraham an der Spitze, weißbärtig, tief gebeugt von der Last der Jahre; dann Isaak, Ehrfurcht gebietend auch er, ein schöner, von göttlicher Weisheit verklärter Greis voller Hoheit und Würde. Und schließlich ein wenig hinkend: Jakob, der mit dem Engel gerungen hat - Jakob, von seinen Söhnen gefolgt. Ruben, Simeon, Levi - man kennt sie ja alle zwölfe. Alle, die er im Lauf eines langen und fruchtbaren Lebens gezeugt hat. Auch Isachar folgt ihm, auch der ägyptische Joseph, auch Benjamin. Acht vollgebürtige Söhne ziehen vorüber, drei halbgebürtige von des Erzvaters Jakob Nebenfrauen.