Выбрать главу

»Die Roten Khmer haben das Munitionsdepot auf dem Flugplatz getroffen. Die Stadt ist mindestens bis morgen geschlossen.« Wieder begann der Lautsprecher zu schnattern. Die beiden Priester lauschten. Der Missionar beugte sich fast bis zum Boden, um die undeutliche Übersetzung zu verstehen. »Kann sein, daß sie großen Schaden angerichtet und bereits ein halbes Dutzend Flugzeuge zerstört haben. O ja! Der ganze Betrieb stockt. Die Behörden vermuten auch Sabotage. Vielleicht nehmen sie auch einige Gefangene. Hören Sie, warum wird überhaupt in einem Flughafen Munition gelagert? Das war höchst gefährlich. Was ist hierfür ein Grund?«

»Ausgezeichnete Frage«, pflichtete Jerry bei. Er bahnte sich einen Weg durch die Halle. Sein Plan Nummer eins war bereits gestorben, was seinen Plänen Nummer eins meist passierte. Vor der Tür »Nur für Besatzung« standen zwei furchterregende Gestalten Posten, und in dieser Atmosphäre sah Jerry keine Chance, sich mit einem Trick durchzumogeln. Die Menge schob in Richtung Fluggastausgang, wo das abgekämpfte Bodenpersonal sich weigerte, die Bord-Tickets anzuerkennen und abgekämpften Polizisten Passierscheine vorgewiesen wurden, die dem prominenten Inhaber den Kontakt mit der Polizei hätte ersparen sollen.

An den Rändern zeterte ein Team französischer Geschäftsleute nach Rückerstattung des Flugpreises, und die Älteren richteten sich bereits auf eine Übernachtung ein. Der Hauptstrom schob und spähte und tauschte immer neue Gerüchte aus, und in seinem Sog wurde Jerry stetig nach vorn getragen. Als er an der improvisierten Barriere angelangt war, zückte er seine Telegrammkarte und kletterte hinüber. Der schmucke Polizeioffizier wahrte Abstand und beobachtete Jerry geringschätzig, während seine Untergebenen sich abmühten. Jerry, der den Riemen der Schultertasche ums Handgelenk geschlungen hatte, schritt geradewegs auf ihn zu und hielt ihm die Telegrammkarte unter die Nase.

»Securite americaine«, donnerte er in grauenhaftem Französisch, kläffte den beiden Männern an den Schwingtüren irgend etwas zu, und schon war er draußen auf dem Flugfeld und marschierte unverwandt weiter, obwohl es in seinem Rücken prickelte und er die ganze Zeit über einen Anruf oder einen Warnschuß erwartete oder - in dieser scharfgeladenen Atmosphäre - einen Schuß, der keine Warnung mehr war. Er stapfte zornig, mit derber Bestimmtheit dahin und schwang, nach bester Sarratt-Manier, die Schultertasche zwecks Ablenkung. Vor ihm - sechzig Yards, bald fünfzig - stand eine Reihe einmotoriger Militär-Übungsmaschinen ohne Abzeichen. Dahinter befanden sich auf dem eingezäunten Platz die Lagerschuppen, numeriert von neun bis achtzehn, und hinter den Lagerschuppen sah Jerry Hangars, Abstellplätze und Verbotstafeln in praktisch jeder Sprache außer der chinesischen. Als Jerry bei den Übungsmaschinen angelangt war, schritt er die Front wie bei einer Parade ab. Sie waren mit Drahtseilen und Ziegelsteinen verankert. Er verhielt den Schritt, ohne jedoch stehenzubleiben, trat mit dem Wildlederstiefel unwillig gegen einen Ziegelstein, ruckte an einer Tragfläche und schüttelte den Kopf. Die Bedienung eines Flakgeschützes sah ihm von ihrer mit Sandsäcken umhegten Stellung aus gleichmütig zu. »Qu'est-ce que vous faites?«

Jerry wandte den Kopf und legte die Hände trichterförmig vor den Mund. »Dorf solltet ihr raufglotzen, verdammt nochmal!« schrie er zurück, wies erzürnt zum Himmel und ging weiter, bis er vor der hohen Umzäunung anlangte. Das Tor war offen, und die Schuppen lagen vor ihm. Sobald er an ihnen vorbei sein würde, könnte man ihn weder vom Flughafengebäude noch vom Kontrollturm aus mehr sehen. Er marschierte über geborstenen Beton, in dessen Sprüngen Queckengras wuchs. Kein Mensch weit und breit. Die Schuppen waren aus Teerpappe, dreißig Fuß lang, zehn hoch, mit Palmdächern. Er kam beim ersten an. Auf der Fensterverschalung stand: »Splitterbomben, ohne Zünder«. Ein Trampelpfad führte hinüber zu den Hangars. Durch den Zwischenraum erhaschte Jerry einen Blick auf die papageienbunten Transportmaschinen.

»Hab ich dich!« sagte Jerry laut vor sich hin, als er die sichere Seite der Schuppen erreicht hatte, und er kam sich vor, als hätte er nach monatelangem einsamen Marsch zum erstenmal den Feind erblickt: dort, genau vor ihm, kauerte fett wie eine Kröte eine verlotterte blau-graue DC 4 Carvair mit geöffnetem Einstieg auf der bröckeligen Piste. Dieselöl tröpfelte wie schwarzer Regen aus beiden Steuerbordmotoren, und ein spindeldürrer Chinese, auf dem Kopf eine Schiffermütze voll militärischer Abzeichen, stand rauchend unter der Ladeluke und kontrollierte die Ware anhand einer Liste. Zwei Kulis schleppten Säcke herbei und ein dritter bediente den altertümlichen Ladeaufzug. Zu seinen Füßen scharrten muntere Hühner. Und über den Rumpf liefen in flammendem Scharlach auf Drake Kos verblichenen Rennfarben die Buchstaben OCH ART- Der Rest war bei irgendeiner Reparatur verlorengegangen.

Oh, Charlie ist unverwüstlich, absolut unsterblich! Charlie Marshall, Mr. Tiu, ein phantastischer Halbchinese, nur Haut und Knochen, und ein ausgesprochen fabelhafter Pilot . . . Was er auch bitter nötig haben wird, dachte Jerry schaudernd, als die Kulis Sack um Sack durch die geöffnete Luke in den verbeulten Bauch des Flugzeugs luden.

Der getreue Sancho Pansa des edlen Don Ricardo, Ehrwürden, hatte Craw Lizzies Schilderung ergänzt.

Jerry machte keinen Versuch, sich zu verstecken, er blieb aufrecht stehen, ließ die Tasche vom Handgelenk baumeln und trug das reuige Grinsen eines Engländers auf Abwegen zur Schau. Nun schienen Kulis, eine ganze Menge, aus verschiedenen Richtungen gleichzeitig auf das Flugzeug zuzustreben. Jerry wandte ihnen den Rücken und wiederholte seinen alten Trick: er schlenderte an der Front der Lagerschuppen entlang, wie er die Front der Übungsmaschinen abgeschritten hatte oder durch den Korridor zu Frosts Büro marschiert war, linste durch Spalten in der Teerpappe und sah weiter nichts als dann und wann eine zerbrochene Versandkiste. Die Konzession, Battambang als Operationsbasis zu benutzen, kostet eine halbe Million US-Dollar und muß immer wieder erneuert werden, hatte Keller gesagt. Wer gibt bei solchen Preisen noch Geld fürs Neulackieren aus? Die Zeile der Lagerschuppen endete, und er kam zu vier Armeelastwagen, die mit Obst, Gemüse und unbeschrifteten Rupfensäcken hochbeladen waren. Die Laster standen mit der hinteren Ladeklappe zum Flugzeug und trugen Artillerie-Embleme. Auf jedem Lastwagen standen zwei Soldaten und reichten die Rupfensäcke den unten stehenden Kulis. Vernünftigerweise hätte man die Lastwagen direkt auf die Startpiste fahren müssen, aber hier ging es offenbar in erster Linie um Diskretion. Die Army mischt immer gern mit, hatte Keller gesagt. Die Navy kann aus einem einzigen Konvoi, der den Mekong hinabfährt, Millionen herausholen, die Air Force kommt auch nicht schlecht weg: Die Bomber fliegen Obst, und die Hubschrauber holen anstatt der Verwundeten die reichen Chinesen aus den belagerten Städten heraus, die Kampfflieger gehen ziemlich leer aus, weil sie wieder dort landen müssen, von wo aus sie aufgestiegen sind. Aber die Army muß wirklich alles zusammenkratzen, um sich durchzubringen. Jerry war jetzt näher an die Maschine herangekommen und hörte die quäkenden Laute, wenn Charlie Marshall den Kulis Befehle erteilte.

Dann kamen wieder Lagerschuppen. Nummer achtzehn hatte Doppeltüren, und der Name Indocharter war mit grüner Farbe senkrecht auf eine Holzstrebe gekleckst, so daß die Lettern aus einiger Entfernung wie chinesische Schriftzeichen aussahen. Drinnen, im Halbdunkel, kauerte ein chinesisches Bauernpaar auf der Erde. Ein Schwein, an einem Strick festgebunden, hatte den Kopf auf die Pantoffeln des Alten gelegt. An weiteren Besitztümern hatten sie nur ein längliches Bündel Binsen, das sorgfältig umwickelt war. Das Bündel hätte eine Leiche sein können. In einer Ecke stand ein Wasserkrug, daneben zwei Reisschalen. Sonst war die Hütte leer. »Willkommen im Indocharter-Wartesalon«, dachte Jerry. Während ihm der Schweiß über die Rippen rann, reihte er sich in den Zug der Kulis ein, bis er vor Charlie Marshall stand, der immer noch lauthals in der Khmer-Sprache quäkte, während er mit zitternder Hand jede Ladung auf seiner Liste abhakte.