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Ob ich Anna davon überzeugen kann, mich mal aus der Wohnung zu lassen? Bestimmt. Als Kira noch Katze war, hat das schließlich auch geklappt. Wie hat sie das gemacht? Ich versuche es auf die platte Tour, laufe zu Anna, maunze laut und laufe dann weiter zur Wohnungstür. Dort bleibe ich sitzen und maunze weiter. Und tatsächlich: Anna folgt mir und öffnet die Tür.

»Na, du kleiner Streuner? Willst du wieder raus? Ich glaube, wir brauchen irgendwann mal eine Katzenklappe! Also, pass gut auf dich auf!«

Schwupp, schon stehe ich vor der Tür. Das war einfach. Nur: Wie geht es jetzt weiter? Als Kind war ich draußen schon viel unterwegs, als Kater allerdings kaum. Und allein war ich als Winston sowieso nie draußen. Aufregend! Ich beschließe, erst mal dem Hof einen Besuch abzustatten. Dort kenne ich mich schließlich am besten aus.

Als ich um die Ecke des Hofeingangs biege, sehe ich sie sofort: Odette! Mein Herz macht einen Sprung und ich überlege ernsthaft, den Rückwärtsgang einzulegen. Quatsch!, ermahne ich mich dann aber selbst, du hast doch die ganze Zeit gehofft, ihr endlich mal wieder als Kater zu begegnen! Also ran an die Frau! Ich atme tief durch und trabe weiter. Schon bin ich bei dem kleinen Unterstand, auf dem Odette sitzt. Leider ist sie nicht allein. Spike und Karamell hocken auch auf dem Dach. Und natürlich sehen sie mich sofort.

»Oh, hoher Besuch!«, macht sich Spike gleich wieder über mich lustig.

»Hallo, Jungs«, erwidere ich möglichst freundlich. Von diesem Möchtegern-Tiger lasse ich mich doch nicht provozieren! »Hallo, Odette!«

»He, Winston!« Täusche ich mich oder klingt Odette erfreut? Sie kommt an den Rand des Unterstands und guckt zu mir hinunter. »Das ist ja nett, dass du mal vorbeischaust!« Nein, ich täusche mich nicht. Odette freut sich offensichtlich, mich zu sehen. Mit einem Mal wird mir ganz warm ums Herz. Ein sehr schönes Gefühl!

»Ja, ich dachte, ich komme mal runter zu euch. Mir war oben so langweilig. Ein bisschen nette Gesellschaft kann schließlich nicht schaden.« Ich hoffe, Odette ist klar, dass mit netter Gesellschaft nur sie gemeint sein kann. Auf Spike und Karamell trifft diese Beschreibung ganz sicher nicht zu! Sie maunzt fröhlich.

»Ich wollte mich noch bedanken, dass du neulich das Mädchen mit dem Futter vorbeigeschickt hast. Das war wirklich sehr freundlich von dir! Und sehr lecker!«

»Och, das habe ich doch gern gemacht! Keine große Sache«, gebe ich mich bescheiden.

Odette springt zu mir herunter und setzt sich neben mich.

»Doch, schon eine große Sache. Ich glaube, ich war nicht immer besonders nett zu dir. Trotzdem gibst du mir etwas von deinem wertvollen Futter ab. Das war sehr großzügig! Ich habe dich mit ganz falschen Augen gesehen, das tut mir leid!« Sie reibt ihren Kopf kurz an meinem und mein Herz macht daraufhin einen riesigen Satz. Fast habe ich Angst, dass es aus meinem Hals herausspringen könnte!

»Kein Problem, Schwamm drüber!«, bringe ich gerade noch krächzend hervor.

»Weißt du, eigentlich wäre es doch schön, wenn du häufiger hier dabei wärst. Ich würde mich jedenfalls darüber freuen!« Odette strahlt mich an.

»Wir uns nicht!«, kommt es nun leider sehr energisch von oben. Spike lugt über die Ecke des Unterstands und funkelt uns böse an. Nein, falsch: Er funkelt mich böse an. »Wir würden uns überhaupt nicht freuen, wenn der aufgeblasene Wohnungstiger nun ständig hier aufkreuzt!«

Ich will gerade etwas Giftiges erwidern, da streicht Odette noch einmal an meinem Kopf entlang.

»Ach, beachte den gar nicht. So ist er immer, wenn jemand Neues zur Gruppe kommt. War bei Karamell nicht anders und heute sind sie beste Freunde. Lass uns lieber eine Runde spazieren gehen. Dann hat Spike Zeit, sich wieder abzuregen.«

Ein sehr guter Plan! Auf Dauer ist es mir im Hof sowieso zu dunkel und mit Odette an meiner Seite traue ich mir eine kleine Runde durch den Stadtteil durchaus zu.

Als wir auf dem Bürgersteig vor dem Haus angekommen sind, habe ich eine Idee.

»Odette, was hältst du davon, mit mir zu Kiras Schule zu laufen? Weißt du, das ist das Mädchen, das dir das Futter gebracht hat. Die Schule müsste jetzt irgendwann zu Ende sein, und ich glaube, sie würde sich freuen, uns zusammen zu sehen.«

»Klar, warum nicht? Kennst du den Weg?«

Ich nicke und trabe los. Hoffentlich treffen wir wirklich auf Kira. Ich möchte ihr so gern zeigen, dass ihre Taktik erfolgreich war und Odette mich nun nicht mehr doof und arrogant findet.

Zweimal rechts abbiegen, dann ein Stück geradeaus, dann wieder links – dann stehen wir vor dem Schulgebäude. Allerdings sind noch keine Kinder zu sehen. Enttäuscht maunzt Odette.

»Das ist aber schade! Wo ist denn das Mädchen? Hier ist ja niemand. Ich dachte immer, in einer Schule ist ganz viel Trubel!?«

»Ja, ist es auch. Wahrscheinlich müssen wir noch einen Moment warten. Du wirst sehen: Wenn die Schule vorbei ist, ist hier gleich die Hölle los.«

Dingdongding! In diesem Moment ertönt die Klingel. Danach dauert es tatsächlich keine zwei Minuten und wir sind von Schülern umringt.

»Ui, guck mal, wie süß! Eine weiße und eine schwarze Katze!«

»Wie niedlich!«

Die Kinder drängeln sich um uns herum. Einige wollen uns sogar streicheln. Hoffentlich hat Odette starke Nerven! Ich mustere sie von der Seite: Sie zuckt nicht mal mit der Wimper! Sehr gut! Odette ist wirklich eine coole Katze!

»Guck mal, Kira!«, ruft jemand. »Ist das nicht deine Katze hier drüben?«

»Moment! Ich komme!« Kiras Stimme, eindeutig. Mein Plan scheint aufzugehen. Kurz darauf steht sie neben uns.

»Oh, Winston! Was machst du denn hier? Und sogar mit Odette. Na, da freue ich mich aber!« Sie bückt sich und streichelt erst mich, dann Odette.

»Woher kennt die denn meinen Namen?«, wundert sich Odette.

»Öh … ähem … ich habe nicht die leiseste Ahnung«, flunkere ich. Die Wahrheit würde entschieden zu weit führen! Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, dass auch Leonie und Emilia direkt auf uns zusteuern und schließlich neben uns stehen bleiben.

»Also, eins muss man der Russin lassen«, flötet Emilia. »Mit Tieren kann sie wirklich gut umgehen.«

»Ha!«, schnaubt Leonie. »Das kann ich auch!« Nee, war ja klar. Die blöde Kuh kann anderen einfach nichts gönnen. Und zum Beweis ihres unglaublich guten Drahts zu Tieren streckt sie die Hand nach mir aus.

Ich will schon fast zurückweichen, da bemerke ich plötzlich, dass auch Frau Rosenblatt auf dem Weg zu uns ist. Wahrscheinlich will sie Kira gleich wieder eine Standpauke zum Thema »Tiere auf dem Schulgelände« halten. Das bringt mich auf eine geniale Idee! Also – ich hoffe jedenfalls, dass sie genial ist!

Noch bevor Kira, Emilia und Leonie Frau Rosenblatt gesehen haben, springe ich auf Leonies Arme und kuschele mich richtig an sie. Ich reibe meinen Kopf an ihrer Brust und schnurre, was das Zeug hält. Kira guckt entsetzt, Leonie lacht triumphierend.

»Siehst du! Deine Katze mag mich lieber als dich! Sie hat nämlich gleich erkannt, dass ich der größere Katzenfreund bin. Ich LIEBE Katzen. Nicht war, Miezi?« Sie streichelt mich und ich schnurre weiter. »Ja, Miez, Miez, du hast es gut bei mir, nicht wahr? Vielleicht solltest du lieber bei mir bleiben, da hättest du es bestimmt besser.«

In diesem Moment fällt ein dunkler Schatten auf Leonie und mich und eine allzu bekannte Stimme donnert:

»Leonie Weichert! Hattest du nicht neulich noch eine ganz schlimme Katzenallergie?« Frau Rosenblatt steht direkt neben uns und guckt Leonie sehr, sehr böse an. Die zuckt erschrocken zusammen und lässt mich unsanft auf den Boden fallen.