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»Ich dacht', Sie wär'n der Teufel, Mister, aber Sie ha'm ja keine Flügel.«

Smiley zögerte. Wenn er sich weiterbewegte, konnte sie wieder Angst bekommen und weglaufen. Er blickte sie über den Schnee hinweg an und versuchte, sie klar zu sehen. Sie schien eine Kapuze oder einen Schal über dem Kopf zu tragen und einen dunklen Umhang um die Schultern. In der Hand hielt sie ein Blätterbüschel, und dieses schwenkte sie sachte hin und her, als sie mit ihm sprach: »Aber Sie können nix tun, Mister, weil ich die Stechpalmen hab', um Sie festzuhalten. Blei'm Sie also schön da, denn die kleine Jane kann Sie halten.« Sie schüttelte die Blätter heftig gegen ihn und begann leise zu lachen. Sie hatte noch immer eine Hand an der Tür, und beim Sprechen baumelte ihr Kopf nach einer Seite.

»Sie blei'm von der kleinen Jane weg, Mister, so hübsch sie auch is.«

»Ja, Jane«, sagte Smiley sanft. »Sie sind ein sehr hübsches Mädchen, das kann ich sehen, und das ist ein hübscher Umhang, den Sie da tragen, Jane.«

Von diesen Worten offenbar entzückt, faßte sie die Aufschläge ihres Capes und drehte sich langsam, in der kindlichen Parodie einer feinen Dame.

Als sie sich drehte, sah Smiley zwei leere Mantelärmel an ihrer Seite schwingen.

»Manche gibt's, die lachen über Janie«, sagte sie mit einem Ton von Gereiztheit in der Stimme, »aber 's gibt nicht viele, die den Teufel fliegen gesehn ha'm. Aber Janie hat'n gesehn, Janie hat'n gesehn. Silberflügel wie Fische hat er gehabt, Janie sah's.«

»Wo hast du den Mantel gefunden, Janie?«

Sie legte die Hände zusammen und bewegte langsam den Kopf hin und her.

»Der is'n Böser. Uh, der is'n Böser, Mister«, und sie lachte leise. »Ich hab' ihn fliegen gesehn, aufm Wind reiten«, sie lachte wieder, »und der Mond hinter ihm beleuchtete den Weg! Sind so verwandt wie Schwestern, der Mond und der Teufel.«

In einer plötzlichen Eingebung riß Smiley eine Handvoll Efeu von der Hausseite, hielt ihn ihr hin und bewegte sich dabei langsam vorwärts.

»Mögen Sie Blumen, Janie? Hier sind Blumen für Janie; hübsche Blumen für die hübsche Janie.« Er hatte sie fast erreicht, als sie mit bemerkenswerter Schnelligkeit über den Rasen rannte, unter den Bäumen verschwand und die Allee hinunterlief. Smiley ließ sie entwischen. Er war in Schweiß gebadet.

Sowie er das Hotel erreichte, telefonierte er mit Kriminalinspektor Rigby.

KÖNIG ARTHURS KIRCHE

Der Kaffee-Salon des Sawley Arms hat die größte Ähnlichkeit mit dem Pavillon für Tropenpflanzen im Botanischen Garten von Kew. In einem Zeitalter erbaut, da Kaktus die Modepflanze und Bambus sein unentbehrlicher Gefährte war, hatte man den Salon als das architektonische Abbild einer Dschungellichtung entworfen.

Stahlsäulen, in Segmente aufgeteilt wie der Stamm einer Palme, trugen ein hohes Glasdach, dessen königliche Kuppel den afrikanischen Himmel ersetzte. Riesige Bronzeurnen und grünglasiertes Steingut enthielten alles, was in der Kaktuswelt elegant und üppig war, und dazwischen konnten sich uralte Hotelgäste auf Sofas aus dünnem Bambusrohr entspannen, warmen Kaffee schlürfen und die Beschwerden einer Safari wiedererleben.

Smileys Bemühungen, um halb elf Uhr nachts eine Flasche Whisky und einen Soda-Siphon zu bekommen, wurden nicht sogleich belohnt. Es schien, daß die Journalisten wie Aasgeier von einem Kadaver verschwunden waren. Das einzige Lebendige im Hotel war der Nachtportier, der Smileys Bitte mit abweisender Mißbilligung behandelte und ihm riet, zu Bett zu gehen. Smiley, von Natur durchaus nicht hartnäckig, entdeckte in seiner Manteltasche eine Halbkronenmünze und drückte sie leicht gereizt dem alten Mann in die Hand. Das Resultat war, wenn nicht magisch, so doch wirksam, und als Rigby das Hotel betrat, saß Smiley vor einem hellen Gasfeuer im Kaffee-Salon, Gläser und eine Whiskyflasche vor sich.

Smiley berichtete seine Erlebnisse des Abends mit überlegter Genauigkeit.

»Der Mantel fiel mir auf. Es war ein schwerer Mantel, wie der eines Mannes«, schloß er. »Ich erinnerte mich an den blauen Gürtel und...« Er beendete den Satz nicht.

Rigby nickte, stand auf und ging energisch durch den Salon und die Pendeltür und trat zum Tisch des Portiers. Nach zehn Minuten kam er zurück.

»Ich glaube, wir gehen lieber und schnappen sie«, sagte er nur. »Ich habe einen Wagen beordert.«

»Wir?« fragte Smiley.

»Ja, wenn es Ihnen recht ist. Was ist los? Haben Sie Angst?«

»Ja«, sagte er. »Ja, das habe ich.«

Das Dorf Pylle liegt südlich von North Fields, auf einem hohen Bergvorsprung, der steil aus den flachen, feuchten Wiesen von Carne herausragt. Es besteht aus einer Handvoll Steinkaten und einem kleinen Gasthaus, wo man im Gästezimmer Bier trinken kann. Von den Carne-Sportplätzen aus gesehen, könnte das Dorf leicht für einen zutageliegenden Fels auf einem hohen Hügel gehalten werden, denn der Berg, auf dem es liegt, sieht von der Nordseite kegelförmig aus. Lokalhistoriker behaupten, daß Pylle die älteste Siedlung in Dorset sei, daß sein Name angelsächsisch »Hafen« bedeute und es den Römern als Landeplatz diente, als die Niederungen ringsum von der See bedeckt waren. Sie werden einem auch erzählen, daß König Arthur hier nach sieben Monaten auf See rastete und Sankt Andreas, dem Schutzheiligen der Seefahrer, huldigte, auf der Stätte der Kirche von Pylle, wo er für jeden Monat, den er zu Schiff verbracht hatte, eine Kerze stiftete; und daß es in der zur Erinnerung an seinen Besuch erbauten Kirche, die bis heute verlassen und vernachlässigt auf dem Hügel steht, eine Bronzemünze als Zeugnis seines Besuchs gibt - genau die, die König Arthur dem Küster schenkte, ehe er wieder zur Insel Avalon absegelte.

Inspektor William Rigby, selbst ein eifriger Lokalhistoriker, gab Smiley einen knappen Abriß der legendären Vergangenheit von Pylle, während er vorsichtig die schneebedeckte Landstraße entlangfuhr.

»Diese kleinen abgelegenen Dörfer sind ziemlich seltsame Orte«, schloß er. »Oft nur drei oder vier Familien, alle mit derartiger Inzucht, daß man sie ebensowenig auseinanderhalten kann wie eine Scheune voll Katzen. Daher kommen die Dorftrottel. Sie nennen's Teufelszeichen; ich nenne es Inzest. Sie können sie im Dorf nicht ausstehen, wissen Sie - sie treiben sie um jeden Preis davon, als versuchten sie, ihre Schande wegzuwaschen, wissen Sie.«

»Ich weiß.«

»Diese Jane gehört zur religiösen Sorte. Zwei oder drei werden so. Die Dorfbewohner von Pylle gehören jetzt alle zur Chapel-Sekte, deswegen hat man seit Wesley für König Arthurs Kirche keine Verwendung mehr gehabt. Steht leer und verfällt. Einige aus dem Tal kommen noch herauf, um sie zu besichtigen, wohl wegen ihrer Geschichte, aber niemand kümmert sich darum oder hat sich gekümmert, bis Janie einzog.«

»Einzog?«

»Ja. Sie hat sich angewöhnt, die Kirche bei Nacht und Tag auszukehren, und bringt wilde Blumen und so weiter herein. Darum sagen sie, sie sei 'ne Hexe.«

Sie fuhren schweigend an Rodes Haus vorbei und begannen, nachdem sie die scharfe Krümmung genommen hatten, den langen, steilen, zum Dorf Pylle hinaufführenden Berg zu erklimmen. Der Schnee auf dem Feldweg war unberührt, und abgesehen von einem gelegentlichen Schleudern kamen sie ohne Schwierigkeiten voran. Die tieferen Berghänge waren bewaldet, die Straße war dunkel, bis sie sich plötzlich auf einem glatten Plateau befanden, wo ein grimmiger Wind feinen Schnee wie Rauch über die Felder blies und gegen das Auto peitschte. Der Schnee war auf der einen Straßenseite hochgeweht, und das Fahren wurde immer schwieriger.

Schließlich stoppte Rigby den Wagen und sagte: »Von hier aus gehen wir zu Fuß, Sir, wenn es Ihnen recht ist.«