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»Da sage mal einer was gegen Handtaschen.«

Krokowski rümpfte die Nase. Im Gegensatz zu Naujocks, in puncto Humor Sydow fast ebenbürtig, handelte es sich bei ihm um eine eher zartbesaitete Natur. »Wie dem auch sei, außer einem westdeutschen Pass, einem Flugticket von Frankfurt nach Berlin und wieder zurück, ihrem Zimmerschlüssel aus dem ›Excelsior‹ und allerlei Krimskrams besitzen wir keinerlei Anhaltspunkte.«

»Ich weiß gar nicht, was du hast!«, hielt Naujocks betont optimistisch dagegen. »Das ist doch immerhin etwas. Apropos – wann genau wollte sie wieder zurückfliegen?«

»Planmäßige Rückreise ab Tegel mit den Trans World Airlines um 18.20 Uhr. Zielflughafen Frankfurt, von dort aus Weiterflug nach New York.« Krokowski schüttelte nachdenklich den Kopf. »Merkwürdig.«

»Was denn?«

»Kommt gestern Mittag hier an und will knapp 30 Stunden später die Zelte wieder abbrechen. Mir scheint, die Dame hatte es eilig. Sehr eilig sogar.«

Naujocks zuckte die Achseln. »Manche Leute sind eben so. Einen kurzen Abstecher Richtung Heimat, um alte Erinnerungen aufzufrischen, und schon zieht die Karawane weiter.«

»Warum aber gleich nach New York?«

»Mit anderen Worten, Kriminalkommissar Eduard Krokowski steht im Begriff, eine Hypothese zu entwickeln.«

»Nenn es, wie du willst, Waldemar, aber könnte es nicht sein, dass die Dame allen Grund hatte, möglichst rasch zu verschwinden?« Krokowski steckte den Notizblock wieder ein, starrte ins Leere und ließ den Zeigefinger der linken Hand über das Kinn gleiten. »Vergessen wir nicht, wer dieser Morell ist. Nämlich ein Journalist.«

»Und sie eine Informantin, meinst du?«

»Spricht etwas dagegen?«

»Wenn du mich so fragst – nein. Davon abgesehen, dass uns die Beweise fehlen.«

»Und was ist mit dem Ort, an dem das Treffen stattgefunden hat?«, ereiferte sich Krokowski, offenbar ganz in seinem Element. »Abgelegener als das Mausoleum geht es ja wirklich nicht. Du verstehst, was ich damit sagen will, Waldemar?«

Naujocks nickte. »Wieso sich die Mühe machen, durch den halben Schlosspark zu stiefeln, wenn man sich ebenso gut im Hinterzimmer eines Cafés treffen könnte.«

»Genau. Was bedeutet, dass die Informationen, die es an den Mann zu bringen galt, überaus brisanter Natur waren.«

»So brisant, dass der oder die Täter bereit waren, über Leichen zu gehen.«

»Ich sehe, wir sind uns einig.« In Gedanken beim Tathergang, verfiel Krokowski ins Brüten. »Fragt sich, was so wichtig ist, dass man beschließt, eine derart ruchlose Tat zu begehen.«

»Darüber, mein lieber Kroko, können wir derzeit nur spekulieren.« Naujocks atmete tief durch. »Ich denke, es ist das Beste, auf dem Boden der Tatsachen … Mensch, Paule, was schleppst du denn mit dir rum?«

Paul Gersdorf, Naujocks’ rechte Hand, strahlte über das ganze Gesicht und hielt seinem Vorgesetzten ein Plastiksäckchen vor die Nase, bei dessen Anblick sich seine Miene schlagartig erhellte. »Ein Walkie-Talkie!«, verkündete er mit stolzgeschwellter Brust und reichte seinen Fund an Naujocks weiter. »Nicht übel, oder?«

»Darf man fragen, wo Sie das Sprechfunkgerät gefunden haben, Gersdorf?«

Der Kriminalassistent, ein Sunnyboy Anfang 20, der fortwährend zu lächeln schien, gab bereitwillig Auskunft und ließ seiner Antwort eine wahre Flut an technischen Details folgen. Dies nahm mehr Zeit in Anspruch, als Krokowski lieb war, weshalb er nur mit einem Ohr hinhörte und sich den Ablauf der Tat erneut vorzustellen versuchte.

Am Ende war es Naujocks, der ihn wieder in die Gegenwart zurückholte. »Sag mal, hörst du uns eigentlich zu, Kroko?«, hörte er den Leiter der Spurensicherung sagen, worauf ihm nichts übrig blieb, als sich wortreich zu entschuldigen. »Sieht so aus, als seien wir einen Schritt weiter, oder?«

»Kompliment, Waldemar – und ein Hoch auf deinen Kollegen.«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Jetzt müssen wir nur noch diesen Morell aufspüren, und dann … warum so nachdenklich, Kroko?«

Morell, Theodor Morell. Woher kannte er bloß diesen Namen?

»Ist dir klar, dass wir es mit einem organisierten Komplott zu tun haben?«

»Wofür hältst du mich eigentlich, Kroko?«, entrüstete sich Naujocks und schüttelte den Kopf. »Darauf wäre ich auch von alleine gekommen.«

»Tut mir leid, Waldemar, ich wollte dich nicht …«

»Klarer Fall von generalstabsmäßiger Planung, keine Frage. Das Mordopfer wird auf dem Weg hierher beschattet, unter Umständen bereits im Hotel. Dann, als feststeht, dass Luise Nettelbeck ihr Rendezvous einhalten wird, ergeht der Befehl, sie umzu… sie aus dem Weg zu räumen, wollte ich sagen. Ein Schicksal, dem sich ihr Kavalier namens Morell …«

Na endlich. Wurde auch langsam Zeit. Krokowski atmete auf.

Und starrte geistesabwesend in die Ferne.

»… durch Flucht entzog. Darf man erfahren, worüber sich der Herr Kommissar den Kopf zerbricht?«

»Darfst du, Waldemar, darfst du!«, versicherte Krokowski und sah Naujocks mit nachdenklicher Miene an. »Eins kann ich dir sagen – wenn Tom davon erfährt, wird es ihn glatt vom …«

»Stuhl katapultieren!«, vollendete Naujocks todernst. Und bohrte: »Warum so nachdenklich, Herr Kommissar?«

6

Berlin-Tiergarten (Hansa-Viertel), Holsteiner Ufer │ 14:20 h

»So geht man mit seiner Mutter nicht um, Tom. Und das weißt du auch.«

Um Lea den Wind aus den Segeln zu nehmen, verzichtete Sydow darauf, ihr die in seinen Augen passende Antwort zu geben, drosselte das Tempo und parkte seinen Aston Martin vor dem Haus, in dem sich die Kanzlei von Tante Lus Anwalt befand. Dies war nicht die Zeit für Diskussionen, schon gar nicht, wenn sie sich um das gestörte Verhältnis zu seiner Mutter drehten. Der Abschied von Tante Lu war ihm unter die Haut gegangen, mehr als er zuzugeben bereit war. Auf Ärger konnte er deshalb verzichten, und sei es nur, um seine Nerven zu schonen.

»So, wir sind da!«, war folglich alles, was Sydow zu sagen hatte, und er sagte es so, als ob dies ein Termin wie jeder andere war. Das war er freilich nicht, weit mehr als bloße Routine oder ein Treffen, welches man rasch wieder vergaß. Die Testamentseröffnung, zu der er geladen war, lag ihm seit geraumer Zeit im Magen, und je mehr sich die Stunde X genähert hatte, desto größer wurden sein Missmut und Unbehagen.

»Das sehe ich.«

Sydow stellte den Motor ab und seufzte. So leicht wie erwartet ließ sich Lea offenbar nicht besänftigen. Nach acht Jahren Ehe hätte er dies eigentlich wissen müssen.

»Also ehrlich, Tom Sydow, du solltest dich was schämen!«

Der Getadelte zog es vor, auch diese Bemerkung zu ignorieren. Die Tatsache, dass Lea ihn mit Vor- und Nachnamen anredete, war ein Alarmzeichen, Vorsicht demnach oberstes Gebot. »Wie heißt dieser Winkeladvokat doch gleich?«

»Lenk nicht ab, Tom«, erwiderte Lea und dachte offenbar nicht daran, aus dem Aston Martin zu steigen. »Ob du es nun hören willst oder nicht – so geht man mit seiner Mutter nicht um.«

»Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es wieder raus.« Eine Beerdigung und im Anschluss daran ein Disput, bei dem er nicht gerade gute Karten hatte. Und dann noch die anstehende Testamentseröffnung.

Das konnte ja heiter werden.

»Guck nicht so, Tom, du weißt genau, dass ich recht habe. Man schiebt seine Mutter nicht einfach ab.«

»Was heißt hier ›abschieben‹«, rang sich Sydow dazu durch, Widerstand zu leisten. »Ich finde, sie braucht erst mal Ruhe. Aufstehen in aller Herrgottsfrühe, der anstrengende Flug, der Rummel bei der Beerdigung – eine Frau in ihrem Alter verkraftet das nicht so leicht. Deswegen, mein Schatz, habe ich sie einstweilen ins Hotel chauffieren lassen. Kein Grund zur Aufregung, heute Abend sind wir wieder vereint.«