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Die Diele war warm und ruhig. Jill stand mit unkontrollierbar klappernden Zähnen da. Sie drehte sich um und blickte in ihr Zimmer. Es sah normal und friedlich aus. Ein Alptraum hatte sie in seinen Krallen gehalten. Jill zögerte einen Augenblick, ehe sie langsam durch die Tür zurückging. Ihr Zimmer war warm. Sie hatte nichts zu befürchten. Natürlich konnte Toby ihr nichts antun.

In ihrem Aufenthalts räum wachte Schwester Gallagher auf und ging, um nach ihrem Patienten zu sehen.

Toby Temple lag im Bett, genau, wie sie ihn verlassen hatte. Seine Augen starrten zur Decke empor, auf etwas gerichtet, das Schwester Gal-lagher nicht sehen konnte.

Danach kehrte der Alptraum regelmäßig wieder, wie das finstere Omen eines Verhängnisses, die Vorausahnung eines kommenden Schreckens. Langsam entstand in Jill ein namenloses Entsetzen. Wo sie sich auch im Haus aufhielt, überall spürte sie Tobys Gegenwart. Wenn die Schwester ihn ausfuhr, konnte Jill ihn hören. Tobys Rollstuhl gab ein hohes Quietschen von sich, und es zerrte an Jills Nerven, wenn sie es hörte. Ich muss ihn in Ordnung bringen lassen, dachte sie. Sie vermied es, auch nur in die Nähe von Tobys Zimmer zu gehen, aber es spielte keine Rolle. Er war überall anwesend und lauerte auf sie.

Sie hatte jetzt ständig Kopfschmerzen, ein wildes, rhythmisches Klopfen, das ihr keine Ruhe ließ. Sie wünschte, dass der Schmerz nur eine Stunde lang nachließe, eine Minute, eine Sekunde. Sie musste schlafen. Sie ging ins Dienstmädchenzimmer hinter der Küche, so weit von Tobys Wohntrakt entfernt wie möglich. Das Zimmer war warm und still. Jill legte sich aufs Bett und schloss die Augen. Sie schlief sofort ein.

Sie wurde durch die stinkende, eisige Luft geweckt, die das Zimmer füllte, nach ihr griff und versuchte, sie einzuhüllen. Jill sprang auf und rannte zur Tür hinaus.

Die Tage waren schon schrecklich genug, aber die Nächte waren noch schlimmer. Sie liefen immer nach demselben Schema ab. Jill ging in ihr Zimmer und legte sich ins Bett, kämpfte darum, wach zu bleiben, fürchtete einzuschlafen, weil sie wusste, dass Toby kommen würde.

Aber ihr erschöpfter Körper gewann die Oberhand, und schließlich schlief sie ein.

Sie wurde durch die Kälte geweckt. Sie lag zitternd im Bett, fühlte die eisige Luft an sich heraufkriechen, und eine Woge des Bösen überschwemmte sie wie ein schrecklicher Fluch. Sie sprang auf und floh in stummem Entsetzen.

Es war drei Uhr morgens.

Jill war in ihrem Sessel über einem Buch eingeschlafen. Allmählich wachte sie auf und öffnete die Augen in dem stockdunklen Schlafzimmer. Sie spürte, dass etwas nicht stimmte. Dann wusste sie, was es war: Als sie eingeschlafen war, hatten alle Lichter gebrannt. Sie fühlte ihr Herz rasend klopfen, und sie dachte: Kein Grund zur Aufregung, Schwester Gallagher muss hereingekommen sein und die Lichter gelöscht haben.

Dann hörte sie das Geräusch. Es kam durch die Halle… ein Quietschen… Quietschen… Toby s Rollstuhl. Er bewegte sich auf ihre Schlafzimmertür zu. Jill sträubten sich die Nackenhaare. Es ist nur ein Ast, der im Wind gegen das Haus klopft, oder ein Knarren im Dachgebälk, sagte sie sich. Doch sie wusste, dass es das nicht war. Sie hatte dieses Geräusch schon zu oft gehört. Quietschen… Quietschen… wie die Musik des Todes. Es kann nicht Toby sein, dachte sie. Er liegt hilflos in seinem Bett. Ich verliere noch den Verstand. Sie hörte, wie das Geräusch näher kam. Jetzt war es an ihrer Tür. Nun war es nicht mehr zu vernehmen. Dann folgte plötzlich ein Splittern und dann Stille.

Jill verbrachte den Rest der Nacht in der Dunkelheit in ihren Sessel gekauert, zu verstört, um sich zu bewegen.

Am Morgen fand sie vor ihrer Schlafzimmertür eine zerbrochene Vase auf dem Boden, die von einem Ständer in der Diele heruntergestoßen worden war.

Jill sprach mit Dr. Kaplan. »Glauben Sie, dass der Geist den Körper beherrschen kann?« fragte sie.

Er sah sie fragend an. »Wie meinen Sie das?«

»Wenn Toby – unbedingt aus seinem Bett heraus wollte, würde er das fertigbringen?«

»Sie meinen ohne Hilfe? In seiner augenblicklichen Verfassung?« Er warf ihr einen ungläubigen Blick zu. »Er ist absolut unfähig, sich zu bewegen, vollkommen unfähig.«

Jill gab sich nicht zufrieden. »Wenn – wenn er wirklich entschlossen wäre aufzustehen – wenn es irgend etwas gäbe, was ihn dazu zwingen könnte…«

Dr. Kaplan schüttelte den Kopf. »Unser Verstand gibt dem Körper Befehle, aber wenn der physische Bewegungsapparat blockiert ist, wenn die Befehle des Gehirns nicht an die Muskeln übermittelt werden können, dann bleiben die Signale ohne Folgen.«

Sie musste es genau wissen. »Glauben Sie, dass Gegenstände durch den Geist bewegt werden können?«

»Meinen Sie Telekinese? Es werden eine Menge Experimente damit gemacht, aber niemand konnte bisher Beweise vorlegen, die mich überzeugt hätten.«

Da war aber die zerbrochene Vase vor ihrer Schlafzimmertür.

Jill wollte ihm davon erzählen, von der kalten Luft, die ihr immer nachwehte, von Tobys Rollstuhl vor ihrer Tür, aber Dr. Kaplan würde nur denken, dass sie verrückt sei. War sie es? War etwas mit ihr nicht in Ordnung? Verlor sie den Verstand?

Als Dr. Kaplan gegangen war, trat Jill vor den Spiegel, um sich anzusehen. Sie war über ihren Anblick entsetzt. Ihre Wangen waren eingefallen, und ihre Augen standen riesig in einem blassen, knochigen Gesicht. Wenn ich so weitermache, dachte Jill, werde ich vor Toby sterben. Sie sah ihr strähniges, glanzloses Haar und ihre spröden, rissigen Fingernägel an. David darf mich nie so sehen. Ich muss auf mich achten. Von jetzt an, sagte sie sich, gehst du einmal in der Woche in den Schönheitssalon, und du wirst drei Mahlzeiten täglich essen und acht Stunden schlafen.

Am nächsten Morgen vereinbarte Jill einen Termin mit dem Schönheitssalon. Sie war erschöpft, und als sie unter der warmen, bequemen Trockenhaube saß, wurde sie von dem monotonen Summen eingeschläfert, und der Alptraum begann wieder. Sie lag im Bett und schlief. Sie konnte Toby hören, wie er in seinem Rollstuhl in ihr Schlafzimmer kam… Quietschen… Quietschen. Langsam richtete er sich in seinem Stuhl auf, stellte sich auf die Beine und bewegte sich auf sie zu, grinsend, die skelettartigen Hände nach ihrer Kehle ausgestreckt. Jill wachte wild schreiend auf und versetzte den Schönheitssalon in Aufruhr. Sie flüchtete, ohne sich das Haar auskämmen zu lassen.

Nach diesem Erlebnis hatte Jill Angst, das Haus wieder zu verlassen. Und Angst, darin zu bleiben.

Mit ihrem Kopf schien etwas nicht zu stimmen. Jetzt waren es nicht mehr nur die Kopfschmerzen. Sie wurde vergesslich. Sie ging aus irgendeinem Grund nach unten in die Küche, stand da und wusste nicht mehr, was sie hier gewollt hatte. Ihr Gedächtnis begann ihr Streiche zu spielen. Einmal kam Schwester Gordon, um etwas mit ihr zu besprechen; Jill war erstaunt, eine Schwester hier zu sehen, und dann fiel ihr plötzlich ein, warum sie da war. Der Regisseur wartete auf den Einsatz von Jill. Sie versuchte, sich an ihren Text zu erinnern. Ich fürchte, nicht sehr gut, Doktor. Sie musste mit dem Regisseur sprechen und herausbekommen, wie sie es seiner Meinung nach sagen sollte. Schwester Gordon hielt ihre Hand und sagte: »Mrs. Temple! Mrs. Temple! Fühlen Sie sich nicht wohl?« Und Jill kehrte wieder in ihre Umgebung, in die Gegenwart zurück, von Schreck gepackt über das, was mit ihr vorging. Sie wusste, dass sie so nicht weitermachen konnte. Sie musste unbedingt herausbekommen, ob ihr Verstand gelitten hatte oder ob Toby doch in der Lage war, sich irgendwie zu bewegen, ob er einen Weg gefunden hatte, sie anzugreifen, und sie umzubringen versuchte.

Sie musste ihn sehen. Sie zwang sich, durch den langen Gang zu To-bys Schlafzimmer zu gehen. Einen Augenblick stand sie davor, straffte sich, und dann betrat Jill Tobys Zimmer.