Выбрать главу

Gemeinsam gingen sie weiter zum domus hospitale.

Sie trafen Bruder Eanred, tief über einen Zuber gebeugt, im lavantur oder Waschhaus an. Als er sie kommen sah, zuckte er erschrocken zusammen, schrubbte aber gleich wieder auf dem dicken Woll-gewand herum, das er mit Wasser und Seife bearbeitete.

«Nun, Bruder Eanred», begrüßte ihn Fidelma. «Wie ich sehe, seid Ihr sehr fleißig.»

In einer seltsamen Geste der Mutlosigkeit hob der Mönch beide Schultern. «Ich wasche die Kleider meines Herrn.»

«Die von Abt Puttoc?» warf Eadulf für den Fall ein, daß Eanreds Antwort Fidelma zu einem Vortrag darüber reizen könnte, daß Gläubige nur einen Herrn kennen sollten, nämlich ihren Herrn im Himmel.

Eanred nickte.

«Wie lange seid Ihr schon mit der Wäsche beschäftigt?» fragte Fidelma.

«Seit ...» Eanred kniff die Augen zusammen, «seit dem Mittagsangelus, Schwester.»

«Und was habt Ihr davor getan?»

Eanred sah beunruhigt aus. Fidelma beschloß, ohne Umschweife zur Sache zu kommen. «Wart Ihr auf dem christlichen Friedhof am Metronia-Tor?»

«Ja, Schwester.» Eanreds schlichte Antwort klang aufrichtig.

«Und was habt Ihr dort gemacht?»

«Ich habe Abt Puttoc zum Friedhof begleitet.»

«Und warum seid Ihr beide dort hingegangen?» fragte Fidelma geduldig weiter.

«Um Wighards Grab zu besuchen und Vorkehrungen für die Errichtung eines Grabsteins zu treffen, Schwester.»

Fidelma preßte nachdenklich die Lippen zusammen. Seine Erklärung klang einleuchtend. Zwischen Puttoc, Eanred und den Arabern, die am Friedhof mit Ronan Ragallach verabredet gewesen waren, bestand anscheinend keinerlei Verbindung.

Sie bemerkte, daß Eanred sie mit seinen blaßbraunen Augen neugierig musterte. In seinem Blick lag eine seltsame Leere, der starre Ausdruck eines Einfaltspinsels, der zu gewitzter Täuschung gar nicht fähig war. Und doch ... Fidelma biß sich auf die Lippe. Es lag noch etwas anderes in diesem Blick. Besorgnis? Oder Beunruhigung?

Nicht ohne Mühe riß Fidelma sich von diesen Gedanken los. «Danke, Eanred. Beantwortet mir doch bitte noch eine andere Frage. Besitzt Ihr eine Tasche aus Sackleinen?»

«Nein, Schwester.» Der Mönch schüttelte den Kopf.

«Und habt Ihr, seitdem Ihr hier seid, eine Tasche aus Sackleinen benutzt?»

Eanred zuckte die Achseln und sah sie verständnislos an. Fidelma wurde klar, daß es sinnlos war, weiter nachzuhaken. Falls Eanred log, war er ein sehr guter Lügner.

Sie dankte ihm und verließ die lavantur, gefolgt von Eadulf und Licinius.

«Mit dieser Befragung habt Ihr wenig erreicht, Schwester», bemerkte der sächsische Mönch nicht ohne Mißbilligung. «Warum habt Ihr ihm die Tat nicht auf den Kopf zugesagt?»

Fidelma breitete die Arme aus. «Wenn man ein Bild malen will, Bruder Eadulf, muß man hier und dort ein wenig Farbe auftupfen. Der einzelne Pinselstrich bedeutet wenig. Erst wenn alle Striche getan sind, man einen Schritt zurücktritt und das Ganze betrachtet, zeichnen sich erste Umrisse ab, und man hat das Gefühl, tatsächlich etwas erreicht zu haben.»

Eadulf biß sich auf die Lippe. Er hatte das Gefühl, getadelt worden zu sein, ohne zu wissen, wofür. Fidelma besaß manchmal die ärgerliche Angewohnheit, in Rätseln zu sprechen. Eadulf seufzte. Wie alle ihre Landsleute liebte sie es, zu Symbolen, Anspielungen und Übertreibungen zu greifen.

In dem kleinen Innenhof angekommen, setzte sich Fidelma auf die kleine Steinbrüstung vor dem plätschernden Brunnen und hielt ihre schmale Hand in das kühle Wasser. Furius Licinius und Ea-dulf standen etwas verlegen daneben und warteten darauf, daß sie ihr Schweigen brach.

«Ah, Bruder Eadulf!»

Es war der herrische Tonfall Äbtissin Wulfruns, der plötzlich im Innenhof widerhallte. Im gleichen Moment erschien die hochgewachsene Äbtissin auch schon in der offenen Tür. Die Augen starr geradeaus gerichtet, rauschte sie auf sie zu wie ein Schiff unter vollen Segeln.

«Mylady», begrüßte sie Eadulf.

Ohne Fidelma und Furius Licinius überhaupt wahrzunehmen, wandte die Äbtissin sich an den sächsischen Mönch. Ihre Hand spielte mit dem Schal um ihren Hals. Fidelma beobachtete die unwillkürliche Geste und versuchte zu ergründen, warum sie das Gefühl hatte, daß mehr als eine bloße Marotte dahintersteckte.

«Ich wollte Euch nur mitteilen, daß ich und Schwester Eafa morgen nach Porto aufbrechen, um von dort aus mit dem Schiff die Rückreise nach Kent anzutreten. Wir haben wenig Grund, noch länger hierzubleiben. Ich habe einen Schiffer angeheuert, der uns den Tiber hinunterfahren wird. Als Sekretär unserer Gesandtschaft solltet Ihr das wissen.»

Sie wollte sich schon umdrehen, als Fidelma leise mahnte: «Das wird wohl kaum möglich sein, Äbtissin Wulfrun.»

Die Frau starrte sie haßerfüllt an. «Was habt Ihr gesagt?» keuchte sie.

Fidelma wiederholte ihre Worte.

«Ein irisches Mädchen will meine Bewegungsfreiheit einschränken? Daß ich nicht lache!»

«Darum geht es leider nicht», antwortete Fidelma ruhig. «Allerdings nehme ich an, daß Ihr weder Bischof Gelasius noch superista Marinus über Eure Absicht aufgeklärt habt?»

«Ich bin gerade auf dem Weg zu ihnen, um sie von meiner Abreise in Kenntnis zu setzen.»

«Dann könnt Ihr Euch die Mühe sparen. Bis unsere Ermittlungen über den Mord an Wighard nicht abgeschlossen sind, darf niemand, der zu Wighards Gefolge gehört, Rom verlassen.»

Mit zornigem Blick starrte Äbtissin Wulfrun auf Fidelma herab, die gelassen dasaß und noch immer eine Hand in das kühlende Wasser des Brunnens hielt. Die Empörung der Äbtissin von Sheppey schien sie nicht im geringsten zu beirren.

Eadulf nahm seinen Mut zusammen und schüttelte den Kopf. «Äbtissin Wulfrun, Fidelma von Kildare hat vollkommen recht. So ist es nun einmal geregelt.»

Die streitlustige Äbtissin bedachte ihn mit einem angewiderten Blick, als hätte sie ein ekelhaftes Getier vor sich. «Ich werde mit Bischof Gelasius darüber sprechen», fauchte sie ihn an.

«Das ist Euer gutes Recht», meinte Eadulf mit einem Nicken. «Aber ... aus reiner Neugier ... Hattet Ihr tatsächlich vor, die Rückreise nach Kent ganz allein anzutreten?»

«Warum sollten Schwester Eafa und ich nicht alleine reisen?»

«Aber Ihr müßt doch von den Gefahren gehört haben, die mit einer solchen Reise verbunden sind? In Massilia gibt es Banden, die alleinreisende Pilger, vor allem Frauen, überfallen und sie in die Sklaverei verschleppen. Viele von ihnen werden an die Bordelle der Germanen verkauft.»

Äbtissin Wulfrun sah ihn hochmütig an. «Sie würden es nicht wagen. Ich bin von königlichem Blut und .»

«Danach wird Euch niemand fragen», sagte Fidelma und erhob sich von der Brüstung. «Aber Ihr und Schwester Eafa werdet ohnehin so lange hierbleiben müssen, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind. Danach könnt Ihr reisen, wann und wohin Ihr wollt. In jedem Fall tätet Ihr aber gut daran, Bruder Eadulfs Ratschlag zu befolgen.»

Wenn Blicke töten könnten, hätten Wulfruns vernichtende Blicke Fidelma auf der Stelle niedergestreckt.

«Ihr solltet unsere Besorgnis nicht auf die leichte Schulter nehmen, Mylady», sagte Eadulf in dem Versuch, sie zu besänftigen. «Es ist besser zu warten, bis eine ganze Gruppe von Pilgern nach Kent oder in die anderen sächsischen Königreiche aufbricht, und sich ihnen anzuschließen.»

Äbtissin Wulfrun schnaubte verächtlich, wandte sich ohne ein weiteres Wort wütend um und schritt erhobenen Hauptes davon.

Fidelma kratzte sich am Kinn. «Schwester Eafa tut mir aufrichtig leid, weil sie einer so hochfahrenden Herrin dienen muß», sagte sie nicht zum ersten Mal. «Aber es ist verwunderlich, daß Äbtissin Wulfrun so darauf brennt, Rom zu verlassen, obwohl sie doch erst vor einer Woche angekommen ist.»