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Der Baumeister ging zum alten Dessauer nach Norkitten und rapportierte ihm alles. »Schon gut.« Der Alte strich sich den Schnauzbart. »Versprech Er ihm, Baumeister: Wenn die Mühle erst mal für alle Zeiten in Gang ist, soll mir’s auf drei Dukaten nicht ankommen.«

Na gut, na schön. Der Baumeister übermittelt dem Weizen­blonden das Angebot und der Weizenblonde ist einverstanden. Auch diesmal ein Achselzucken, auch diesmal ein Augenzwin­kern - und Donnerwetter, die Mühle ist fix und fertig, die Mühle mahlt! Und die drei Dukaten?

»Bekommt Er«, sagte der alte Dessauer, als ihn der Weizenblonde nach dem vereinbarten Lohn fragte. »Aber erst dann, wenn es mir behagt. Und darauf kann Er lange warten, Er Lausekerl!«

Der Weizenblonde ist wütend. Aber er kann ja zaubern! Er wird Seiner fürstlichen Durchlaucht alles nur denkbare Zeug an den Hals wünschen! - denkt er, der Weizenblonde. Wie konnte er wissen, dass das Norkittener Schlösschen mit allem erdenklichen Schutz gegen Neid- und Schadenszauber versehen war? Zähneknirschend stellt er dies fest, der Weizenblonde. Und zähneknirschend muss er sich fügen. Solang sich der alte Dessauer auf Norkitten aufhält, ist ihm nicht beizukommen, selbst mit dem stärksten Zauber der Welt nicht. Na gut, na schön. Der Weizenblonde hat Zeit, der Weizenblonde kann warten.

Im Herbst wird der Fürst zum König von Preußen beordert, nach Königsberg: Man will seine Meinung hören, man braucht seinen Rat. Für die Zeit seines Aufenthalts darf der Alte in einem der besten, der schönsten, der allerbequemsten Gemächer logieren, die es im Schloss zu Königsberg gibt. Aber eben in einem Schloss, dessen Mauern den Fürsten von Anhalt-Dessau weder vor Neid- noch vor Schadenszauber bewahren können.

In Königsberg lehnt sich der alte Herr eines Morgens ahnungslos aus dem Fenster und blickt auf den Schlossplatz hinab, guter Dinge sein Pfeifchen schmauchend. Und wer blickt vom Schlossplatz zu ihm empor? Nun wer wohl! Zum alten Dessauer blickt der Weizenblonde empor: »Na?«, fragt er augenzwinkernd. »Krieg ich nun die Dukaten?«

»Die drei?«, fragt der alte Dessauer spöttisch zurück.

»Mit Verlaub«, erwidert der Weizenblonde. »Es sind mittlerweile schon vier. Und bald werden es fünfe sein.«

Er schnalzt mit den Fingern. Im Schloss zu Königsberg ist der Alte ihm ausgeliefert, anders als auf Norkitten. »Es könnten auch sechse werden, Fürstliche Durchlaucht .«

Der alte Dessauer zieht an der Meerschaumpfeife, der alte Dessauer weiß nicht, dass ihm der Weizenblonde ein Elchgeweih an die Stirn gehext hat. Ein Elchgeweih, mächtig nach beiden Seiten ausladend! Noch merkt Seine Fürstliche Durchlaucht nichts davon. Die Leute indessen, die auf dem Schlossplatz vorbeikommen, sehen das Elchgeweih auf der fürstlichen Stirn. Und sie sehen auch, dass es sich auswächst, nach rechts und nach links. Die Elchschaufeln wachsen sich mächtig aus, in die Breite und in die Länge. Schließlich erreichen sie solch gewaltige Ausmaße, dass sie das fürstliche Haupt hinabziehen, weit nach vorn und hinab auf das Fensterbrett.

Der alte Dessauer will sich aufrichten, will den Kopf aus dem Fenster zurückziehen: viel zu spät schon! Die Elchschaufeln hindern den Fürsten daran, der Fensterstock ist zu schmal für sie! Vom Schlossplatz herauf: ein Schmunzeln, ein Augenzwin­kern. Der Weizenblonde! Der dreimal vermaledeite Zimmergeselle aus Litauen.

»Nun, Euer Durchlaucht - wie viel jetzt?«

»Fünfe, in Teufelsnamen!«

»Sechse - und keinen drunter!«

Der alte Dessauer, königlich preußischer General und Heerführer: Leopold Fürst von Anhalt-Dessau - was bleibt ihm übrig in dieser vertrackten Lage, was kann er tun?

»Von mir aus!« Er fingert aus seiner Börse die sechs Dukaten hervor und wirft sie dem Weizenblonden aus Litauen in die Mütze. »Nun aber, Lausekerl, mach Er mich wieder los da!«

»Den Lausekerl stelle ich Euer Durchlaucht extra in Rechnung.« Der Weizenblonde verneigt sich spöttisch.

»Durchlaucht sollten die Güte haben, noch einen draufzulegen ...«

»Na gut, na schön!«

Dem alten Dessauer blieb keine andere Wahl. Mochte der Weizenblonde auch noch das siebente Goldstück haben - Hauptsache, dass Seine Fürstliche Durchlaucht das Elchgeweih wieder loswurde! Und das geschah denn auch.

Doktor Kittels Höllenzwang

Johann Josef Anton Eleazar Kitteclass="underline" Heute würde man ihn als Heilpraktiker und Inhaber einer Privatklinik bezeichnen. Er hatte weder Medizin studiert noch den Doktortitel erworben; dennoch wurde er von den Leuten zu seiner Zeit und an seinem Ort nur der Doktor Kittel genannt. Seine Zeit war das im Zustand der Aufklärung begriffene 18. Jahrhundert, und sein Ort, das war die Gemeinde Schumburg im Vorland des böhmi­schen Isergebirges. Dort hat er tatsächlich gelebt und gewirkt, als Wunderheiler und Menschenfreund. In seinem stattlichen Schumburger Wohnhaus gab es mehrere Krankenstuben. Und wer immer im näheren oder weiteren Umkreis ärztlicher Hilfe bedurfte, konnte darauf vertrauen, dass Doktor Kittel ihn so rasch wie möglich aufsuchen käme, notfalls mithilfe seines Zaubermantels, der ihn pfeilgeschwind durch die Lüfte trug. Für die Menschen seiner Zeit und seiner Umgebung grenzten Kittels Praktiken und Erfolge ans Wunderbare, sodass man ihm bald einen Pakt mit dem Teufel nachsagte. Als »Faust des Isergebir- ges« hat er zahlreiche Motive der Sage vom Doktor Faustus auf sich gezogen - mit einem entscheidenden Unterschied: Während der Doktor Faustus am Ende seiner Erdentage verdientermaßen vom Teufel geholt wurde, hat sein später deutsch-böhmischer Nachfahr, ebenso verdientermaßen, die göttliche Gnade gefun­den. Das brave, einfache Volk hat die Höllenfahrt seines Helfers und Wohltäters einfach nicht zugelassen.

Seit er den Pakt mit dem Teufel hatte, besaß der Doktor Kittel in Schumburg mehrere Zauberbücher, darunter das ebenso berühmte wie berüchtigte siebente Buch Mosis, den »Dreyfachen Höllenzwang«, der seinem Besitzer Gewalt über alle Mächte der Finsternis verlieh. Ein höchst begehrtes, zugleich aber auch ein höchst gefährliches Buch. Wehe, wenn es in falsche Hände geriet!

Nun war ja der Doktor Kittel ein rechtschaffener und vernünftiger Mann, der um die Tücken des Buches wusste und niemand damit gefährden wollte. Deshalb hielt er den Höllenzwang wie auch die anderen Zauberbücher stets unter strengem Verschluss. Sie alle standen in seiner Studierstube wohl verwahrt hinter der Tür eines Schrankes von Eichenholz, den er mit drei schweren, eisernen Schlössern abzuschließen pflegte, sobald er den Raum oder gar das Haus verließ.

Eines Winterabends hatte sich der Doktor Kittel wieder einmal in den Dreyfachen Höllenzwang vertieft, da er für einen seiner Patienten ein Mittel gegen die schwarzen Blattern benötigte. Wie er nun so am Tisch sitzt und beim Schein der Kerze im Höllenzwang nachschlägt, wird draußen plötzlich nach ihm gerufen: »Herr Doktor! Herr Doktor Kittel! Aufmachen, aufmachen!«

Wie Kittel öffnet, steht draußen der Botenjunge aus Morchenstern, ganz aufgeregt ist er und außer Atem. Der Zenkner-Seff, was der Zenkner-Frieda ihr Mann ist: Der Zenkner-Seff sei beim Holzrücken unter den Schlitten gekommen. Mit beiden Beinen. Nun könne ihm bloß noch der Doktor Kittel helfen .

»Schon gut«, sagt der Doktor Kittel zum Botenjungen aus Morchenstern. »Mach dir ock um den Seff keine Sorgen, Junge. Ich tu für ihn, was ich kann.«

Er eilt ins Freie, er setzt sich auf seinen Mantel, pfeilgeschwind reitet er durch die Lüfte nach Morchenstern. Man hatte den Zenkner-Seff unter dem Schlitten hervorgezogen und auf ein Brett gelegt. Beide Oberschenkel des Holzmachers waren gebrochen. Der Doktor besah sich den Schaden. Er flößte dem Verunglückten einen Trank gegen die ärgsten Schmerzen ein und schiente ihm die gebrochenen Glieder. »Wird schon gut werden, Seff, wird schon gut werden. Musst dich halt ein paar Wochen ruhig halten. Morgen komm ich dann wieder und schau nach dir .«