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Nur mit Mühe hielt Fidelma einen verärgerten Seufzer zurück. Sie hatte Eafas Aussage noch eine Weile für sich behalten wollen.

Bischof Gelasius wirkte niedergeschlagen. Ohne auf Eadulfs Erwähnung einer weiteren Zeugin einzugehen, sagte er: «Was ich jetzt von Euch hören muß, ist leider genau das, was ich am meisten gefürchtet habe: Ihr seid in Eurem Urteil gespalten. Wir haben einen Iren, der in Rom einen sächsischen Bischof getötet hat. Der sächsische Richter hält ihn für verdächtig, die irische Richterin verneint seine Schuld. Das Schreckgespenst eines Krieges zwischen Sachsen und Iren ist damit noch immer nicht gebannt.»

Fidelma schüttelte den Kopf. «Ganz so, wie Ihr es darstellt, ist es nicht, Gelasius. Bruder Eadulf und ich stimmen darin überein, daß unsere Ermittlungen noch längst nicht abgeschlossen sind, da es in diesem Zusammenhang noch viel zu bedenken gibt. Daß wir heute zu keinem einmütigen Schluß gekommen sind, heißt nicht, daß das so bleiben muß.»

«Aber Ihr habt doch inzwischen sicherlich mit Ausnahme des Täters alle beteiligten Personen befragt .»

Eadulf räusperte sich. «Ich glaube, im Augenblick sollten wir Bruder Ronan Ragallach doch lieber als Verdächtigen bezeichnen .»

Marinus stieß ein wütendes Zischen aus. «Spitzfindigkeiten! Wir haben keine Zeit für solche Wortklaubereien. Wenn Ihr alle befragt habt, müßt Ihr doch zu einem Urteil gelangt sein.»

Fidelma preßte die Lippen zusammen.

Gelasius, dem ihre Verärgerung nicht entgangen war, erhob besänftigend die Hand. «Wollt Ihr uns damit sagen, daß Ihr einfach noch mehr Zeit braucht, Schwester?»

«Genau», antwortete Fidelma mit fester Stimme.

«Dann sollt Ihr diese Zeit auch bekommen», erwiderte Gelasius. «Das wichtigste ist doch, daß uns bei der Aufklärung dieses Falls kein Fehler unterläuft, damit später niemand das Urteil anzweifeln kann.»

«Damit bin ich voll und ganz einverstanden», stimmte ihm Fidelma zu. «Etwas anderes käme für mich nicht in Frage. Wir suchen die Wahrheit, nicht irgendeinen Sündenbock.»

Würdevoll erhob sich Bischof Gelasius von seinem Stuhl. «Denkt bitte nur daran», sagte er in bedächtigem Ton, «daß der Heilige Vater ein besonderes Interesse an der Sache hat. Er steht bereits unter einigem Druck, weil er nicht weiß, was er dem Gesandten der sächsischen Könige über Wighards Tod mitteilen soll.»

Fidelma zog eine Augenbraue hoch. «Sprecht Ihr von Puttoc?»

«Von Abt Puttoc», wies Gelasius sie mild zurecht und fügte hinzu: «Da er der persönliche Gesandte Oswius von Northumbrien ist, der als Führer aller sächsischen Königreiche gilt, muß ich Eure Frage beiahen.»

«Und Abt Puttoc hat zweifellos seine eigenen Gründe, eine rasche Entscheidung herbeizuführen», meinte Fidelma spöttisch lächelnd. «Womöglich hat er sich sogar selbst als Wighards Nachfolger vorgeschlagen.»

Gelasius wirkte überrascht, dann verzog sich sein Gesicht zu einem traurigen Lächeln. «Natürlich, Ihr habt mit dem Abt gesprochen. Ja, ich glaube, er hat angedeutet, er selbst sei der richtige Mann für das Amt des Erzbischofs von Canterbury. Seine Heiligkeit hat jedoch andere Vorstellungen. Abt Puttoc besitzt zuviel Ehrgeiz, was letztlich gegen ihn spricht. Noch vor zwei Tagen hat er Bedenken gegen Wighards Kandidatur erhoben, weil dieser früher verheiratet war und Kinder hatte.»

Eadulf und Fidelma wechselten erstaunte Blicke.

«Puttoc wollte Wighard mit dem Hinweis auf dessen Familie die Bischofsweihe streitig machen?» fragte Eadulf.

«So klar hat er es nicht ausgedrückt, aber seine Absicht war unmißverständlich. Wie Ihr wißt, darf in unserer Kirche ein Geistlicher vom Rang eines Abtes aufwärts nicht verheiratet sein. Auch geschlechtliche Beziehungen einfacher Geistlicher werden von Rom mißbilligt, obwohl sie nicht verboten sind. Jedenfalls hat Puttoc einen entsprechenden Einwand gegen Wighard erhoben, der aber sofort fallengelassen wurde, als sich herausstellte, daß Wighards Familie schon vor langer Zeit ums Leben gekommen ist. Allein daß er versucht hat, Wighard in ein schlechtes Licht zu setzten, läßt Puttocs Eignung für das Amt allerdings höchst fraglich erscheinen.»

«Dann gibt es also einen anderen Kandidaten?» fragte Fidelma.

«Seine Heiligkeit ist mit dieser Frage befaßt.»

Eadulf war erstaunt. «Ich dachte, es gäbe nur wenige Sachsen, die für das Amt in Canterbury die nötigen Voraussetzungen mitbringen?»

«Das ist allerdings wahr», stimmte Gelasius zu. «Seine Heiligkeit neigt deshalb auch zu der Ansicht, daß die Zeit nicht günstig dafür sei, Roms wichtigsten Stützpunkt in den sächsischen Königreichen in die Hände eines Sachsen zu legen.»

«Das wird auf Seiten der Sachsen sicherlich auf einigen Widerspruch stoßen», platzte Eadulf heraus.

Gelasius sah ihn mit ernster Miene an. «Gehorsam ist die oberste Glaubensregel», sagte er drohend. «Die sächsischen Königreiche müssen sich den Entscheidungen Roms widerstandslos beugen. Ich kann Euch im Augenblick nicht mehr verraten, aber, unter uns gesagt, könnt Ihr davon ausgehen, daß Abt Puttoc nicht in die engere Wahl gezogen wird. Vorerst muß dies jedoch noch ein Geheimnis bleiben.»

«Natürlich», lenkte Eadulf ein. «Ich habe bloß laut gedacht.» Dann hielt er inne und fügte hinzu: «Weiß Abt Puttoc von dieser Entscheidung?»

«Ich habe gesagt, daß die Sache unter uns bleiben soll. Puttoc wird davon erfahren, sobald die Zeit dafür gekommen ist.»

Als Eadulf zu einer weiteren Frage ansetzen wollte, brachte Fidelma ihn mit einem warnenden Seitenblick zum Schweigen.

«Das wichtigste ist jetzt erst einmal, den Mord an Wighard zweifelsfrei aufzuklären», fuhr Gelasius fort. «Und in dieser Frage zählen wir auf Euch ... beide!»

Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und verließ das Zimmer.

«Warum wolltet Ihr, daß ich über Puttoc schweige?» fragte Eadulf, als sie gegangen waren. «Ich wollte nur in Erfahrung bringen, ob er noch immer glaubt, Aussichten auf den Thron des Erzbischofs zu haben.»

«Wir müssen unsere Überlegungen für uns behalten. Wenn Puttoc tatsächlich so ehrgeizig ist .»

«. und wir wissen, daß Menschen schon aus sehr viel geringerem Ehrgeiz getötet haben . », ergänzte Eadulf.

«. müssen wir abwarten, bis er sich in der eigenen Schlinge fängt. Er darf von unserem Verdacht nichts erfahren.»

Eadulf zuckte die Achseln. «Eigentlich richtet sich mein Verdacht nur gegen Ronan Ragallach, und das Gespräch mit Schwester Eafa hat mich darin bestärkt. Wir können beweisen, daß Ronan in der Nacht vor dem Mord um das domus hospitale herumgeschlichen ist, am nächsten Morgen Erkundigungen über Wighard und sein Gefolge eingezogen hat und kurz nach der Entdeckung des Mordes bei der Flucht aus dem domus hospitale festgenommen wurde. Ist das nicht Beweis genug?»

«Nein», erwiderte Fidelma mit fester Stimme. «Ich brauche mehr als ein paar bruchstückhafte Indizien .»

Ein plötzliches Gähnen, das sie nicht unterdrücken konnte, beendete ihren Satz. Die Anstrengungen des langen, ereignisreichen Tages forderten nun ihren Tribut. Trotz des kurzen Nachmittagschlafes war sie völlig erschöpft, konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und hatte auch keinen Appetit auf den kleinen Imbiß, den Furius Licinius mitgebracht hatte.

«Ich fürchte, ich muß mich erst einmal hinlegen, Eadulf.» Fidelma unterdrückte ein weiteres Gähnen. «Ich schlage vor, wir treffen uns morgen vormittag wieder hier und gehen noch einmal alle bisherigen Hinweise durch.»

«Soll ich Euch zu Eurer Herberge begleiten?» fragte Eadulf.

Sie wollte gerade dankend ablehnen, als Furius Licinius, der junge custodes, in die Bresche sprang.