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»Stella war dir zu gewöhnlich, Felix, wie?«

»Durchaus nicht«, sagte D'Arcy rasch. »Ich möchte nicht, daß du das von mir sagst, Terence. Ich bin gar nicht wählerisch in bezug auf die Klasse, sondern nur in bezug auf die Manieren. Ich gestehe dir zu, auf diesem besonderen Gebiet war sie nicht ganz vollwertig.«

»In mancher Beziehung war sie genau das, was wir brauchten«, fuhr Fielding fort. Er wandte sich an Smiley und übersah D'Arcy. »Sie war alles das, was wir zu übersehen gezwungen sind - sie war moderne Universität, sozialer Wohnbau, Stadtrandsiedlung; genau die Antithese von Carne.« Er wandte sich plötzlich an D'Arcy und sagte: »Aber für dich, Felix, war sie nur unerzogen.«

»Durchaus nicht; bloß unpassend.«

Fielding wandte sich verzweifelt an Smiley.

»Sehen Sie«, sagte er. »Wir reden hier akademisch, tragen akademische Kleidung und geben Festdiners im Gesellschaftsraum; wir halten lange Gebete auf lateinisch, die niemand von uns übersetzen kann. Wir gehen in die Abtei, und die Ehefrauen sitzen mit ihren entsetzlichen Hüten im Weiberverschlag. Aber es ist eine Scharade. Es bedeutet gar nichts.«

D'Arcy lächelte schwach.

»Ich kann nicht glauben, mein lieber Terence, daß jemand, der eine so exzellente Tafel hält wie du, eine so niedrige Meinung von den Verfeinerungen gesellschaftlichen Verhaltens haben kann.« Er blickte hilfeheischend zu Smiley hinüber, und dieser echote pflichtgemäß das Kompliment. »Außerdem kennen wir in Carne Terence von jeher. Leider sind wir an sein Gebrüll gewöhnt.«

»Ich weiß, warum du diese Frau nicht leiden konntest, Felix. Sie wahr ehrlich, und Carne hat keine Abwehr gegen diese Art von Ehrlichkeit.«

D'Arcy wurde plötzlich sehr zornig: »Terence, ich will nicht, daß du das sagst. Ich will's einfach nicht haben. Ich empfinde eine gewisse Pflicht gegenüber Carne, wie wir ja alle, jene Normen des Benehmens wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, die im Krieg so traurig gelitten haben. Ich bin mir bewußt, daß mich diese Entschlossenheit bei mehr als einer Gelegenheit unbeliebt gemacht hat. Aber die Stellungnahme oder der Rat, den ich anbiete, ist nie - ich bitte, das zu bemerken - gegen irgendeine Person gerichtet, nur gegen Benehmen, gegen unziemliche Entgleisungen im Verhalten. Ich will zugeben, daß ich mehr als einmal genötigt war, mit Rode über das Thema des Verhaltens seiner Frau zu sprechen. Das ist eine vom Persönlichen ganz getrennte Sache, Terence. Ich will nicht, daß gesagt wird, ich hätte Mrs. Rode nicht gemocht. Eine solche Unterstellung wäre zu jeder Zeit unangenehm, aber unter den augenblicklichen Umständen ist sie beklagenswert. Mrs. Rodes eigenes ... Milieu und ihre Erziehung bereiteten sie natürlich nicht auf unsere Lebensart vor; das ist eine ganz andere Sache. Es unterstreicht jedoch, was ich hervorheben möchte, Terence: es war eine Frage der Aufklärung, nicht der Kritik. Drücke ich mich klar aus?«

»Außerordentlich«, erwiderte Fielding trocken.

»Mochten die anderen Frauen sie denn?« versuchte es Smiley.

»Nicht unbedingt«, antwortete D'Arcy kurz.

»Die Frauen! Mein Gott!« stöhnte Fielding und legte die Hand an die Stirn. Eine Pause trat ein.

»Ihre Kleider waren, glaube ich, für einige eine Quelle von Pein. Außerdem frequentierte sie die öffentliche Wäscherei. Auch das machte keinen günstigen Eindruck. Ich sollte hinzufügen, daß sie unsere Kirche nicht besuchte...«

»Hatte sie unter den Frauen irgendwelche enge Freundinnen?« fuhr Smiley hartnäckig fort.

»Ich glaube, die junge Mrs. Snow schloß sich ihr an.«

»Und Sie sagen, sie war zum Essen hier an dem Abend, als sie ermordet wurde?«

»Ja«, erwiderte Fielding ruhig, »Mittwoch. Und Felix und seine Schwester nahmen den armen Rode hinterher bei sich auf...« Er warf einen raschen Blick auf D'Arcy.

»Ja, natürlich«, sagte D'Arcy kurz. Sein Blick ruhte auf Fielding, und Smiley schien es, daß sie einander etwas mitgeteilt hatten. »Wir werden es nie vergessen, nie... Terence, wenn ich einen Augenblick fachsimpeln darf; Perkins' Satzkonstruktionen sind bodenlos schlecht; ich erkläre, daß ich nie ähnliche Arbeiten gesehen habe. Ist er krank? Seine Mutter ist eine sehr kultivierte Frau, eine Kusine der Samfords, hat man mir gesagt.«

Smiley sah ihn an und überlegte. Seine Smokingjacke war verschossen, grün vor Alter. Smiley konnte ihn fast sagen hören, sie habe seinem Großvater gehört. Seine Gesichtshaut war so faltenlos, daß er irgendwie fettleibig wirkte, ohne dick zu sein. Seine Stimme war auf einen einschmeichelnden Ton festgesetzt, und er lächelte immerzu, ob er sprach oder nicht. Das Lächeln schwand nie aus seinem glatten Gesicht, es war in die knetbare Masse seines Fleisches eingearbeitet, streckte die Lippen über seine makellosen Zähne und öffnete die Winkel seines roten Mundes, so daß es schien, als werde es von den unsichtbaren Fingern seines Zahnarztes festgehalten. Dennoch war D'Arcys Gesicht alles andere als ausdruckslos; jedes Merkmal zeigte sich. Die kleinste Regung seines Mundes oder seiner Nase, der flüchtigste Blick, das geringste Stirnrunzeln waren da, um gelesen und gedeutet zu werden. Und er wollte vom Thema ablenken. Nicht von Stella Rode (denn einen Augenblick später diskutierte er selbst sie wieder), aber von dem bestimmten Abend, an dem sie starb, von der genauen Schilderung der Ereignisse. Mehr noch: Smiley zweifelte nicht daran, daß Fielding es ebenfalls bemerkt hatte, daß in dem Blick, den sie gewechselt hatten, ein Pakt der Furcht enthalten war, vielleicht eine Warnung, so daß von diesem Augenblick an Fieldings Verhalten sich änderte; er wurde mürrisch und voreingenommen auf eine Art, die Smiley noch lange nachher zu denken gab.

D'Arcy wandte sich an Smiley und sprach ihn mit übertriebener Vertraulichkeit an: »Bitte, verzeihen Sie mir meinen beklagenswerten Abstieg in den Klatsch von Carne. Sie finden uns hier ein wenig abgeschnitten, nicht wahr? Man hält uns oft für isoliert, ich weiß. Carne ist eine >Snob-Schule<, das ist der Slogan. Man kann es täglich in der Asphaltpresse lesen. Und doch darf ich, trotz der Behauptungen der Avantgarde«, fügte er hinzu, verstohlen zu Fielding hinüberblickend, »sagen, daß niemand weniger ein Snob sein könnte als Felix D'Arcy.« Smiley nahm Notiz von seinem Haar. Es war dünn und gelblich, fiel vom Scheitel und ließ seinen roten Nacken bloß.

»Nehmen Sie zum Beispiel den armen Rode. Ich halte dem armen Kerl gewiß in keiner Weise seine Herkunft vor. Die öffentlichen Schulen leisten Großartiges, da bin ich sicher. Außerdem hat er sich hier schon sehr gut eingewöhnt. Ich habe das auch dem Direktor gesagt. Ich sagte ihm, daß Rode sich sehr gut eingewöhnt habe; er versieht den Kirchendienst ganz bewundernswert - gerade darauf habe ich hingewiesen. Ich hoffe, ich habe das Meine getan, mehr noch, ihm geholfen, sich anzupassen. Mit sorgfältiger Unterweisung können solche Leute, wie ich dem Direktor sagte, unsere Gebräuche lernen, sogar unsere Manieren, und der Direktor stimmte zu.«

Smileys Glas war leer, und D'Arcy füllte es, ohne Fielding zu fragen, für ihn aus der Kristallflasche. Seine Hände waren glatt und haarlos wie die eines Mädchens.

»Aber«, fuhr er fort, »ich muß ehrlich sein. Mrs. Rode glich sich nicht so willig unserer Lebensart an.« Immer noch lächelnd, trank er zierlich aus dem Glas. Er will seine Darstellung berichtigen, dachte Smiley.

»Sie würde sich nie wirklich ganz an Carne angepaßt haben; das ist meine Meinung - ich habe sie aber zu ihren Lebzeiten bestimmt nie ausgesprochen. Ihr Milieu schadete ihr. Es war nicht ihre Schuld - es war ihr Milieu, das, wie gesagt, ungünstig war. Tatsächlich habe ich, wenn wir offen und vertraulich sprechen dürfen, Grund zu der Annahme, daß ihr Vorleben ihren Tod verursacht hat.«