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»Premierwas? Kenn ich nicht. Na, ich heiße jedenfalls Karamell. Ganz einfach, kann man sich gut merken. Wie die Farbe meines Fells.«

»Angenehm.«

»Hä?«

»Angenehm. Das sagt man in meinen Kreisen so, wenn sich jemand vorstellt.«

»Du hast ja echt ’ne Schraube locker. In deinen Kreisen. Aber egal. Was mich viel mehr interessiert: Wieso tut die Kleine so, als wärst du ein Hund? Mit Leine spazieren gehen, das ist doch das Allerletzte. Oder wie seht ihr das?« Er dreht sich um und ich tue es ihm gleich. Tatsächlich ist der Getigerte näher gekommen und weiter hinten entdecke ich auch die Weiße. Sie ist offensichtlich eine Katze.

»He, Spike, hast du schon mal ’ne Katze an der Leine gesehen?« Der Getigerte, der offenbar Spike heißt, schüttelt den Kopf.

»Nee. Hab ich doch eben schon gesagt. Ich lach mich tot! Odette, was sagst du?«

Die weiße Katze schleicht näher an mich heran. Ich muss sagen, dass sie für eine Hofkatze einen unglaublich eleganten Gang hat. Fast wie eine Dame. Ach was. Sie ist eine Dame. Das verrät auch die aristokratische Art, in der sie den Kopf hält. Und, fleckiges Fell hin oder her: Odette ist ziemlich hübsch. Mir wird die ganze Sache hier langsam richtig peinlich. Vor mir sitzt eine schöne Frau und ich trage ein Glitzergummitwist als Katzenleine. MAUNZ!

»Britisch Kurzhaar?« Odette legt den Kopf schief und mustert mich. »Tja, ihr Rassekatzen seid eben nichts gewohnt. Wahrscheinlich trägt Winston eine Leine, weil er seine Wohnung nicht mehr finden würde, wenn er nur einmal die Straße überquert. Falls er dabei nicht sofort vom Auto überfahren werden würde. Total verweichlicht eben.«

Autsch! Die schöne Odette hält mich für ein Weichei. Das tut weh. Mit einem Mal habe ich wirklich überhaupt keine Lust mehr auf diesen blöden Ausflug. Mit einem Satz springe ich auf Kiras Arm und kralle mich in ihren Pullover.

»Aua, Winston! Was soll das denn? Spiel doch ein bisschen mit deinen neuen Freunden.«

Pah, das sind nicht meine Freunde! Ich will hier weg! Kira versucht, mich wieder auf den Boden zu setzen, aber ich kralle mich immer fester, bis sie schließlich aufgibt.

»Hm, was ist bloß los mit dir? Doch nicht so toll mit den anderen Katzen? Willst du wieder rein?« Ich schnurre. Genau. Ich will wieder rein. Kira seufzt.

»Okay, ich hab verstanden. Als Neuer hat man es echt nicht leicht, richtig? Ich weiß das. Habe nämlich gerade genau das gleiche Problem. Komm, wir kuscheln oben eine Runde!«

Erstens: eine ganz hervorragende Idee! Zweitens: Wieso hat Kira das gleiche Problem?

Von Menschen und Ziegen.

Und menschlichen Ziegen.

»Also, am schlimmsten ist diese Leonie. Die ist so was von fies zu mir – einfach unglaublich! Eine totale Ziege!«

Kira und ich liegen auf dem Sofa im Wohnzimmer und erholen uns von dem anstrengenden Ausflug in den Hinterhof. Das heißt, ich erhole mich von dem Ausflug, während Kira mich wieder am Bauch krault und mir gleichzeitig von ihrer neuen Schule erzählt. So langsam verstehe ich, warum es auch Kira als Neue nicht leicht hat. Es liegt vor allem an dieser Leonie und daran, dass die eine Ziege ist. Wobei ich erstaunt war zu hören, dass Zweibeiner gleichzeitig Vierbeiner sein können. Also Mädchen auch Ziegen. Bisher dachte ich, Ziegen stehen nur auf irgendeiner Wiese, meckern und fressen Gras. Ist aber nicht so. Sie sitzen auch in der 7b des Wilhelminen Gymnasiums, meckern und machen andere Mädchen fertig. Ätzend. Gegen die sind Karamell, Spike und Odette offenbar die reinsten Engel.

»Weißt du, die haben da alle viel mehr Geld als Mama und ich. Und deswegen die viel cooleren Klamotten. Nur Hollister oder Hilfiger. Sieh mich mal an – ich habe nur H&M und so ’n Zeug.«

Aha. Sagt mir alles gar nichts. Aber warum sollte ich auch Ahnung von coolen Klamotten haben. Ich hab schließlich ein Fell. Das reicht. Es ist natürlich ein besonders schönes Fell, ganz dicht und schwarz. Aber eben ein Fell. Kein Bedarf also, mich in irgendwelche Kleidungsstücke zu hüllen, selbst wenn sie von Hollister wären. Was also ist das Tolle daran? Ich gebe Kira einen Stups, damit sie weitererzählt. Sie kichert.

»He, Winston, was soll das? Langweile ich dich?« Nein, ganz im Gegenteil! Ich finde diese Infos über die Menschen sehr interessant. Werner hat mir noch nie von solchen Problemen berichtet.

»Leonie ist leider ziemlich wichtig in der Klasse. Wer in ihrer Clique ist, gehört dazu. Und wer bei ihr unten durch ist, findet auch keine anderen Freunde. Oder nur solche, die völlig uncool sind und mit denen sonst keiner etwas zu tun haben will. Und so langsam habe ich Angst, dass ich bald bei den Uncoolen lande. Das wäre ganz schrecklich, dann wäre ich erledigt! Da könnte ich gleich zurück in meine alte Schule gehen und mich von Vadim fertigmachen lassen.« Sie seufzt so schwer, als ob ein riesiger Haufen Steine auf ihrer Brust läge. Die Arme! Leonie muss wirklich schlimm sein, wenn es Kira sogar lieber mit Vadim aufnehmen würde. »Ach Winston, wenn ich bloß wüsste, womit ich Leonie beeindrucken könnte!«

Miau! Mir fällt da auf Anhieb auch nichts ein. Wobei ich in Sachen »Eindruck schinden« sowieso kein Experte bin. Ich schaffe es ja nicht mal, drei blöde Hofkatzen zu beeindrucken. Wenn ich nur daran denke, fühle ich mich schon wieder schlecht. Ist ja auch eine unglaubliche Geschichte: Winston Churchill, edler Rassekater, hockt mit einem Gummiband um den Hals im Hinterhof und lässt sich von drei Stromern dumm anreden. Grrrr, was für eine Schmach! Ich bin mir sicher, diese Odette lacht sich jetzt noch kringelig, wenn sie an mich denkt.

»Hm, ich kann sie nicht nach Hause einladen, denn das hier ist die Wohnung vom Professor. Und ich kann Mama nicht bitten, mich mit einem dicken Auto vor der Schule abzuliefern, denn wir haben keins. Nicht mal ein kleines. Ich habe leider überhaupt nichts Wertvolles, was ich mal mit in die Schule nehmen könnte.«

Hm. Etwas Wertvolles. Vielleicht könnte sie mich mitnehmen. Ich glaube, ich bin ziemlich wertvoll. Schließlich bin ich der Abkömmling zweier internationaler Champions. Meine Mutter war Bundessiegerin in ihrer Altersgruppe und Papa hat seine Leistungsschau mit Auszeichnung bestanden. Und ich finde, das sieht man mir auch an! Ein eleganter Rassetyp – das beschreibt mich wohl am besten. Wobei ich einen kleinen Makel habe: grüne Augen. Die müssten laut Rassestandard eigentlich gelb sein, aber niemand ist vollkommen. Wertvoll bin ich trotzdem. Ich sollte Kira also davon überzeugen, mich in die Schule mitzunehmen. Leonie wäre bestimmt beeindruckt und Kiras Problem gelöst. Nur: Wie mache ich ihr das klar?

Kira seufzt noch einmal.

»Und Leonie ist nicht mein einziges Problem. Momentan ist echt alles Mist.«

Mist? Von den Ziegen? Da scheint ja eine ganze Herde unterwegs zu sein!

»Weißt du, Winston, mit Mama stimmt irgendetwas nicht. Wir haben doch diesen Ärger mit Vadim gehabt. Aber komischerweise ist Mama immer noch nicht froh, obwohl wir ihn doch endlich los sind. Nachts, wenn sie denkt, dass ich schon schlafe, heult sie heimlich in ihr Kissen. Ich glaube, sie hat wegen des Mistkerls richtig Stress mit der Polizei.«

Oje, das ist gar nicht gut! Ärger mit der Polizei klingt deutlich schlechter als Ärger mit Ziegen. Egal, ob mit vier- oder zweibeinigen! Ich kuschle mich enger an Kira. Körperkontakt ist schließlich immer gut in dieser bösen Welt! Kira streichelt über meinen Bauch und erzählt weiter:

»Mama will es zwar nicht zugeben, aber ich habe gesehen, dass sie neulich einen Brief von der Polizei erhalten hat. Sie muss auf das Präsidium kommen und dort Fragen beantworten.«

Kiras Stimme klingt nun ganz düster. Und auch ohne dass ich weiß, was genau ein Präsidium ist, ahne ich, dass es hier um richtig viel Ärger geht. Und zwar die Sorte Ärger, die sich auch nicht dadurch beheben lässt, dass man irgendwo mit einem dicken Auto hinfährt oder Klamotten von Herrn Hollister trägt.