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Die Armbandkette blitzte auf, ein Arm griff nach Unten, einmal, zweimal, und frommes Schweigen senkte sich über die Gemeinde, während die beiden Männer sorgfältig eine große Menge Banknoten zählten und alle ihnen zusahen. Im Gleichschritt marschierten sie zur Leiter zurück, wo Charlie Marshall mit dem Frachtverzeichnis wartete. Der Zollbeamte unterschrieb es, der Artillerieoberst warf einen billigenden Blick darauf, dann salutierten beide und verschwanden die Leiter hinunter. Die Lukenklappe senkte sich, schloß nicht ganz, so daß Charlie Marshall ihr einen Tritt versetzte, eine Matte über den Spalt warf und behende über die Versandkisten hinweg zu einer Innentreppe kletterte, die zur Pilotenkanzel führte. Jerry kletterte hinterher, machte es sich auf dem Sitz des Copiloten bequem und rechnete sich insgeheim seine Überlebenschancen aus:

»Wir haben jede Menge Übergewicht. Wir verlieren Öl. Wir haben eine bewaffnete Leibgarde an Bord. Wir haben keine Landeerlaubnis, und auf dem Flugfeld von Phnom Penh dürfte ein Loch von der Größe ganz Buckinghamshires sein. Zwischen uns und dem rettenden Hafen liegen eineinhalb Stunden Rote Khmer, und wenn am anderen Ende jemand unsere Nase nicht gefällt, dann sitzt Staragent Westerby mit heruntergelassenen Hosen und ungefähr zweihundert Rupfensäcken voll Rohopium auf dem Buckel da.«

»Wissen Sie, wie man so eine Mühle fliegt?« schrie Charlie Marshall und riß an einer Reihe vergammelter Hebel. »Sind Sie vielleicht irgend großes fliegendes As, Voltaire?«

»Ich kann's nicht ausstehn.«

»Ich auch nicht.«

Charlie Marshall ergriff eine Patsche und stürzte sich damit auf einen riesigen Brummer, der um die Windschutzscheibe kurvte, dann startete er nacheinander die Motoren, bis der ganze gräßliche Vogel schlingerte und ratterte wie ein Londoner Bus auf seiner letzten Fahrt hinauf nach Clapham Hill. Das Funkgerät begann zu knacken, und Charlie Marshall nahm sich Zeit, eine obszöne Anweisung an den Kontrollturm durchzugeben, zuerst in Khmer und anschließend, nach bester Fliegertradition, in Englisch. Als sie auf das Ende der Startpiste zuhielten, rumpelten sie an einigen Geschützstellungen vorüber, und Jerry war sekundenlang darauf gefaßt, daß eine übereifrige Mannschaft den Flugzeugrumpf aufs Korn nehmen könnte, bis ihm voll Dankbarkeit der Oberst mit seinen Lastwagen und seinem Schmiergeld einfiel. Ein zweiter Brummer tauchte auf, und diesmal ergriff Jerry die Fliegenpatsche. Die Maschine schien überhaupt nicht Tempo zu gewinnen, aber die Hälfte der Instrumente war außer Betrieb, so daß es sich nicht genau feststellen ließ. Das Räderrollen auf der Piste übertönte die Motoren. Jerry mußte daran denken, wie Old Sambos Chauffeur ihn ins Internat zurückgefahren hatte: das langsame, unerbittliche Dahingleiten auf der West-Autobahn in Richtung Slough und schließlich nach Eton. Einige Bergbewohner waren nach vorn geeilt, um sich den Spaß anzusehen und lachten sich halbtot. Eine Palmengruppe hopste ihnen entgegen, aber immer noch behielt die Maschine die Füße fest auf dem Boden. Charlie Marshall riß zerstreut den Steuerknüppel zurück und zog das Fahrwerk ein. Jerry war keineswegs überzeugt, daß sich die Nase wirklich schon gehoben hatte, und wieder dachte er an die Schule und an die Wettkämpfe im Weitsprung und entsann sich des gleichen Gefühls, nicht ganz zu fliegen, dennoch nicht mehr auf dem Boden zu sein. Er fühlte den Ruck und hörte das Blätterrauschen, als der Bauch des Flugzeugs die Wipfel rasierte. Charlie Marshall brüllte der Maschine zu, sie solle sich gefälligst in die verdammte Luft raufschwingen, aber ungefähr ein Jahrhundert lang gewannen sie überhaupt nicht an Höhe, sondern hingen und schnauften wenige Fuß über einer kurvenreichen Straße, die unerbittlich auf eine Hügelkette zuhielt. Charlie Marshall zündete sich eine Zigarette an, während Jerry den Steuerknüppel umklammerte und ein energisches Rucken des Seitenruders verspürte. Charlie Marshall übernahm wieder das Steuer, ließ die Maschine langsam auf den niedrigsten Punkt der Hügelkette zu abkippen. Er kurvte weiter, überflog die Hügelkette und beschrieb einen kompletten Kreis. Als sie unter sich die braunen Dächer, den Fluß und den Flugplatz sahen, schätzte Jerry, daß sie eine Höhe von tausend Fuß haben müßten. Für Charlie Marshall war dies eine durchaus annehmbare Flughöhe, denn jetzt nahm er endlich die Mütze ab und genehmigte sich mit der Miene eines Mannes, der seine Sache gut gemacht hatte, ein großes Glas Whisky aus der Flasche zu seinen Füßen. Unter ihnen begann es zu dunkeln, und die braune Erde verfärbte sich sacht ins Violette.

»Danke«, sagte Jerry und nahm die Flasche entgegen. »Ja, könnte nicht schaden.«

Jerry leitete die Unterhaltung mit ein bißchen Geplauder ein - sofern man von Geplauder sprechen kann, wenn jemand aus vollem Hals brüllen muß.

»Die Roten Khmer haben das Munitionsdepot auf dem Flugplatz in die Luft gejagt!« schrie er. »Ist für alle Starts und Landungen geschlossen!«

»So?« Jerry sah Charlie Marshall zum erstenmal erfreut und beeindruckt.

»Es heißt, Sie und Ricardo waren dicke Freunde.«

»Wir bombardieren alles. Haben schon die halbe menschliche Rasse umgelegt. Wir sehen mehr Tote als Lebendige. Hochebene der Tonkrüge, DaNang, wir sind so große verdammte Helden, wenn wir sterben, kommt Jesus Christus persönlich im Hubschrauber und fischt uns aus dem Dschungel.«

»Ich hab' gehört, Ricardo war auch als Geschäftsmann ganz groß.«

»Klar! Der Größte! Wissen Sie, wieviel Firmen wir im Ausland haben, ich und Ricardo? Sechs. Unternehmen in Liechtenstein, Gesellschaften in Genf, einen Bankdirektor auf den Niederländischen Antillen, Rechtsanwälte, Herrje. Wissen Sie, wieviel Geld ich habe?« Er schlug auf die Gesäßtasche. »Dreihundert US ganz genau. Charlie Marshall und Ricardo haben mitsammen die halbe verdammte Menschheit umgelegt. Keiner gibt uns kein Geld nicht. Mein Vater hat die andere Hälfte umgelegt, und er hat jede Menge Geld. Ricardo hat diese blödsinnigen Einfälle immer gehabt. Patronenhülsen. Herrje. Wir zahlen die Eingeborenen, damit sie alle Patronenhülsen in Asien aufsammeln, dann verkaufen wir sie für den nächsten Krieg!« Die Nase der Maschine senkte sich, und er zog sie mit einem gemeinen französischen Fluch wieder hoch. »Latex! Wir wollen alles Latex von Kampong Cham stehlen! Wir fliegen nach Kampong Cham, wir haben große Hubschrauber, Rote Kreuze. Und was tun wir? Wir bringen die verdammten Verwundeten zurück. Halt doch still, du dummes Schwein, hörst du?« Er sprach wieder mit seinem Flugzeug. In der Kanzel sah Jerry eine lange Reihe von Einschlaglöchern, die recht unzulänglich repariert waren. Hier abtrennen, dachte er idiotisch. »Menschenhaar. Wir werden Millionäre mit Menschenhaar. Die ganzen Chinesenmädel in den Dörfern haben lange Haare. Wir schneiden sie ab und fliegen sie nach Bangkok für Perücken.«

»Wer hat Ricardos Schulden bezahlt, damit er für Indocharter fliegen konnte?«

»Niemand!«

»Jemand hat mir erzählt, es sei Drake Ko gewesen.«

»Nie von Drake Ko gehört. Auf dem Totenbett sage ich meiner Mutter, meinem Vater: Bastard Charlie, der Sohn des Generals, er hat nie in seinem Leben von Drake Ko gehört.«

»Was hat Ricardo so Besonderes für Ko getan, daß Ko alle seine Schulden bezahlt hat?«