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»Gern«, erwiderte D'Arcy trocken.

Sie gingen die North-Fields-Allee hinunter. Eine hohe Steinmauer lief an einer Seite entlang; auf der anderen begrenzte die große Fläche der Sportplätze, zwanzig oder mehr Rugby-Felder, die Straße auf mehr als achthundert Meter. Sie gingen dieses Stück schweigend, bis D'Arcy anhielt und mit seinem Stock an Smiley vorbei auf ein kleines Haus am Rande der Sportplätze deutete.

»Das ist North Fields, das Haus der Rodes. Es gehörte früher dem Platzaufseher, aber die Schule ließ vor einigen Jahren einen Flügel anbauen, und jetzt dient es als Lehrerhaus. Mein eigenes Haus ist bedeutend größer und liegt weiter oben an der Straße. Glücklicherweise gehe ich gern zu Fuß.«

»Haben Sie in jener Nacht Stanley Rode hier in der Nähe gefunden?«

Nach einer Pause erwiderte D'Arcy: »Es war näher bei meinem Hause, ungefähr vierhundert Meter weiter. Er war in einem schrecklichen Zustand, der arme Kerl, schrecklich. Ich kann selbst den Anblick von Blut nicht ertragen. Hätte ich gewußt, wie er aussehen würde, als ich ihn ins Haus brachte, ich glaube nicht, daß ich's gekonnt hätte. Gott sei Dank ist meine Schwester Dorothy eine sehr tüchtige Frau.«

Schweigend gingen sie weiter, bis Smiley sagte: »Aus Ihren Äußerungen bei Tisch ging hervor, daß die Rodes sehr schlecht zueinanderpaßten.«

»Genau. Wenn sie auf andere Weise umgekommen wäre, so würde ich es als eine Fügung des Schicksals bezeichnen: eine segensvolle Befreiung für Rode. Sie war eine durch und durch boshafte Frau, Smiley, die darauf aus war, ihren Mann der Lächerlichkeit preiszugeben. Ich glaube, es war Absicht. Andere glauben es nicht. Ich aber schon, und ich habe meine Gründe. Sie fand ein Vergnügen daran, ihren Mann zu verhöhnen.«

»Und auch Carne, ohne Zweifel.«

»Genau das. Dies ist ein kritischer Augenblick in Carnes Entwicklung. Viele Internatsschulen haben dem vulgären Geschrei nach Veränderung nachgegeben - Veränderungen um jeden Preis. Ich freue mich, feststellen zu können, daß Carne sich diesen Selbstmördern nicht angeschlossen hat. Deshalb ist es jetzt um so wichtiger, daß wir uns von innen wie von außen schützen.« Er sprach mit überraschender Heftigkeit.

»Aber war Stella Rode wirklich so schwierig? Sicher hätte doch ihr Mann mit ihr sprechen können.«

»Ich habe ihn nie ermutigt, es zu tun, das versichere ich Ihnen. Es ist nicht meine Art, mich in Eheprobleme einzumischen.«

Sie erreichten D'Arcys Haus. Eine hohe Lorbeerhecke schloß es völlig von der Straße ab, nur zwei Karninkasten waren darüber sichtbar und bestätigten Smileys Eindruck, daß das Haus groß war und aus der viktorianischen Zeit stammte.

»Ich schäme mich viktorianischen Geschmacks nicht«, sagte D'Arcy und öffnete langsam das Gartentor; »aber wir sind ja auch, fürchte ich, hier in Carne mit der modernen Sprechweise nicht vertraut. Das Haus war einmal das Pfarrhaus der North-Fields-Kirche, aber der Kirchendienst wird jetzt von einem beauftragten Pfarrer von der Abtei versehen. Das Pfarrhaus ist noch im Verleihungsrecht der Schule, und ich war so glücklich, es zu bekommen. Gute Nacht. Sie müssen zu einem Sherry kommen, ehe Sie abreisen. Bleiben Sie länger?«

»Ich bezweifle es«, erwiderte Smiley, »aber ich bin sicher, Sie haben im Augenblick auch genug Sorgen.«

»Was meinen Sie damit?« fragte D'Arcy scharf.

»Die Presse, die Polizei und der ganze damit verbundene Wirbel.«

»Ach so. Ganz richtig! Dennoch, unser Gemeinschaftsleben muß fortgesetzt werden. Wir haben immer eine kleine Party in der Semestermitte, und ich habe das Gefühl, daß es besonders wichtig ist, sie auch diesmal abzuhalten. Ich werde Ihnen morgen eine Einladung ins Hotel schicken. Meine Schwester würde sich freuen. Gute Nacht!« Er warf klirrend das Tor zu, und das Geräusch erregte irgendwo hinter dem Haus wildes Hundegebell. Ein Fenster öffnete sich, und eine harte weibliche Stimme rief:

»Bist du das, Felix?«

»Ja, Dorothy.«

»Warum mußt du einen so verdammten Radau machen? Du hast schon wieder die Hunde geweckt.« Das Fenster schloß sich mit einem Knall, und D'Arcy verschwand, ohne auch nur einen Blick in Smileys Richtung zu werfen, schnell im Schatten des Hauses.

Smiley trat wieder auf die Straße und ging zur Stadt zurück. Nach etwa zehn Minuten blieb er stehen und sah noch einmal zum Haus der Rodes hinüber, etwa hundert Meter jenseits der Sportplätze. Es lag im Schatten eines kleinen Fichtengehölzes; dunkel und verschwiegen hob es sich gegen die weißen Felder ab. Ein schmaler Weg führte zum Haus, in einer Ecke war eine Briefkastensäule aus Backstein; und ein kleiner eichener Wegweiser, ganz neu, wies die Allee hinunter, die, wie er schloß, nach Pylle führen mußte. Die Inschrift auf dem Wegweiser war durch eine Schneeschicht verdeckt, und Smiley wischte sie mit der Hand weg, so daß er die Worte »North Fields« lesen konnte; sie waren in einer gekünstelten, provinziellen gotischen Schrift gehalten, die D'Arcy erhebliches Unbehagen bereitet haben mußte. Der Schnee in der Allee war ohne Fußspuren; offenbar war kürzlich mehr gefallen. Zwischen Carne und Pylle konnte es nicht viel Verkehr geben. Rasch die Hauptstraße auf und ab blickend, begann Smiley die Allee hinunterzugehen. Auf beiden Seiten stand die Hecke hoch, und bald konnte er nur noch den blassen Himmel über sich und die wuchernden Weidengerten sehen, die sich ihm entgegenstreckten. Einmal glaubte er, Schritte dicht hinter sich zu hören, aber als er stehenblieb, hörte er nichts als das verstohlene Rieseln der schneebeladenen Hecken. Er empfand die Kälte stärker: sie schien in dem unbeweglichen Dunst der tiefliegenden Straße zu hängen und ihn wie die eisige Luft eines leeren Hauses zu fassen und zu halten. Dann wich die Hecke zu seiner Linken einer schütteren Baumreihe, die nach Smileys Urteil zu dem Gehölz gehörte, das er von der Straße aus gesehen hatte. Der Schnee unter den Bäumen lag ungleichmäßig, und der nackte Boden sah plötzlich häßlich und zerrissen aus. Die Allee führte ihn in einer allmählichen Krümmung nach links, und urplötzlich stand das Haus vor ihm, unheimlich und schroff im Mondlicht. Die Mauern waren aus Backstein und Flint, halb verdunkelt von dem Efeu, der es üppig überwucherte und in einer verfilzten Mähne über das Tor fiel.

Er blickte zum Garten. Das Gehölz, das die Allee säumte, griff fast bis zur Ecke des Hauses über und erstreckte sich bis zum entfernten Rasenende, das Haus von den Sportplätzen abschirmend. Der Mörder hatte das Haus auf einem Pfad erreicht, der über den Rasen und zwischen den Bäumen zur Allee am entferntesten Gartenende führte. Als Smiley sorgfältig den Schnee auf dem Rasen betrachtete, konnte er den Verlauf des Pfades erkennen. Die weiße Glastür zur Linken des Hauses mußte zum Wintergarten führen ... Und plötzlich wußte er, daß er Angst hatte - Angst vor dem Haus, vor dem wuchernden dunklen Garten. Diese Erkenntnis überkam ihn wie das Bewußtsein eines Schmerzes. Die Efeumauern schienen sich vorzuneigen und ihn zu halten, wie eine alte Frau, die ein widerstrebendes Kind liebkost. Das Haus war groß und doch schäbig, in den jähen Gegensätzen des Mondlichtes hielt es unheimliche Gebilde, schwarz und ölig, in sich fest. Trotz seiner Angst fasziniert, bewegte er sich darauf zu. Die Schatten zerfielen und formten sich wieder, schossen flink davon und blieben wieder regungslos, versteckten sich im üppigen Efeu oder verschmolzen mit den schwarzen Fenstern.

Erschrocken empfand er die erste unfreiwillige Regung von Panik. Er hatte Angst; und dann schlossen sich alle seine Sinne zu einem vereinten Schreckensschrei zusammen: Anblick und Geräusch und Berührung ließen sich in der wilden Erregung seines Hirns nicht mehr unterscheiden. Er drehte sich um und rannte zum Tor zurück. Dabei sah er über seine Schulter zum Haus.

Eine Frau stand auf dem Pfad, sah ihn an, und hinter ihr bewegte sich die Wintergartentür langsam in den Angeln.

Eine Sekunde stand sie ganz still, drehte sich dann um und lief zum Wintergarten zurück. Smiley vergaß seine Furcht und folgte ihr. Als er die Hausecke erreichte, sah er zu seinem Erstaunen, daß sie an der Tür stand und sie sachte hin und her bewegte, auf eine nachdenkliche, spielerische Art, wie ein Kind. Sie hatte Smiley den Rücken zugewandt, drehte sich aber plötzlich zu ihm und sprach mit dem sanften Tonfall von Dorset und dem kindlichen Lispeln einer Einfältigen: