Выбрать главу

»Sie Ärmster«, sagte Jerry, der diese Spielchen schon öfter gespielt hatte und sie haßte: Er glaubte ihnen oder glaubte ihnen nicht, aber er haßte sie immer.

»Sie haben recht«, sagte Ricardo und quittierte Jerrys Würdigung mit einer Verbeugung. »Arm ist das richtige Wort. Wir werden wie Bauern behandelt. Ich und Charlie, wir fliegen alles. Wir sind nie ordentlich entlohnt worden. Verwundete, Tote, Zerstückelte, Stoff. Gratis. Herrje, in diesem Krieg wurde was geschossen! Zweimal fliege ich in die Provinz Yünnan. Ich bin furchtlos. Völlig. Obwohl ich so gut aussehe, habe ich keine Angst um mich.«

»Wenn man den Flug für Drake mitzählt«, erinnerte Jerry ihn, »dann wären Sie dreimal drüben gewesen, stimmt's?«

»Ich bilde Piloten aus für die kambodschanische Luftwaffe. Gratis. Die kambodschanische Luftwaffe, Voltaire! Achtzehn Generale, vierundfünfzig Maschinen - und Ricardo. Am Ende der Dienstzeit kriegt man die Lebensversicherung, damit hat sich's. Hunderttausend US. Nur man selber. Wenn Ricardo stirbt, kriegen seine nächsten Angehörigen nichts, so ist das. Wenn Ricardo es schafft, kriegt er das Ganze. Ich spreche einmal mit Freunden von der französischen Fremdenlegion, sie kennen den Schwindel, sie warnen mich. >Gib acht, Ricardo. Bald schicken sie dich wohin, wo's so heiß hergeht, daß du nicht mehr rauskommst. Dann müssen sie dir nichts zahlen.« Die Kambodschaner verlangen von mir, daß ich mit der Hälfte Sprit fliege. Ich habe Tragflächentanks und sage nein. Ein anderes Mal blockieren sie mir die Hydraulik. Ich warte meine Maschine selber. Auf diese Art bringen sie mich nicht um. Hören Sie, ich schnalze mit den Fingern und Lizzie kommt zu mir zurück. Okay?« Der Lunch war beendet.

»Wie war das also mit Tiu und Drake?« sagte Jerry. Beim Beichtehören, sagen sie in Sarratt, hat man weiter nichts zu tun, als ein bißchen den Strom zu lenken.

Zum erstenmal, so schien es Jerry, starrte Ricardo ihn mit der ganzen Intensität seiner tierischen Dumpfheit an. »Sie bringen mich durcheinander, Voltaire. Wenn ich Ihnen zu viel erzähle, muß ich Sie erschießen. Ich bin ein sehr mitteilsamer Mensch, verstehen Sie? Ich bin einsam hier draußen, es liegt in meiner Art, daß ich immer einsam bin. Ich mag einen Burschen, ich sage ihm eine Menge, dann tut's mir leid. Meine geschäftlichen Verpflichtungen fallen mir wieder ein, verstehen Sie?«

Jetzt überkam Jerry große innere Ruhe - aus dem Sarratt-Mann wurde der Engel, den Sarratt ausgeschickt hatte, nicht damit er etwas tue, sondern damit er sich umhöre und Bericht erstatte. Er wußte, daß er, operativ gesehen, dem Ende der Reise nahe War: auch wenn man die Rückreise bestenfalls als nicht gesichert bezeichnen konnte. Operativ gesehen hätten nach aller Erfahrung jetzt Siegesglocken in seinem andächtig lauschenden Ohr ertönen müssen. Aber die Glocken schwiegen. Und ihr Schweigen war bereits eine erste Warnung, daß sein Trachten nicht mehr in allen Stücken mit dem der Bärentreiber von Sarratt übereinstimmte. Zuerst ging es - mit einigen Zugeständnissen an Ricardos hochfliegendes Ego - ziemlich genau so vor sich, wie Charlie Marshall gesagt hatte, daß es vor sich gehen würde. Tiu kam nach Vientiane, in Kulikleidung und nach Katzen stinkend, und fragte überall nach dem besten Piloten in der Stadt, und natürlich wurde er sogleich zu Ricardo verwiesen, der zufällig eine Pause zwischen zwei geschäftlichen Verpflichtungen eingelegt hatte und für gewisse hochspezialisierte und hochbezahlte Arbeit in der Flugbranche frei war.

Im Gegensatz zu Charlie Marshall erzählte Ricardo seine Geschichte mit beflissener Sinnfälligkeit, als hätte er einen geistig Minderbemittelten vor sich. Tiu stellte sich als Mann mit weitreichenden Verbindungen in der Luftfahrtindustrie vor, erwähnte seinen nicht näher definierten Kontakt zu Indocharter und kam dann auf die Dinge zu sprechen, die er bereits mit Charlie Marshall erörtert hatte. Schließlich kam er zu dem gegenwärtigen Projekt - was hieß, daß er, um es im Sarratt-Stil auszudrücken, Ricardo die Legende verpaßte. Eine gewisse bedeutende Handelsfirma in Bangkok, mit der Tiu die Ehre hatte, in Geschäftsbeziehung zu stehen, so sagte er, stand kurz vor dem Abschluß eines gewinnbringenden und durchaus legalen Handels mit gewissen Behörden in einem benachbarten und befreundeten Land. »Ich frage ihn, Voltaire, sehr ernst. >Mr. Tiu, vielleicht haben Sie den Mond entdeckt. Ich hab' noch nie von einem asiatischen Land mit einem befreundeten Nachbarn gehört.« Tiu lachte über meinen Witz. Er betrachtete es natürlich als witzigen Ausspruch«, sagte Ricardo sehr ernsthaft.

Ehe indes dieser gewinnbringende und legitime Handel zum Abschluß kommen könne - habe Tiu nach Ricardos Worten erklärt -, standen seine Geschäftspartner vor dem Problem, wie man sich gewissen Behörden und anderen Stellen innerhalb dieses befreundeten benachbarten Landes, die ermüdende bürokratische Hindernisse aus dem Weg geräumt hätten, erkenntlich zeigen könne.

»Warum ist das ein Problem?« hatte Ricardo gefragt, was ganz natürlich war.

Angenommen, sagte Tiu, das Land wäre Burma. Nur angenommen. Im modernen Burma war es den Beamten nicht erlaubt, sich zu bereichern, auch war es für sie nicht einfach, Geld anzulegen. In einem solchen Fall müßten andere Möglichkeiten der Entlohnung gefunden werden.

Ricardo schlug Gold vor. Leider, sagte Tiu, sei in dem Land, um das es sich handle, sogar Gold schwer zu veräußern. Daher komme in diesem Fall nur eine einzige Währung in Frage, sagte er, nämlich Opium: vierhundert Kilo. Die Entfernung sei nicht groß, innerhalb eines Tages könne Ricardo drüben und wieder zurück sein, die Vergütung betrage fünftausend US-Dollar, und die restlichen Details würden ihm kurz vor dem Abflug zugehen, um eine unnötige Belastung seine Gedächtnisses zu vermeiden, wie Ricardo sich blumenreich ausdrückte: eine Sprache, die vermutlich zu Lizzies Lehrplan gehört hatte. Bei der Rückkehr von diesem nach Tius Ansicht zweifellos unproblematischen und lehrreichen Flug würde Ricardo unverzüglich in den Besitz von fünftausend Dollar in handlichen Noten gelangen - vorausgesetzt natürlich, daß Ricardo in irgendeiner beweiskräftigen Form die Bestätigung mitbringen würde, daß die Fracht ihren Bestimmungsort erreicht hatte. Zum Beispiel eine Quittung.