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«War das ein Araber?» wandte Fidelma sich an Furius Licinius.

Der tesserarius nickte mit finsterer Miene.

«Wenn zwischen Euren Völkern Krieg herrscht, warum erlaubt Ihr ihnen dann, sich in Rom niederzulassen?» fragte Eadulf.

«Im Krieg befindet sich Rom nur mit den Arabern, die dem neuen Propheten folgen», erklärte Li-cinius. «Es gibt viele Araber, die noch nicht zum neuen Glauben übergetreten sind. Mit diesen Kaufleuten aus dem Osten treiben wir seit vielen Jahren einen regen Handel, den im Grunde niemand missen will.»

Fidelma musterte das große Gebäude, in dem sich Puttoc und jetzt auch der Araber befanden. Es war eines der wenigen Steinhäuser in dieser Gegend und hatte zwei Stockwerke und Fenster mit dicken Holzläden, die alle geschlossen waren. Ehe sich das Elendsviertel rundherum ausgebreitet hatte, war es wahrscheinlich einmal die Villa eines wohlhabenden Römers gewesen.

«Kennt Ihr dieses Gebäude, Licinius?»

Der junge custos schüttelte den Kopf.

«Ich verkehre nicht in diesem Teil der Stadt, Schwester», sagte er, ein wenig gereizt wegen der Unterstellung, die er aus ihrer Frage herauszuhören glaubte.

«Darum geht es mir nicht», erwiderte Fidelma. «Mich interessiert, ob Ihr eine Vermutung habt, wofür das Gebäude genutzt wird - ob es den Kaufleuten gehört?»

Auch diese Frage konnte Furius Licinius nicht beantworten.

«Seht nur!» flüsterte Eadulf plötzlich.

Er deutete auf das ganz rechts gelegene Fenster im oberen Stockwerk des Gebäudes.

Es war eindeutig Abt Puttoc, der sich dort herauslehnte, um den Fensterladen aufzuschieben und Licht hereinzulassen. Gleich darauf verschwand er wieder in dem dahinterliegenden Zimmer.

«Zumindest wissen wir, in welchem Zimmer sich Abt Puttoc befindet», murmelte Fidelma.

«Und was machen wir jetzt?» fragte Licinius.

«Da Puttoc und der Araber im Haus sind, schlage ich vor, daß wir hineingehen und unseren Freund, den Abt von Stanggrund, zur Rede stellen.»

Furius Licinius grinste und klopfte zufrieden mit einer Hand auf sein gladius. Das war endlich ein Plan, der ihm gefiel und den er verstand - im Gegensatz zu dem ständigen Fragen und Grübeln.

Sie stiegen aus dem Wagen.

Licinius sah sich um und wandte sich an einen gefährlich wirkenden, pockennarbigen Mann, der gerade über die Straße kam. Er war stämmig - kein Mensch, mit dem man gerne Streit bekam.

«He, du da! Wie heißt du?»

Der Mann blieb erstaunt stehen. Es geschah nicht alle Tage, daß er von einem jungen Offizier der custodes angesprochen wurde.

«Ich heiße Nabor», knurrte er mit tiefer Stimme.

«Nun, Nabor», sagte Licinius, den das bedrohliche Äußere des Mannes offenbar nicht einschüchtern konnte. «Ich möchte, daß du das Pferd und den Wagen bewachst. Wenn ich zurückkomme und beides noch da ist, gebe ich dir einen sestertius. Wenn nicht, werde ich es dir mit meinem gladius heimzahlen.»

Die groben Züge des Mannes verzogen sich zu einem Grinsen. «Ein sestertius ist mir lieber als Euer gladius. Ich werde gut aufpassen.»

Die Aussicht auf einen so leicht verdienten Lohn ließ ihn zufrieden vor sich hinkichern. Beruhigt ließen Licinius, Fidelma und Eadulf ihn bei dem Wagen zurück.

Fidelma schenkte Licinius einen anerkennenden Blick. Der junge Soldat war manchmal äußerst geistesgegenwärtig. Daran, daß ein Wagen, den man in dieser Gegend unbewacht zurückließ, sofort verschwinden würde, hatte sie nicht gedacht.

Sie bahnten sich einen Weg durch die dichte Menschenmenge auf dem Marktplatz. Auf den Stufen des Steinhauses hielten sie noch einmal inne, um sich zu beraten.

«Wir gehen sofort zu dem Zimmer, in dem wir den Abt gesehen haben», sagte Fidelma. «Mit etwas Glück haben wir das Rätsel bald gelöst.»

Sie wandte sich um und schritt als erste durch die große Tür. Muffige, unheimliche Düsternis empfing sie, und sie mußte husten. Wegen der geschlossenen Fensterläden war es stockfinster, nur eine einzige Kerze flackerte auf einem kleinen Tisch. Mehrere Räucherlampen verbreiteten einen aufdringlichen Duft, der ihr fast den Atem nahm.

Als eine Holzdiele knarrte, wandte sich Fidelma rasch um. In einem offenen Torbogen erschien eine große, rundgesichtige Frau und wischte sich die Hände an ihrer kurzen Schürze ab. Sie trug ein Kleid aus grobem Leinen. Ihr Haar war wirr und ungekämmt. Überrascht musterte sie die geistliche Tracht der Eindringlinge.

«Was zum Teufel wollt Ihr hier?» keifte sie streitlustig. «Leute Eures Standes sind hier nicht willkommen.»

«Wir wollen ins obere Stockwerk», entgegnete Fidelma und trat auf sie zu.

Zu ihrem Erstaunen stieß die Frau ein heiseres Kreischen aus und stürzte sich mit wild fuchtelnden Händen auf die irische Nonne. Doch Fidelma brauchte nur wenige Augenblicke, um sich von dem ersten Schock zu erholen. Ohne auf Licinius’ Warnschrei zu achten, streckte sie die Arme aus, um den zweiten Angriff der Frau abzuwehren. Licinius und Eadulf sahen entgeistert zu, wie Fidelma die Frau geschickt an den Schultern packte. Da die Angreiferin nicht mehr innehalten konnte, wurde sie zurückgestoßen und prallte mit einem dumpfen Geräusch gegen die Wand.

Dennoch behielt die kräftige Frau ihr Gleichgewicht, wandte sich verblüfft zu Fidelma um, schüttelte den Kopf und knurrte:

«Verdammtes Miststück!»

Mit gezücktem gladius trat Licinius vor, aber Fidelma hielt ihn zurück und stellte sich der Tobenden entgegen. Wieder schien es, als streckte sie nur die Hände aus, als sie ihre Gegnerin an den wild fuchtelnden Armen packte, hochhob und über die Hüfte warf. Die Frau wurde quer durch den Raum geschleudert, wo sie sich den Kopf an einem Holzpfosten stieß und besinnungslos zu Boden sank.

Rasch beugte sich Fidelma über die Frau, fühlte ihr den Puls und untersuchte die Kopfwunde.

«Sie wird es überstehen», verkündete sie und richtete sich erleichtert wieder auf.

Furius Licinius strahlte sie bewundernd an. «Wahrhaftig, ich habe kaum einen römischen Soldaten gesehen, der sich im Nahkampf besser behauptet hätte», sagte er. «Wie habt Ihr das gemacht?»

«Das ist nichts Besonderes», winkte Fidelma ab. «Die gelehrten Männer, die früher durch mein Heimatland reisten, um die uralten Philosophien unseres Volkes zu verbreiten, wurden auf den Landstraßen von Räubern und Dieben überfallen. Da sie es jedoch aus Überzeugung ablehnten, Waffen zu tragen, waren sie gezwungen, eine Kunst zu entwickeln, die sie troidsciathaigid nannten -Kampf durch Verteidigung. Ich lernte diese Selbstverteidigung ohne Waffen schon in sehr jungen Jahren. Auch für viele unserer Missionare gehört sie ganz selbstverständlich zur Ausbildung.»

Gefolgt von Licinius und Eadulf, ging Fidelma durch die nächste Tür, hinter der sich eine Treppe befand. Auf der untersten Stufe blieb Fidelma stehen und lauschte angestrengt. Sie hörte Stimmen und das Lachen junger Mädchen. Ansonsten war es im Haus vollkommen still. Außer der Frau hatte niemand ihr Eindringen bemerkt. Sie drehte sich um und flüsterte: «In das Zimmer ganz rechts im oberen Stock! Kommt schnell!»

Sie liefen die Stufen hinauf und gelangten in einen langen Korridor. Es war nicht schwer, die Tür des Zimmers zu finden, an dessen Fenster sie Put-toc gesehen hatten.

Vor der Tür hielt Fidelma noch einmal inne, um zu lauschen. Wieder drang das Gelächter junger Mädchen an ihr Ohr. Sie nickte ihren Gefährten zu, drehte vorsichtig den Türknauf herum und schob die Tür auf.

Nicht einmal Fidelma hätte mit diesem Anblick gerechnet.

Im Zimmer war es hell, da Abt Puttoc - wie zuvor beobachtet - einen der Fensterläden aufgeschoben hatte, um das Tageslicht hereinzulassen. In einer Ecke stand ein großes Bett mit frischen, jedoch abgenützten Laken. An der Wand waren ein paar Stühle aufgereiht. Das einzige andere Möbelstück war eine große Holzwanne, vor der mehrere leere Eimer standen. Das heiße Wasser, mit dem sie gefüllt gewesen waren, dampfte jetzt in der dickbauchigen Wanne.