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»Mrs. Temple ist in Ihrer Kabine, Mr. Kenyon.«

»Ich danke Ihnen.«

David konnte sie sich in der Hochzeits-Suite vorstellen, wo sie auf ihn wartete, und sein Herzschlag beschleunigte sich. Als David weitergehen wollte, rief eine Stimme: »Mr. Kenyon…«

David drehte sich um. Der Mann, cfer an der Reling gestanden hatte, kam auf ihn zu, ein Lächeln auf dem Gesicht. David hatte ihn noch nie gesehen. David hatte das instinktive Misstrauen des Millionärs gegenüber freundlichen Fremden. Beinahe ausnahmslos wollten sie etwas.

Der Mann streckte die Hand aus, und David ergriff sie vorsichtig. »Kennen wir uns?« fragte David.

»Ich bin ein alter Freund von Jill«, sagte der Mann, und David wurde freundlicher. »Mein Name ist Lawrence. Clifton Lawrence.«

»Sehr erfreut, Mr. Lawrence.« Er war voll Ungeduld.

»Jill bat mich, heraufzugehen und Sie zu empfangen«, sagte Clifton. »Sie hat eine kleine Überraschung für Sie.«

David sah ihn an. »Was für eine Überraschung?«

»Kommen Sie mit, ich werde sie Ihnen zeigen.«

David zögerte einen Augenblick. »Na schön. Wird es lange dauern?«

Clifton Lawrence blickte zu ihm auf und lächelte: »Ich glaube nicht.«

Sie nahmen einen Aufzug zum C-Deck, drängten sich durch die Passagiere und Besucher hindurch zu einer breiten Doppeltür. Clifton öffnete sie und führte David hinein. David fand sich in einem großen, leeren Kinosaal. Er blickte sich verwirrt um. »Hier drin?«

»Hier drin«, bestätigte Clifton lächelnd.

Er drehte sich um, sah zum Vorführer in der Kabine hinauf und nickte. Der Vorführer war geldgierig. Clifton hatte ihm zweihundert Dollar geben müssen, bevor er einwilligte mitzumachen. »Wenn das herauskommt, verliere ich meinen Job bei der Reederei«, hatte er gemurrt.

»Niemand wird es je erfahren«, hatte Clifton ihm versichert. »Es handelt sich um einen Scherz. Sie müssen nur die Türen abschließen, wenn ich mit meinem Freund hereinkomme, und den Film ablaufen lassen. Wir werden in zehn Minuten wieder draußen sein.«

Schließlich hatte der Vorführer zugestimmt.

Jetzt blickte David Clifton verwirrt an. »Ein Film?« fragte David.

»Bitte setzen Sie sich, Mr. Kenyon.«

David nahm einen Platz am Mittelgang ein und streckte seine langen Beine aus. Clifton setzte sich auf die andere Seite. Er beobachtete Davids Gesicht, als die Lichter ausgingen und die hellen Bilder auf der großen Leinwand zu flimmern begannen.

Er hatte das Gefühl, als ob ihm jemand mit einem großen Hammer in die Magengrube schlug. David starrte zu den obszönen Bildern auf der Leinwand empor, und sein Gehirn weigerte sich aufzunehmen, was seine Augen sahen. Jill, eine junge Jill, wie sie ausgesehen hatte, als er sich in sie verliebt hatte, lag nackt auf einem Bett. Er konnte jeden Gesichtszug klar erkennen. Er beobachtete, stumm vor Unglauben, wie auf der Leinwand ein Mann mit gespreizten Beinen sich auf das Mädchen setzte und ihr seinen Penis in den Mund steckte. Sie begann liebevoll, zärtlich daran zu lutschen, dann kam ein anderes Mädchen dazu, spreizte Jills Beine und steckte ihre Zunge tief in sie hinein. David glaubte, sich übergeben zu müssen. Einen wütenden, hoffnungsvollen Augenblick glaubte er, dass dies Trickaufnahmen seien, eine Fälschung, aber die Kamera erfasste jede Bewegung, die Jill machte. Dann tauchte der Mexikaner auf und bestieg Jill, und ein roter Vorhang ging vor Davids Augen nieder. Er war wieder fünfzehn Jahre alt, und es war seine Schwester Beth, die er da oben beobachtete, seine Schwester auf dem nackten mexikanischen Gärtner in ihrem Bett, keuchend: O Gott, ich liebe dich, Juan. Fick mich weiter. Hör nicht auf! Und David stand in der Tür, ungläubig, und sah seine geliebte Schwester. Er war von einer blinden, unbeherrschbaren Wut ergriffen worden und hatte einen Brieföffner vom Schreibtisch gepackt, war zum Bett gerannt, hatte seine Schwester beiseite gerissen und den Brieföffner in die Brust des Gärtners gestoßen, wieder und immer wieder, bis die Wände über und über mit Blut bespritzt waren und Beth schrie: O Gott, nein! Hör auf, David! Ich liebe ihn. Wir werden heiraten! Überall war Blut. Davids Mutter war ins Zimmer gestürzt und hatte David weggeschickt. Später erfuhr er, dass seine Mutter den Bezirksstaatsanwalt, einen guten Freund der Familie Kenyon, angerufen hatte. Sie hatten eine lange Unterredung in der Bibliothek gehabt, und die Leiche des Mexikaners war ins Gefängnis gebracht worden. Am folgenden Morgen wurde gemeldet, dass er in seiner Zelle Selbstmord begangen habe. Drei Wochen später war Beth in eine Irrenanstalt gebracht worden.

Das alles flutete jetzt in David zurück, die unerträgliche Schuld, die er auf sich geladen hatte, und er wurde rasend. Er zog den ihm gegenüber sitzenden Mann hoch und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, schlug auf ihn ein, schrie sinnlose, dumme Worte, griff ihn an wegen Beth und Jill und wegen seiner eigenen Schande. Clifton Lawrence versuchte, sich zu verteidigen, aber er konnte die Schläge nicht abwehren. Eine Faust schmetterte auf seine Nase, und er spürte, wie etwas brach. Eine Faust prallte gegen seinen Mund, und er spürte, wie das Blut floss. Er stand hilflos da, erwartete den nächsten Schlag. Aber plötzlich hörten die Schläge auf. Es war nichts mehr zu vernehmen außer seinem gequälten, röchelnden Atem und den lüsternen Lauten, die von der Leinwand kamen.

Clifton zog ein Taschentuch heraus, um das Blut zu stillen. Er stolperte aus dem Kinosaal, bedeckte Nase und Mund mit seinem Taschentuch und machte sich auf den Weg zu Jills Kabine. Als er am Speisesaal vorbeikam, öffneten sich kurz die Schwingtüren zur Küche, und er ging hinein, an den geschäftigen Köchen und Stewards und Kellnern vorbei. Er fand eine Eismaschine, schaufelte Eisstücke in ein Tuch und hielt es sich vor Nase und Mund. Als er weitergehen wollte, sah er vor sich einen riesigen Hochzeitskuchen, gekrönt von kleinen Zuckerfiguren einer Braut und eines Bräutigams. Clifton griff zu und drehte der Braut den Kopf ab und zerquetschte ihn zwischen den Fingern.

Dann ging er zu Jill.

Das Schiff war in Fahrt. Jill konnte die Bewegung des 55 000-Ton-nen-Liners spüren, als er vom Pier ablegte. Sie fragte sich, was David aufgehalten haben konnte.

Als sie beinahe ausgepackt hatte, wurde an die Kabinentür geklopft. Sie rief: »David!« und öffnete die Tür.

Clifton Lawrence stand vor ihr. Sein Gesicht war zerschlagen und blutig. Jill ließ die Arme sinken und starrte ihn an. »Was tun Sie denn hier? Was – was ist Ihnen passiert?«

»Ich wollte Ihnen nur guten Tag sagen, Jill.«

Sie konnte ihn kaum verstehen.

»Und Ihnen etwas von David ausrichten.«

Jill sah in verständnislos an. »Von David?«

Clifton trat ein.

Er machte Jill nervös. »Wo ist David?«

Clifton wandte sich an sie und sagte: »Erinnern Sie sich, wie die Filme in den alten Tagen waren? Da waren die guten Jungs mit den weißen Hüten und die bösen Jungs mit den schwarzen Hüten, und am Ende wusste man immer, dass die bösen Jungs ihre gerechte Strafe bekommen würden. Ich bin mit diesen Filmen aufgewachsen, Jill. Ich bin in dem Glauben aufgewachsen, dass das Leben wirklich so ist, dass die Jungs mit den weißen Hüten immer gewinnen.«

»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«

»Es ist beruhigend zu wissen, dass es im Leben manchmal wie in diesen alten Filmen zugeht.« Er lächelte sie mit böse zugerichteten, blutenden Lippen an und sagte: »David ist fort. Für immer.«

Sie starrte ihn ungläubig an.

In diesem Augenblick spürten sie beide, wie die Bewegung des Schiffes zum Halten kam. Clifton ging auf das Sonnendeck hinaus und blickte über die Schiffsreling. »Kommen Sie her.«

Jill zögerte einen Augenblick und folgte ihm dann, von einer namenlosen, wachsenden Angst ergriffen. Sie blickte über die Reling hinunter. Tief unten konnte sie David auf das Lotsenboot umsteigen sehen, das gleich darauf von der Bretagne ablegte. Sie umklammerte die Reling. »Warum?« fragte sie ungläubig. »Was ist passiert?«