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Werner drückt mich kurz, dann lässt er mich wieder los.

»Mensch, Kira, was machst du für Sachen? Sind das deine Freunde?« Er deutet auf Tom und Pauli.

»Ja, meine besten Freunde – Tom und Pauli! Sie haben mir geholfen, Vadim eine Falle zu stellen. Hat nur leider nicht ganz geklappt.«

Tom und Pauli winken Werner zu. Der nickt knapp.

»Was für eine Falle? Und warum? Und wie habt ihr Winston dazu bekommen, mir diese Botschaft zu bringen? Na egal, das könnt ihr mir hinterher erklären. Jetzt müssen wir erst mal mit dem da draußen fertig werden.« Er deutet zur Wohnungstür, gegen die Vadim immer noch bollert und hämmert. »Ich konnte ihn zwar mit dem alten Geldtrick reinlegen, aber irgendwann müssen wir ja mal aus der Wohnung raus. Und er macht auf mich nicht den Eindruck, als würde er uns zum Abschied nur die Hand schütteln wollen. Am besten rufe ich die Polizei an.« Werner zückt sein Handy und tippt eine Nummer ein.

»Hallo? Hagedorn am Apparat. Ich habe hier einen Notfall …«

Im Nachhinein ging dann alles ganz schnell. Keine zehn Minuten nach Werners Anruf stürmten vier Polizisten den Hausflur und überwältigten den völlig verdutzten Vadim. Eine fünfte Polizistin kam danach zu uns in die Wohnung und ließ sich die ganze Geschichte von uns erzählen und auch das Zigarettenversteck zeigen. Danach fuhren wir gemeinsam auf die Polizeiwache. Tja, und hier sitzen wir nun und geben alles noch einmal der Reihe nach zu Protokoll.

Werner, der uns begleitet, schüttelt zwischendurch immer wieder den Kopf und murmelt etwas, das wie Ihr wart so leichtsinnig! klingt, sagt aber sonst nichts dazu.

»Kinder, Kinder, da habt ihr ja ganz schön was angezettelt!«, stellt die Polizistin am Ende unserer Aussage fest, lächelt aber milde. »Wenn ihr das nächste Mal denkt, dass ihr einem Verbrecher auf der Spur seid, dann ruft bitte gleich die Polizei an. Was da alles hätte passieren können!«

»Das stimmt schon«, räume ich ein, »aber wir mussten doch beweisen, dass Vadim gelogen hat, damit Sie meiner Mutter endlich glauben.«

Jetzt lächelt die Polizistin.

»Ich muss zugeben, dass euch das gelungen ist. Diesen Vadim haben wir nun endlich hinter Schloss und Riegel gebracht!«, sagt die Polizistin bestimmt. »Ihr könnt also ganz beruhigt nach Hause fahren und euch ausruhen.« Sie schaut den Professor an. »Die Kinder sehen sehr, sehr müde aus.«

Stimmt. Ich bin unglaublich müde. Und besorgt. Denn von Kira habe ich nichts mehr gehört, seitdem ich sie aus dem Fenster gesetzt habe. Klar, sie ist heil bei Werner angekommen. Aber warum meldet sie sich bloß nicht bei mir?

Ursachenforschung.

Oder: Warum es immer gut ist, einen Professor für Physik im Haus zu haben.

»Da bist du ja! Ich habe dich schon überall gesucht – warum antwortest du denn nicht, wenn ich an dich denke? Ich habe mir richtig Sorgen um dich gemacht!«

Ich habe Kira in Annas Zimmer aufgestöbert. Sie liegt zusammengerollt auf dem Bett und rührt sich nicht. Als ich mich neben sie auf die Bettkante setze und sie streichle, hebt sie den Kopf und schaut mich an.

»Ich will keine Katze mehr sein. Ich will wieder ich sein. Und ich will mich wieder von Mama trösten lassen. Als sie dich eben so lieb begrüßt und im Arm gehalten hat, bin ich richtig eifersüchtig geworden.«

»Und deswegen liegst du hier im Bett?«

»Ich liege auf Mamas Kissen. Das riecht so gut nach ihr.« Kira seufzt. »Ach, Winston! Ich glaube, ich habe gerade ganz schlimmes Heimweh nach meinem alten Ich.«

Heimweh. Was soll das nun wieder sein?

»Wie fühlt sich denn Heimweh an?«, will ich von ihr wissen.

»Das ist schwer zu beschreiben. Ein bisschen, als ob man Hunger hätte und ganz müde wäre. Auf alle Fälle ist man traurig. Und es schnürt einem die Brust zu. Ich kann gerade gar nicht tief durchatmen.«

Ich muss zugeben, dass mir die Vorstellung, bis ans Ende meiner Tage im falschen Körper zu stecken, genauso wenig gefällt wie Kira. Insofern kann ich sie gut verstehen. Ich möchte auch lieber wieder auf meinem Sofa liegen und von Werner gekrault werden. Und ich möchte Odette im Hof besuchen. Als Kater, nicht als Mensch.

Bei dem Gedanken an Odette packt mich ein Gefühl, das tatsächlich eine Mischung aus Hunger und Müdigkeit sein könnte. Den Druck auf der Brust nicht zu vergessen, gepaart mit leichtem Herzrasen. Ob ich also auch Heimweh habe?

»Tja, aber was können wir bloß tun, um wieder zu tauschen?«, überlege ich. »Ich fürchte, solange wir nicht wissen, warum das überhaupt passiert ist, haben wir ganz schlechte Karten.«

»So weit waren wir mit unseren Überlegungen doch schon mal«, stellt Kira fest. »Dann müssen wir uns nun endlich auf die Suche nach den Ursachen machen. So jedenfalls will ich nicht bleiben!«

Ich seufze. Es stimmt natürlich. Wir müssen Ursachenforschung betreiben.

»Aber wo fangen wir damit bloß an?«

»Ganz einfach: Wir gehen noch einmal zu der Stelle, wo der ganze Schlamassel begonnen hat. Vielleicht fällt uns da etwas Besonderes auf.«

»Na gut«, sage ich und muss gleichzeitig gähnen. »Aber vor morgen früh bringen mich keine zehn Pferde mehr aus dem Haus!«

»Okay, dann gleich morgen früh! Das passt gut: Samstags ist keine Schule und du kannst behaupten, dass du Brötchen holen gehst.«

»Von mir aus«, murmle ich ergeben. Heilige Ölsardine, Kira ist ganz schön hartnäckig!

Am nächsten Morgen stehen wir tatsächlich wieder vor der Baustelle, wo uns damals das Gewitter überrascht hat. Das Häuschen, in dem wir Unterschlupf gefunden haben, ist noch genau so, wie ich es in Erinnerung hatte. Vielleicht wuchert auf dem Boden ein wenig mehr Unkraut, sonst hat sich nichts verändert. Sogar die Spule liegt noch in der Mitte des Unterstands. So weit, so unspektakulär.

»Also, fassen wir mal zusammen: Wir saßen auf dieser Kabeltrommel und haben uns beide gewünscht, jemand anderes zu sein. Dann schlug der Blitz ein und wir waren erstaunlicherweise nicht tot, sondern hatten den Körper getauscht.« Kira legt den Kopf schief, was ihr für eine Katze ein sehr nachdenkliches Aussehen verleiht.

Ich nicke.

»Genau so war es. Jedenfalls, wenn du mit Kabeltrommel die große Spule meinst.«

»Wir müssen uns alles gründlich anschauen. Irgendwo hier liegt die Lösung für unser Problem, das spüre ich!« Kira nimmt einen kurzen Anlauf und springt dann mit einem beherzten Satz auf die Trommel.

»Guck mal, der Holzdeckel ist tatsächlich richtig verkokelt. Der Blitz ist also direkt in die Trommel eingeschlagen.«

»Mag sein. Aber wie bringt uns das weiter?«, frage ich ratlos. »Wo ist der Unterschied, ob ein Blitz in einen Baum oder in eine Kabeltrommel einschlägt? Ist doch beides Holz.«

»Nicht ganz«, stellt Kira fest. »Um die Trommel ist ein Kabel gewickelt, um den Baum nicht.«

Ich zucke mit den Schultern.

»Na und? Was macht das schon?«, wiederhole ich.

»Das weiß ich auch nicht. Es ist ja nur so eine Idee. Vielleicht ist es einfach der Strohhalm, an den ich mich gerade klammere.«

»An welchen Strohhalm?«

»Ach, Winston, das sagt man so, wenn man wenig Hoffnung hat!«, erklärt Kira. »Dann klammert man sich eben an einen Strohhalm. Das bedeutet, man stürzt sich selbst auf das kleinste Fünkchen Hoffnung.«

»Hm.« Ich gehe um die Kabeltrommel herum und betrachte sie. Der Deckel ist wirklich ganz schwarz und rußig. In der Mitte hat er sogar einen Spalt. Das muss die Stelle sein, die der Blitz genau getroffen hat. Wir haben riesiges Glück gehabt, dass er uns nicht direkt erwischt hat. Sonst wäre Kira jetzt nicht katzenlebendig, sondern mausetot. Und ich gleich mit.

»Es muss einfach etwas mit dem Blitz zu tun haben. Und mit dem Ort hier. Es muss eine logische Erklärung dafür geben. Solche Dinge passieren doch nicht einfach so!« Kira klingt mittlerweile ziemlich verzweifelt.