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Charlie bediente sich eines ganz speziellen Quäkens, wenn er den Vater sprechen ließ, und dazu blies er in militärischer Entrüstung die abgezehrten Backen auf:

»>Jetzt wirst du ausnahmsweise mal anständige Arbeit tun, verstanden du kweilo-Bastard! Jetzt ist Schluß mit den Pferdewetten und dem Suff und dem Opium, verstanden! Und nimm gefälligst diese Bolschewikensterne vom Kittel und schick deinen sauberen Freund Ricardo zum Teufel. Und sein Weibsbild wirst du ihm auch nicht mehr bezahlen, verstanden? Weil ich dich nämlich nicht einen Tag länger auf dem Hals haben will, nicht eine Stunde, du Spinnenbastard, und ich hasse dich so, daß ich dich eines Tags noch umbringe, weil du mich an diese korsische Hure, deine Mutter, erinnerst !<«

Dann beschrieb er seinen Job, und wiederum hatte Charlies Vater, der General, das Wort:

»»Gewisse sehr feine Chiu-Chow-Gentlemen, sehr gute Freunde von sehr guten Freunden von mir, haben zufällig an einer gewissen Fluggesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung. Auch habe ich gewisse Aktien dieser Gesellschaft. Und diese Gesellschaft trägt zufällig den angesehenen Namen Indocharter Aviation. Was, du lachst, du kweilo-Aiie! Das soll dir bald vergehen! Diese guten Freunde also tun mir einen Gefallen und helfen mir mit meinem schändlichen dreibeinigen Spinnenbastardsohn, und ich bete aufrichtig, daß du vom Himmel runterfällst und dir dein Genick brichst.««

Also flog Charlie für Indocharter das väterliche Opium: anfangs ein, zwei Flüge pro Woche, aber regelmäßige, ehrliche Arbeit, und er tat sie gern. Sein Mumm kehrte zurück, seine Nerven beruhigten sich, und er empfand echte Dankbarkeit für seinen alten Herrn. Er versuchte natürlich, die Chiu-Chow-Jungens zu überreden, daß sie auch Ricardo nähmen, aber sie wollten nicht. Nach ein paar Monaten ließen sie sich herbei, Lizzie zwanzig Dollar pro Woche dafür zu zahlen, daß sie im Empfangsbüro saß und den Kunden schöne Augen machte. Das seien die goldenen Tage gewesen, ließ Charlie durchblicken. Charlie und Lizzie verdienten das Geld, Ricardo steckte es in immer blödsinnigere Projekte, alle waren glücklich, alle waren beschäftigt. Bis eines Abends Tiu erschien, gleich einer Nemesis, und ihnen den ganzen Spaß verdarb. Er kam herein, als sie gerade Büroschluß machten, einfach so von der Straße herein, ohne vorherige Anmeldung, fragte nach Charlie Marshall und bezeichnete sich selber als Angehörigen der Firmenleitung in Bangkok. Die Chiu-Chow-Boys kamen aus dem rückwärtigen Büro, warfen einen einzigen Blick auf Tiu, erklärten ihn für glaubwürdig und verkrümelten sich schleunigst.

Charlie unterbrach sich, um an Jerrys Schulter zu schluchzen. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu, altes Haus«, beschwor Jerry ihn. »Hören Sie. Jetzt kommt das, was ich hören möchte. Sie erzählen es mir ganz genau, und dann bring' ich Sie nach Hause. Ehrenwort. Bitte.«

Aber Jerry schätzte die Lage falsch ein. Es ging nicht mehr darum, Charlie zum Sprechen zu bringen. Jerry war jetzt die Droge, von der Charlie Marshall abhing. Es ging auch nicht mehr darum, ihn festzuhalten. Charlie Marshall klammerte sich an Jerrys Brust, als wäre sie das letzte Rettungsfloß auf seinem einsamen Meer, und ihre Unterhaltung war zu einem verzweifelten Monolog geworden, aus dem Jerry sich seine Fakten herausfischte, während Charlie Marshall um die Aufmerksamkeit seines Peinigers bettelte und schmeichelte und heulte, Witze riß und unter Tränen über sie lachte. Flußab feuerte eines von Lon Nols Maschinengewehren, das noch nicht an die Roten Khmer verkauft war, beim Schein einer weiteren Leuchtkugel Leuchtspurmunition in den Dschungel. Lange goldene Pfeile flogen gebündelt über und unter dem Wasser dahin und brannten eine kleine Höhlung aus, wo sie in den Bäumen verschwanden.

Charlies schweißnasses Haar kitzelte Jerry am Kinn, und Charlie schnatterte und sabberte zugleich.

»Mr. Tiu will in keinem Büro nicht sprechen, Voltaire. O nein! Mr. Tiu ist auch nicht sehr gut angezogen. Mr. Tiu ganz und gar Chiu-Chow, er benutzt Thai-Paß wie Drake Ko, er benutztverrückten Namen und macht ganz ganz kleinen Mann, wenn er nach Vientiane kommt. >Captain Marshalh, sagt er zu mir, >wie gern möchten Sie eine Menge Extrageld verdienen mit eine interessanten und abwechslungsreichen Arbeit außerhalb Ihrer Tätigkeit bei der Firma? Möchten Sie für mich einmal außer der Reihe fliegen? Wie ich höre, sind Sie jetzt wieder ein ganz großartiger Pilot, sehr gute Nerven. Vielleicht möchten Sie sich  sagen wir, vier- bis fünftausend Dollar an einem einzigen Tag verdienen, nicht einmal einem ganzen Tag? Wie würde Ihnen da persönlich zusagen, Captain Marshall?< >Mr. Tiu<, sage ich zu ihm« - Charlie schreit jetzt hysterisch -, »>mal ganz unverbindlich, Mr. Tiu, für fünftausend Dollar US würd ich, so wie ich mich zur Zeit in Form fühle, für Sie in die Hölle fliegen und Ihnen der Teufel seine Eier holen.< Tiu sagt, eines Tages kommt er wieder, und ich soll gefälligst meine verdammte Klappe halten.«

Plötzlich hatte Charlie wieder zur Stimme seines Vaters übergewechselt, und er nannte sich einen Spinnenbastard und den Sohn einer korsischen Hure: bis es Jerry allmählich dämmerte, daß er bereits die nächste Episode der Geschichte schilderte. Überraschenderweise hatte Charlie das Geheimnis von Tius ~ Angebot tatsächlich für sich behalten, bis er seinen Vater wiedersah, diesmal in Chiang Mai zur Feier des chinesischen Neujahrs. Er hatte Ric nichts erzählt, und er hatte es nicht einmal < Lizzie erzählt, vielleicht weil sie damals schon nicht mehr allzu gut miteinander auskamen und Ric eine Menge Frauen nebenbei , hatte.

Der Rat des Generals war nicht ermutigend: 1

»>Lass' du mir die Pfoten von diesem Pferd! Dieser Tiu, der hat ein paar dicke Verbindungen ganz hoch oben, und die sind nichts für 1 einen blöden kleinen Spinnenbastard wie dich, verstanden! I Herrgott, wer hat schon jemals gehört, daß ein Swatonese fünftausend Dollar zahlt, bloß für eine Bildungsreise!««

»Also haben Sie das Geschäft an Ric abgetreten, stimmt's?« sagte Jerry schnell. »Stimmt's, Charlie? Sie haben zu Tiu gesagt >Tut mir leid, aber probieren Sie's mit Ricardo.« War es so?« Aber Charlie Marshall war vermißt, wahrscheinlich gefallen. Er war von Jerrys Brust herabgeglitten und lag flach im Dreck, mit geschlossenen Augen und schnappte nur dann und wann nach Luft unter gierigen rasselnden Atemzügen, und als Jerry sein Handgelenk befühlte, gab der wie rasend hämmernde Puls Zeugnis vom Leben in diesem Gestell.

»Voltaire«, flüsterte Charlie. »Bei der Bibel, Voltaire. Sie sind ein guter Mensch. Bringen Sie mich heim. Herrje, bringen Sie mich heim, Voltaire.«

Betroffen starrte Jerry auf die hingestreckte und zerbrochene Gestalt, und er wußte, daß er noch eine bestimmte Frage stellen mußte, und wäre es die letzte in ihrer beider Leben. Jerry griff nach Charlie und zerrte ihn zum letztenmal auf die Füße. Und hier auf der dunklen Straße, während zielloses Sperrfeuer durch die Finsternis stach, zappelte und schrie Charlie Marshall eine volle Stunde lang unter Jerrys Griff, bettelte und schwor, er werde Jerry ewig lieben, wenn er es ihm nur erlasse, die Abkommen zu verraten, die sein Freund Ricardo um seines Überlebens im Verborgenen willen getroffen hatte. Aber Jerry erklärte, ohne diese Enthüllung wäre das Rätsel nicht einmal zur Hälfte gelöst. Und es mag sein, daß Charlie Marshall in seiner Verlorenheit und Verzweiflung, während er die verbotenen Geheimnisse hervorschluchzte, Jerrys Argument sogar begriff: daß es nämlich in einer Stadt, die dem Dschungel wiedergegeben werden sollte, keine Zerstörung gebe außer einer vollständigen Zerstörung.