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Der Schweiß war. ihm ausgebrochen. Die Nachtluft hatte keine kühlende Wirkung. Das Dunkel war genauso heiß wie der Tag. Vor ihm in der Stadt schlug ziellos eine verirrte Rakete ein, dann folgten zwei. Sie kriechen über die Reisfelder, bis sie auf Schußweite heran sind, dachte er. Sie liegen in ihrem Versteck, ihr Stückchen Rohr und ihr Bömbchen fest an sich gepreßt, dann werfen sie und rasen wie irre in den Dschungel. Der Palast lag nun hinter ihm. Eine Batterie feuerte eine Salve ab, und ein paar Sekunden lang konnte er im Aufblitzen seinen Weg erkennen. Die Straße war breit, ein Boulevard, und er hielt sich möglichst in der Mitte der Fahrbahn. In regelmäßigen Abständen sah er die Öffnung der einmündenden Straßen. Wenn er sich bückte, konnte er sogar die Baumwipfel in den blassen Himmel entweichen sehen. Einmal kam eine Rikscha nervös aus der Kurve geschwankt, stieß an den Bordstein, fing sich wieder und klapperte vorüber. Er dachte schon daran, sie anzurufen, marschierte aber doch lieber zu Fuß weiter. Eine männliche Stimme grüßte ihn unschlüssig aus dem Dunkeln - ein Flüstern, nichts Aufdringliches: »Bon soir! Monsieur? Bon soir?«

Die Posten standen alle hundert Meter allein oder zu zweien und hielten ihre Karabiner in beiden Händen. Ihr Gemurmel erreichte ihn wie Aufforderungen, aber Jerry achtete stets darauf, die Hände weit weg von den Taschen zu halten, so daß die Posten sie sehen konnten. Manche lachten beim Anblick des riesigen schwitzenden Rundauges und winkten ihn weiter. Andere hielten ihn mit vorgehaltener Pistole an und blickten beim Schein von Fahrradlampen ernst zu ihm auf, während sie ihm Fragen stellten, um sich im Französischen zu üben. Einige forderten Zigaretten, und er gab sie ihnen. Er zerrte das durchweichte Jackett herunter und riß das Hemd bis zur Taille auf, aber noch immer wollte die Luft ihn nicht abkühlen und wieder dachte er, ob er vielleicht Fieber habe und ob er, wie letzte Nacht in Bangkok, in seinem Schlafzimmer erwachen und im Dunkeln kauernd darauf warten würde, jemandem mit einer Tischlampe den Schädel einzuschlagen.

Der Mond schien, vom Schaum der Regenwolken angeleckt. In seinem Licht glich das Hotel einer verrammelten Festung. Er kam zur Gartenmauer und folgte ihr nach links den Bäumen entlang, bis sie wiederum eine Biegung machte. Er warf sein Jackett über die Mauer und kletterte mühsam hinterher. Er überquerte den Rasen bis zur Treppe, drückte die Tür zur Halle auf und fuhr mit einem erstickten Ausruf des Ekels zurück. Die Halle war pechschwarz, nur ein einzelner Mondstrahl richtete sich wie ein Punktstrahler auf eine riesige helle Insektenpuppe, die sich um die nackte braune Larve eines menschlichen Körpers spann. » Vous desirez, monsieur?« fragte eine Stimme leise.

Es war der Nachtwächter, der in seiner Hängematte unter einem Moskitonetz schlief.

Der Junge übergab ihm einen Schlüssel und einen Zettel und nahm schweigend sein Trinkgeld entgegen. Jerry ließ sein Feuerzeug aufleuchten und las den Zetteclass="underline" »Darling, ich bin in Zimmer achtundzwanzig und sehr einsam. Erwarte Sie. L.« Warum zum Teufel eigentlich nicht? dachte er: Vielleicht kommt dadurch alles wieder ins Lot. Er stieg die Treppe zum zweiten Stock hinauf, vergaß die furchtbare Banalität des Mädchens, dachte nur an ihre langen Beine und der schlanken Körper, als sie über die Wagenfurchen das Flußufer entlangbalanciert war; an ihre kornblumenblauen Augen und die typisch amerikanische Gelassenheit, als sie in dem Schützenloch gelegen hatte; dachte nur an sein Sehnen nach einer menschlichen Berührung. Wer schert sich einen Deut um Keller? dachte er. Einen anderen Körper an sich pressen, heißt, am Leben sein. Vielleicht hatte sie auch Angst? Er klopfte an die Tür, wartete, öffnete sie behutsam. »Lorraine? Ich bin's. Westerby.«

Nichts tat sich. Er tappte zum Bett, bemerkte das Fehlen eines jeden weiblichen Geruchs, sogar von Gesichtspuder und Deodorant. Auf halbem Weg zeigte ihm das gleiche Mondlicht den erschreckend vertrauten Anblick von Jeans, einem Paar schwerer Kommißstiefel und einer ramponierten Olivetti-Reiseschreibmaschine, nicht unähnlich seiner eigenen.

»Noch einen Schritt näher, und es ist versuchte Notzucht«, sagte Luke und entkorkte die Flasche auf seinem Nachttisch.

 

Charlie Marshalls Freunde

Jerry hatte die Nacht auf Lukes Fußboden verbracht und machte sich vor Tagesanbruch davon. Er nahm seine Schreibmaschine und die Schultertasche mit, obgleich er überzeugt war, keines von beidem zu benötigen. Er ließ einen Zettel zurück, auf dem er Keller bat, an Stubbs zu drahten, daß er die Story über den Belagerungszustand draußen in der Provinz weiter verfolge. Sein Rücken schmerzte vom Fußboden, und sein Kopf von der Flasche. Luke war wegen der Päng-Pängs, wie er sagte, gekommen, nachdem sein Büro ihm eine Pause von Big Moo eingeräumt hatte. Außerdem hatte Jake Chiu, sein erboster Hauswirt, ihn endgültig aus der Wohnung geworfen.

»Ich bin obdachlos, Westerby!« hatte er gerufen und angefangen, laut zu jammern: »Obdachlos!«, bis Jerry, um sich ein bißchen Schlaf zu erkaufen, und das Klopfen der Nachbarn zum Schweigen zu bringen, seinen zweiten Wohnungsschlüssel vom Ring nestelte und ihn Luke zuwarf.

»Bis ich wieder da bin«, warnte er. »Dann raus. Verstanden?« Jerry fragte nach dem Fall Frost. Luke hatte alles vergessen und mußte erst erinnert werden. Ach der, sagte er. Der. Tja, also, es gingen Gerüchte um, Frost habe sich mit den Triaden angelegt, und vielleicht stelle sich in hundert Jahren heraus, daß dem wirklich so war, aber wen kümmere das heute? Aber nicht einmal dann konnte er so ohne weiteres schlafen. Sie hatten die Pläne für den. heutigen Tag besprochen. Luke wollte alles tun, was Jerry tat. Allein sterben sei langweilig, behauptete er. Am besten würden sie sich betrinken und sich ein paar Huren suchen. Jerry hatte erwidert, Luke werde noch eine Weile warten müssen, ehe sie beide gemeinsam in ihr letztes Abendrot marschierten, denn er wolle den Tag über Fischen gehen, und zwar allein.

»Wonach fischen, zum Teufel? Wenn's eine Story ist, dann teilen Sie. Wer hat Ihnen Frost gegeben, gratis und franko? Wohin können Sie gehen, wo's nicht unendlich schöner wäre., wenn Bruder Luke dabei ist?«

So ziemlich überall hin, hatte Jerry unfreundlich erwidert, und war jetzt aus dem Zimmer geschlichen, ohne ihn aufzuwecken. Als erstes begab er sich zum Markt; schlürfte eine soupe chinoise und musterte eingehend die Verkaufsstände und Ladenfronten. Er entschloß sich für einen jungen Inder, der ausschließlich Plastikeimer, Wasserflaschen und Besen zu verkaufen hatte und dennoch dabei gute Geschäfte zu machen schien, nach seinem Aussehen zu schließen.