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»Welche Rolle spielen die Überseechinesen?« fragte Jerry. »In Hongkong hat kein Mensch von dieser Gegend gehört.«

»Die Chinesen kontrollieren achtzig Prozent unseres Handels, wozu auch die Fluggesellschaften gehören. Die alten oder neuen. Der Kambodschaner ist faul, wissen Sie, hon? Der Kambodschaner begnügt sich mit seinem Profit aus der amerikanischen Unterstützung. Der Chinese ist anders. Und wie, Sire. Chinese arbeitet gern, Chinese läßt sein Geld gern rollen. Sie bestimmen unseren Geldmarkt, unser Transportmonopol, unsere Inflationsrate, unsere Belagerungswirtschaft. Der Krieg ist allmählich hundertprozentig von Hongkong abhängig. He, Westerby, haben Sie noch die Frau, von der Sie mir erzählten, die Niedliche mit den Augen?«

»Ausgerückt«, sagte Jerry.

»Schade, hat sich großartig angehört. Er hat eine großartige Frau gehabt«, sagte Keller. »Und Sie?« fragte Jerry.

Keller schüttelte den Kopf und lächelte das Mädchen an. »Was dagegen, wenn ich rauche, hon?« fragte er munter. In Kellers zusammengeschweißter Pfote war ein Loch, das aussah wie eigens gebohrt, damit man eine Zigarette hineinstecken konnte, und der Rand war braun von Nikotin. Keller legte die gute Hand wieder auf ihren Schenkel. Die Straße wurde zur Wagenspur und wies tiefe Furchen auf, wo die Konvois darübergefahren waren. Sie kamen in einen kurzen Baumtunnel, und in diesem Moment brach zu ihrer Rechten Granatfeuer aus wie ein Gewitter, und die Bäume bogen sich wie Bäume in einem Taifun. »Toll«, schrie das Mädchen. »Können wir ein bißchen langsamer fahren?« Und schon zerrte sie an den Riemen ihrer Kamera. »Bedienen Sie sich. Mittelschwere Artillerie«, sagte Keller. »Unsere«, fügteer als Scherz hinzu. Das Mädchen ließ das Fenster herunter und schoß ihren Film ab. Das Sperrfeuer ging weiter, die Bäume tanzten, aber die Bauern im Reisfeld hoben nicht einmal die Köpfe. Als die Kanonade aufhörte, bimmelten die Glocken der Wasserbüffel wie ein Echo weiter. Sie setzten ihre Fahrt fort. Am diesseitigen Flußufer hatten zwei Kinder ein altes Rad, auf dem sie abwechselnd fuhren. Im Wasser tauchte ein Schwarm von Knirpsen in eine Kanalisationsröhre und wieder heraus, ihre braunen Körper glänzten. Das Mädchen fotografierte auch sie. »Sprechen Sie noch französisch, Westerby? Ich und Westerby haben früher mal einiges zusammen im Kongo erlebt, wissen Sie, honey«, erklärte er dem Mädchen. »Hab'6 gehört«, sagte sie bewandert.

»Die-Insulaner werden gebildet.« Jerry hatte ihn nicht so gesprächig in Erinnerung. »Sie werden kultiviert. Stimmt's, Westerby? Besonders die Lords, stimmt's? Westerby ist so eine Art Lord.«

»So sind wir, altes Haus, Gelehrte bis zum letzten Mann. Nicht wie ihr Hinterwäldler.«

»Dann sprechen Sie mit dem Fahrer, ja? Wir haben Anweisungen für ihn, Sie besorgen das Sprechen. Er hat noch keine Zeit gehabt, englisch zu lernen. Jetzt links.«

»A gauche«, sagte Jerry.

Der Fahrer war ein Junge, aber bereits so blasiert wie ein alter Fremdenführer.

Jerry sah im Spiegel, daß Kellers verbrannte Hand zitterte, wenn er an der Zigarette zog. Er fragte sich, ob das immer so war. Sie kamen durch einige Dörfer. Es war sehr still. Er dachte an Lizzie und die Krallenspuren an ihrem Kinn. Er sehnte sich danach, etwas Einfaches mit ihr zu unternehmen, wie einen Spaziergang durch englische Felder. Craw sagte, sie sei eine Vorstadtpflanze. Es rührte ihn, daß sie von Pferden träumte. »Westerby?«

»Ja, altes Haus?«

»Diese Sache da mit Ihren Fingern. Daß Sie dauernd trommeln. Könnten Sie's vielleicht lassen? Macht mich verrückt. Irgendwie bedrückend. Seit Jahren ballern sie auf diese Gegend ein, hon«, sagte Keller mitteilsam. »Seit Jahren.« Er stieß einen Schwall Zigarettenrauch aus.

»Was diese Fluglinien betrifft«, warf Jerry ein und hatte wieder den Stift gezückt. »Wie geht das rechnerisch auf?«

»Die meisten Gesellschaften übernehmen Charterflüge aus Vientiane. Wartung, Piloten, Wertminderung, alles inbegriffen, außer Treibstoff. Vielleicht wußten Sie das. Am besten ist es, wenn man sein eigenes Flugzeug hat. Dann hat man beides. Man holt das Letzte aus dem Belagerungsgebiet heraus und kann abhauen, wenn das Ende kommt. Halten Sie nach den Kindern Ausschau, hon«, belehrte er das Mädchen und zog wieder an seiner Zigarette. »Solange die Kinder um den Weg sind, ist alles in Ordnung. Wenn die Kinder verschwinden, wird's mulmig. Bedeutet, daß sie sie versteckt haben. Immer nach den Kindern Ausschau halten.«

Das Mädchen Lorraine fummelte wieder an der Kamera herum.

Sie waren zu einem rudimentären Checkpoint gekommen. Ein paar Posten linsten in den Wagen, als sie durchfuhren, aber der Chauffeur verlangsamte nicht einmal das Tempo. Dann kamen sie zu einer Gabelung, und der Fahrer hielt an.

»Den Fluß«, befahl Keller. »Sagen Sie ihm, er soll sich am Ufer halten.«

Jerry sagte es ihm. Der Junge schien erstaunt: schien sogar drauf und dran, einen Einwand zu machen, überlegte es sich aber anders. »Kinder in den Dörfern«, sagte Keller, »Kinder an der Front. Kein Unterschied. Kinder sind überall Wetterfahnen. Die Khmer-Soldaten nehmen ganz selbstverständlich ihre Familien mit in den Krieg. Wenn der Vater stirbt, hat die Familie ohnehin nichts mehr, also können sie ebensogut mit den Soldaten ziehen, wo es zu essen gibt. Und noch was, hon, noch was: die Witwen müssen an Ort und Stelle sein, damit sie den Tod des Ernährers bezeugen können. Das ist doch eine Sache von menschlichem Interesse für Sie, nicht wahr, Westerby? Wenn sie es nicht bezeugen können, wird der kommandierende Offizier es leugnen und sich den Sold des Mannes unter den Nagel reißen. Bedienen Sie sich«, sagte er, als sie schrieb. »Aber glauben Sie nicht, daß irgendwer es drucken wird. Dieser Krieg ist vorbei. Stimmt's, Westerby?«

»Finito«, bestätigte Jerry.

Sie würde Spaß haben, dachte er. Wenn Lizzie hier wäre, würde sie bestimmt etwas Lustiges sehen und darüber lachen. Irgendwo unter allen ihren Fälschungen, vermutete er, mußte ein Original versteckt sein, und es war seine feste Absicht, es aufzufinden. Der Fahrer hielt neben einer alten Frau an und fragte sie etwas in Khmer, aber sie barg das Gesicht in den Händen und wandte den Kopf ab.

»Warum hat sie das getan, um Gottes willen?« rief das Mädchen ärgerlich. »Wir wollten ihr nichts Böses. Herrje!«

»Scheu«, sagte Keller mit tonloser Stimme. Hinter ihnen feuerte die Artilleriesperre eine weitere Salve ab, und es war, als schlüge eine Tür zu und versperrte ihnen den Rückweg. Sie kamen an einem wat vorüber und auf einen von Holzhäusern umstandenen Marktplatz. Safrangelb gekleidete Mönche starrten sie an, aber die Mädchen an den Marktständen nahmen keine Notiz von ihnen, und die kleinen Kinder Spieker weiter mit den Zwerghühnern.

»Wozu war vorhin der Checkpoint?« fragte das Mädchen, während sie fotografierte. »Sind wir jetzt in einer Gefahrenzone?«

»Kommt bald, hon, kommt bald. Jetzt halt die Klappe.« Vor ihnen konnte Jerry den Klang automatischer Feuerwaffen hören, M16 und AK 47 gemischt. Aus den Bäumen raste ein Jeep auf sie zu und schwenkte in der letzten Sekunde so jäh ab, daß er über die Wegfurchen rumpelte und stolperte. Im gleichen Augenblick erlosch das Sonnenlicht. Bis jetzt hatten sie es als ihr gutes Recht angesehen, ein flüssiges lebhaftes Licht, das die Regenschauer reingewaschen hatten. Es war März, die Trockenzeit; und sie waren in Kambodscha, wo der Krieg, wie ein Kricketmatch, nur bei ordentlichem Wetter stattfand. Aber jetzt ballten sich schwarze Wolken, die Bäume schlossen sich ringsum wie im Winter, und die Holzhütten wichen ins Dunkel. »Wie kleiden sich die Roten Khmer?« fragte das Mädchen mit ruhigerer Stimme. »Haben sie Uniformen!«