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Eafa schwieg.

«Offenbar habt Ihr dennoch das Gefühl, Äbtissin Wulfrun dienen zu müssen?»

Das Mädchen hob den Kopf und sah Fidelma ins Gesicht. Sie schien ihr antworten zu wollen, senkte dann aber wieder ihren Blick und nickte schwach.

«Warum?» hakte Fidelma nach. «Ob sie nun eine große Dame ist, eine Äbtissin oder nur eine einfache Schwester im Glauben - Wulfrun hat kein Recht, Euch wie eine Dienerin zu behandeln. Ihr seid nur Gott als Dienerin verpflichtet.»

«Ich kann es nicht erklären», sagte das Mädchen mit gepreßter Stimme. «Ich kann nur sagen, daß ich Äbtissin Wulfrun an jenem Abend bedient habe und danach in meine eigene Kammer zurückgekehrt und eingeschlafen bin.»

Fidelma wollte weiter in sie dringen, besann sich aber eines Besseren. Das Mädchen unter Druck zu setzen wäre zwecklos gewesen. «Und um wieviel Uhr war das, Eafa?»

«Ich weiß nicht. Einige Zeit vor Mitternacht jedenfalls.»

«In der Hinsicht seid Ihr Euch aber sicher?»

«Ja. Ich wurde vom Läuten zum Mitternachtsangelus geweckt und bin dann wieder eingeschlafen.»

«Seid Ihr danach noch einmal aufgewacht?»

«Ich glaube nicht.»

«Ihr glaubt es nicht? Was soll das heißen?»

«Nun ja», antwortete das Mädchen, «es kommt mir so vor, als wäre ich später noch einmal aufgewacht und hätte irgendwelche Geräusche gehört, aber ich war so müde, daß ich mich umdrehte und innerhalb kürzester Zeit wieder einschlief. Beim Frühstück am nächsten Morgen sagte dann jemand, ein irischer Mönch habe Wighard getötet und sei verhaftet worden. Stimmt das denn nicht?» Mit großen Augen sah sie die beiden an.

«Es ist tatsächlich ein irischer Mönch verhaftet worden», räumte Fidelma ein. «Ob er Wighard ermordet hat, ist allerdings noch nicht erwiesen.»

Das Mädchen öffnete den Mund, schloß ihn aber wieder. Fidelma war diese unwillkürliche Bewegung nicht entgangen.

«Wolltet Ihr noch etwas sagen?» fragte sie.

«Nun ja, ich dachte nur daran, daß ich am Morgen vor dem Mord einen irischen Geistlichen im Innenhof vor dem domus hospitale gesehen habe. Es war ein dicker, mondgesichtiger Mann mit der seltsamen Tonsur der irischen Glaubensbrüder.»

Eadulf beugte sich vor. «Ihr habt diesen Bruder gesehen?»

«Oh, ja. Er hat mich angesprochen und mir einige Fragen über Wighards Gefolge gestellt. Er wollte ganz genau wissen, wer Wighard während seines Besuches in Rom begleitete. Aber dann kam Äbtissin Wulfrun, und ich mußte ihr folgen. Wie ich gehört habe, soll der Mönch, nach dem die custodes suchen, groß und mondgesichtig sein.»

Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Nachdenklich lehnte Fidelma sich zurück.

«Wie lange seid Ihr schon im Kloster Sheppey?» fragte sie plötzlich.

Verwirrt über den unvermittelten Themenwechsel sah das Mädchen sie an. «Fünf Jahre vielleicht.»

«Und wie lange kennt Ihr Äbtissin Wulfrun?»

«Ein wenig länger .»

«Das heißt, Ihr kanntet Wulfrun schon, ehe Ihr nach Sheppey gekommen seid?»

«Ja», räumte das Mädchen ein.

«Wo habt Ihr sie kennengelernt? In einem anderen Kloster?»

«Nein. Wulfrun half mir, als ich in Not geraten war.»

«In Not?»

Das Mädchen nickte nur.

«Wo war das?» drang Fidelma in sie.

«In Swithhelms Königreich.»

«Ach?» fragte Eadulf verblüfft. «Ihr stammt aus dem Königreich der Ostsachsen?»

Das Mädchen schüttelte den Kopf. «Nein. Ursprünglich stamme ich aus Kent. Als Kind kam ich dann in Swithhelms Königreich und kehrte erst nach Kent zurück, als Äbtissin Wulfrun mich einlud, in ihr Kloster in Sheppey einzutreten.»

«Und seitdem habt Ihr Euch Äbtissin Wulfrun verpflichtet gefühlt?» schloß Eadulf.

Eafa zuckte die Achseln, als wollte sie ihn auffordern, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Fidelma verspürte Mitleid mit dem Mädchen.

«Entschuldigt, Eafa, daß wir Euch all diese Fragen stellen, aber wir sind fast fertig. Nur eines noch: Ihr wißt, daß Ihr nach dem Gesetz der Kirche ein freier Mensch seid?»

Eafa runzelte die Stirn. «Gehorsam ist doch sicherlich die wichtigste Ordensregel?» fragte sie nicht ohne Trotz zurück. «Ich bin nur eine einfache Nonne und muß den Anordnungen meiner Mutter Oberin in jeder Hinsicht Folge leisten.»

Aus Angst, das Mädchen unnötig aufzuregen, wollte Fidelma nicht deutlicher werden.

«Solange Ihr wißt, daß Ihr Euch von keinem Mann bedrängen lassen müßt, ganz egal, welchen Rang er innehat.»

Errötend hob Eafa den Kopf und sah Fidelma an. Offenbar war ihr klar, was Fidelma damit sagen wollte.

«Ich kann gut auf mich selbst aufpassen, Schwester. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und von früher Kindheit an durch eine harte Schule gegangen.»

Fidelma lächelte traurig. «Mir war nur wichtig, daß Ihr das wißt.»

«Wie auch immer.» Eafa reckte störrisch das Kinn. «Ich habe keine Ahnung, was diese Fragen mit dem Mord an Wighard zu tun haben sollen.»

Offenbar wollte sie nicht über Puttoc und seine Aufdringlichkeiten sprechen. Fidelma hoffte, daß Eafa klargeworden war, wo sie im Notfall Hilfe und Unterstützung finden würde.

«Wir haben Eure Zeit lange genug in Anspruch genommen, Schwester Eafa. Das war alles ... fürs erste jedenfalls.»

Das Mädchen stand auf und eilte hinaus. An der Tür stieß sie fast mit dem hageren, bleichen Bischof Gelasius zusammen. Schwester Eafa machte eine ehrerbietige Kniebeuge, während Eadulf und Fidelma sich von ihren Plätzen erhoben, um den nomenclator des päpstlichen Palasts willkommen zu heißen.

Zerstreut lächelte Gelasius Schwester Eafa zu, die sich erhob und davonhuschte. Dann betrat er mit großen Schritten das Zimmer. Furius Licinius stand stramm, als dem Bischof auch superista Marinus in das officium folgte.

«Ich dachte, wir schauen einmal vorbei und erkundigen uns, ob Ihr schon zu irgendeinem Ergebnis gekommen seid», erklärte Gelasius.

«Wenn Ihr damit meint, ob wir den Fall gelöst haben», erwiderte Fidelma, «müssen wir leider verneinen.»

Mit enttäuschter Miene ließ sich der Bischof auf dem freien Stuhl nieder.

«Ich muß Euch sagen, daß der Heilige Vater die Sache so rasch wie möglich zu bereinigen wünscht.»

«Da geht es ihm nicht anders als mir», entgegnete Fidelma.

Erstaunt sah Gelasius auf und fragte sich, ob er ihre Antwort als Unverschämtheit werten sollte. Dann erinnerte er sich, wie freimütig die irischen Frauen sein konnten, und beschränkte sich auf ein tiefes Seufzen.

«Wie weit seid Ihr mit Eurer Untersuchung vorangeschritten?»

«Das ist schwer zu sagen», antwortete Fidelma achselzuckend.

«Soll das heißen, daß Euch an der Schuld Bruder Ronans Zweifel gekommen sind?» fragte Marinus erstaunt. «Aber meine custodes waren Augenzeugen. Sie haben ihn bei der Flucht vom Tatort festgenommen, und daß er später aus ihrem Gewahrsam geflohen ist, kann den Verdacht gegen ihn doch nur erhärten.»

Gelasius sah den superista nachdenklich an und wandte sich dann an Fidelma.

«Ist das wahr? Ihr bezweifelt Ronan Ragallachs Schuld?»

«Nur ein schlechter Richter fällt ein Urteil, ehe er alle Beweise gesammelt hat.»

«Was für Beweise braucht Ihr denn noch?»

«Die bisher vorliegenden Indizien geben nicht viel her. Bei näherer Betrachtung erweisen sie sich als von so untergeordneter Bedeutung, daß ein gewissenhafter Brehon-Richter sie nicht einmal in Erwägung ziehen würde.»

Gelasius wandte sich an Bruder Eadulf. «Seid Ihr der gleichen Meinung wie die Schwester?»

Eadulf streifte Fidelma mit einem raschen, schuldbewußten Seitenblick. «Ich glaube, daß Bruder Ronan Ragallach schuldig ist, auch wenn es den Indizien in der Tat noch an Beweiskraft mangelt. Aber die Hinweise auf seine Täterschaft verdichten sich. Inzwischen gibt es eine Zeugin, die ausgesagt hat, daß Ronan Ragallach in den Tagen vor dem Mord Wighard und sein Gefolge auskundschaftete.»