»Die Bank setzt eine Belohnung von fünfzigtausend Dollar aus«, sagte der Würdige.
»Hongkong oder US?« sagte Luke, während er weiterschrieb.
Der Würdige sagte »Hongkong« - sehr scharf.
»Macht mal halblang, ihr Jungens«, warnte der Rocker. »Er hat eine kranke Frau im Stanley Hospital, und er hat Kinder - «
»Und die Bank hat einen Ruf zu verlieren«, sagte der Würdige.
»Das soll unsere vornehmste Sorge sein«, sagte Luke.
Eine halbe Stunde danach gingen sie, vom Feld war noch immer nichts zu sehen.
»Danke«, sagte Luke zum Superintendent.
»Keine Ursache«, sagte der Rocker. Sein hängendes Augenlid tränte, wie Jerry feststellte, sobald er müde war.
Wir haben den Baum geschüttelt, dachte Jerry, als sie wegfuhren.
Junge, Junge, und wie wir ihn geschüttelt haben!
Sie saßen wieder in der gleichen Haltung da, Smiley an seinem Schreibtisch, Connie im Rollstuhl, di Salis in die Betrachtung der trägen Rauchkringel aus seiner Pfeife vertieft. Guillam stand neben Smiley; das Krächzen von Martellos Stimme klang ihm noch in den Ohren. Smiley allerdings polierte jetzt mit leicht kreisenden Daumenbewegungen seine Brille am Krawattenzipfel, di Salis, der Jesuit, sprach als erster. Vielleicht hatte er am meisten zu verdrängen. »Es führt keinerlei logische Verbindung von diesem Unfall zu uns. Frost war ein Libertin. Er hielt sich chinesische Frauen. Er war eindeutig korrupt. Er nahm unser Bestechungsgeld ohne weiteres an. Weiß der Himmel, was er bereits früher an Bestechungsgeldern kassierte. Mir kann man nichts vorwerfen.«
»Ach Quatsch«, brummte Connie. Sie saß ausdruckslos da, und der Hund lag schlafend auf ihrem Schoß. Sie wärmte sich die verkrüppelten Hände an seinem braunen Rücken. Im Hintergrund goß der dunkle Fawn Tee ein.
Smiley sprach zu dem Telegrammformular. Niemand hatte sein Gesicht gesehen, seit er sich zum erstenmal vorgebeugt hatte, um die Meldung zu lesen.
»Connie, wir müssen rechnen«, sagte er.
»Ja, Lieber.«
»Wer weiß außerhalb dieser vier Wände, daß wir Frost einschalteten?«
»Craw, Westerby, Craws Polizist. Und wenn sie ein bißchen Grütze im Kopf haben, müßten die Vettern es erraten haben.«
»Nicht Lacon, nicht Whitehall.«
»Und nicht Karla, Lieber«, erklärte'Connie mit einem scharfen Blick hinüber zu dem trüben Porträt.
»Nein. Karla nicht. Das glaube ich.« An seiner Stimme konnten sie spüren, wie mühsam der Verstand den Gefühlen seinen Willen aufzwang. »Für Karla würde es eine weit übertriebene Reaktion sein. Wenn ein Bankkonto auffliegt, so braucht er nur irgendwo anders ein neues zu eröffnen. Er hat so etwas nicht nötig.« Mit den Fingerspitzen schob er das Telegrammformular genau einen Zoll weit auf der Glasplatte nach oben. »Die Aktion gelang, wie sie geplant war. Die Reaktion war einfach -.« Er begann von neuem. »Die Reaktion war mehr, als wir erwarteten. Operativ gesehen ist nichts schiefgelaufen. Operativ haben wir den Fall gefördert.«
»Wir haben sie rausgelockt, Lieber«, sagte Connie entschieden, di Salis ging nun vollends in die Luft. »Ich verbitte mir, daß hier gesprochen wird, als wären wir alle Komplizen. Es besteht keine nachgewiesene Verbindung, und ich betrachte Ihre Unterstellung einer Verbindung als böswillig.« Smileys Erwiderung blieb neutral.
»Ich würde es als Unterstellung betrachten, wenn ich etwas anderes vorbrächte. Ich habe diese Initiative angeordnet. Ich verschließe die Augen nicht vor den Folgen, nur weil sie unerfreulich sind. Schreiben Sie's auf meine Rechnung. Aber wir wollen uns nicht selber betrügen.«
»Der arme Teufel wußte nicht genug, wie?« überlegte Connie anscheinend im Selbstgespräch. Zuerst griff niemand den Gedanken auf, dann wollte Guillam wissen, was sie damit sagen wolle. »Frost hatte nichts zu verraten, darling«, erklärte sie. »Das ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Was konnte er ihnen geben? Einen übereifrigen Journalisten namens Westerby. Das hatten sie bereits, die armen Lieben. Also machten sie natürlich weiter. Und immer weiter.« Sie wandte sich Smiley zu. Er warder einzige, der soviel Historie mit ihr geteilt hatte. »Wir hatten es uns zur Regel gemacht, erinnern Sie sich, George, wenn die Jungens und Mädels rausgingen. Wir gaben ihnen immer etwas mit, das sie gestehen konnten, die Armen.« Mit liebevoller Behutsamkeit setzte Fawn einen Pappbecher voll Tee, mit einer Zitronenscheibe darin, auf Smileys Schreibtisch ab. Sein Totenschädelgrinsen löste Guillams unterdrückte Wut aus: »Wenn Sie mit Austeilen fertig sind, dann raus!« zischte er Fawn ins Ohr. Immer noch feixend ging Fawn hinaus. »Was mag jetzt in Ko vorgehen?« fragte Smiley, immer noch an das Telegrammformular gerichtet. Er hatte die Finger unterm Kinn verschränkt wie ein Betender.
»Geht der Arsch mit Grundeis«, erklärte Connie zuversichtlich. »Fleet Street auf dem Kriegspfad, Frost tot, und er selber keinen Schritt weiter.«
»Ja. Ja, er dürfte unsicher sein. >Kann er den Damm halten? Kann er die undichten Stellen verstopfen? Wo sind überhaupt die undichten Stellen?< . . . Genau das wollten wir. Wir haben es bekommen.« Er machte eine winzige Bewegung mit dem gesenkten Kopf in Richtung auf Guillam. »Peter, würden Sie die Vettern bitten, sie möchten Tius Überwachung verstärken. Aber nur statische Observierung, bitte sagen Sie ihnen das. Keine Beschattung auf der Straße, nichts von dergleichen Unfug, das Wild darf nicht verschreckt werden. Telefon, Post, nur diese einfachen Sachen. Doc, wann reiste Tiu zum letztenmal aufs Festland?« Mißmutig nannte di Salis ein Datum.
»Stellen Sie fest, welche Route er nahm und wo er sein Billett gekauft hat. Für den Fall, daß er es wieder macht.«
»Steht bereits in den Akten«, gab di Salis finster zurück, setzte ein höchst unschönes Hohnlächeln auf, blickte gen Himmel und verzog Lippen und Schultern.
»Dann seien Sie doch so freundlich, es für mich noch eigens herauszuschreiben«, erwiderte Smiley mit unerschütterlicher Langmut. »Westerby«, fuhr er mit der gleichen tonlosen Stimme fort, und Guillam hatte einen Moment lang das schwindelerregende Gefühl, Smiley leide an einer Art Halluzination und glaube Jerry hier im Büro, damit er wie alle anderen seine Befehle entgegennehme, »ziehe ich ab - das kann ich. Seine Zeitung ruft ihn zurück, was spricht dagegen? Was dann? Ko wartet. Er lauscht. Er hört nichts. Und er atmet auf.«
»Und auftreten unsere Rauschgifthelden«, sagte Guillam mit einem Blick auf den Kalender. »Sol Ecklands großer Tag.«
»Oder ich ziehe ihn ab und ersetze ihn, und ein anderer Außenmann übernimmt die Spur. Wäre er weniger gefährdet, als Westerby es jetzt ist?«
»Klappt nie«, murmelte Connie. »Die Pferde wechseln. Niemals. Und Sie wissen es. Instruktion, Training, andere Gangart, andere Verbindungen. Niemals.«
»Ich sehe gar nicht ein, wieso er gefährdet ist!« rief di Salis schrill. Guillam fuhr zornig herum und machte Miene, ihm eine zu verpassen, aber Smileys nächste Frage kam ihm zuvor. »Warum nicht, Doc?«