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Ricardo erwies sich nun nach seiner eigenen Schilderung in seinen Verhandlungen mit Tiu als ein primitiver Schlaukopf. Er sagte, er wolle über das Angebot nachdenken. Er sprach von anderen dringenden Verpflichtungen und von seinem Ehrgeiz, eine eigene Fluggesellschaft zu gründen. Dann machte er sich daran, herauszubekommen, wer dieser Tiu eigentlich sei. Er entdeckte sofort, daß Tiu nach ihrem Gespräch nicht nach Bangkok, sondern nonstop nach Hongkong zurückgekehrt war. Er ließ durch Lizzie die Chiu-Chow-Jungens bei Indocharter ausfragen, und einer von ihnen plauderte aus, Tiu sei ein großes Tier bei China Airsea, denn als er in Bangkok war, habe er in der Suite von Airsea im Hotel Erawan gewohnt. Als Tiu wieder nach Vientiane kam, um sich Ricardos Antwort zu holen, wußte Ricardo daher eine ganze Menge mehr über ihn - sogar, obwohl er nicht viel davon hermachte, daß Tiu die rechte Hand Drake Kos war. Fünftausend US-Dollar für einen eintägigen Flug, sagte er nunmehr zu Tiu bei ihrem zweiten Gespräch, sei entweder zu wenig oder zu viel. Wenn der Job so einfach sei, wie Tiu behaupte, dann sei es zu viel. War er so riskant, wie Ricardo argwöhnte, dann sei es zu wenig. Ricardo schlug ein anderes Arrangement vor: ein »Kompromiß-Geschäft«, sagte er. Er habe damals, so erklärte er mit einer zweifellos häufig gebrauchten Wendung, an einem »vorübergehenden Liquiditätsproblem« gelitten. Mit anderen Worten (Jerrys Interpretation), er war wieder einmal pleite, und die Gläubiger hatten ihn am Kragen. Er brauchte unbedingt sofort ein regelmäßiges Einkommen, und das wäre ihm sicher, wenn Tiu dafür sorgte, daß er für ein Jahr bei Indocharter als Pilot und Flugberater angestellt würde, mit einem vertraglich vereinbarten Gehalt von fünfundzwanzigtausend US-Dollar. Tiu schien über diese Idee nicht weiter schockiert, sagte Ricardo. Im Zimmer über den Pfählen wurde es sehr still.

Zweitens wollte Ricardo anstelle der fünftausend Dollar bei Ablieferung der Fracht einen sofortigen Vorschuß von zwanzigtausend US-Dollar, um damit seine Verbindlichkeiten zu decken. Zehntausend sollten abgegolten sein, sobald er das Opium abgeliefert hätte, die anderen zehntausend sollten direkt von seinem Gehalt bei Indocharter abgezogen werden, im Lauf der Monate seiner Anstellung. Wenn Tiu und seine Geschäftspartner darauf nicht eingehen könnten, erklärte Ricardo, so müsse er zu seinem großen Bedauern die Stadt verlassen, ehe er die Opiumlieferung tätigen könne.

Am folgenden Tag erklärte Tiu sich - mit Variationen - mit den Bedingungen einverstanden. Nur anstatt der zwanzigtausend Dollar Vorschuß schlugen Tiu und seine Geschäftspartner vor, Ricardos Schulden direkt von seinen Gläubigern zu kaufen. Dabei, so erklärte er, würden sie sich wohler fühlen. Noch am gleichen Tag wurde die Absprache durch einen großartigen Vertrag »abgesegnet« - Ricardos Religiosität schlug auf Schritt und Tritt durch -, der in englischer Sprache verfaßt und von beiden Parteien unterzeichnet wurde. Ricardo - so stellte Jerry im stillen festhatte seine Seele verkauft.

»Was hielt Lizzie von diesem Handel?« fragte Jerry. Ricardo zuckte die glänzenden Schultern. »Weiber«, sagte er. »Klar«, sagte Jerry, und setzte wieder sein wissendes Lächeln auf.

Nachdem Ricardos Zukunft gesichert war, legte er sich wieder einen »angemessenen professionellen Lebensstil« zu. Der Plan, einen Gesamtasiatischen Fußballfond zu gründen, fesselte seine Aufmerksamkeit, desgleichen ein vierzehnjähriges Mädchen in Bangkok namens Rosie, das er mittels seines Indocharter-Gehalts regelmäßig aufsuchte, um es für des Lebens große Bühne zu schulen. Dann und wann, aber nicht oft, machte er einen kleinen Flug für Indocharter, nichts weiter Schwieriges: »Ein paarmal Chiang Mai, Saigon. Ein paarmal in die Shan-Staaten zu Charlie Marshalls altem Herrn, vielleicht ein bißchen Schlamm mitnehmen, ihm ein paar Waffen bringen, Reis, Gold. Battambang vielleicht.«

»Wo hält Lizzie sich inzwischen auf?« fragte Jerry, von Mann zu Mann, wie vorhin.

Das gleiche verächtliche Achselzucken: »Sitzt in Vientiane. Mit ihrem Strickzeug. Betätigt sich ein bißchen im Constellation. Sie ist jetzt schon eine alte Frau, Voltaire. Ich brauche Jugend, Optimismus, Energie, Leute, die Respekt vor mir haben. Es liegt in meiner Natur, daß ich gebe. Wie kann ich einer alten Frau etwas geben?«

»Bis wann?« fragte Jerry. »Was?«

»Wann war's vorbei mit dem herzlichen Einvernehmen?« Ricardo hatte den Satz mißverstanden und blickte plötzlich sehr gefährlich, und seine Stimme würde zur leisen Drohung. »Was zum Teufel meinen Sie?«

Jerry besänftigte ihn mit seinem sonnigsten Lächeln.

»Wie lang bezogen Sie Ihr Gehalt und trieben sich herum, ehe Tiu mit dem Vertrag ernst machte?«

Sechs Wochen, sagte Ricardo und faßte sich wieder. Vielleicht acht. Zweimal war der Flug bereits angesetzt und wieder abgeblasen. Einmal war er offenbar nach Chiang Mai beordert worden und hatte dort ein paar Tage gewartet, bis Tiu anrief und sagte, die Leute am anderen Ende seien noch nicht soweit. Ricardo hatte immer mehr das Gefühl, in eine undurchsichtige Sache verwickelt zu sein, sagte er, aber die Geschichte, so ließ er durchblicken, habe ihn von jeher für die großen Rollen des Lebens ausersehen, und wenigstens hatte er die Gläubiger vom Hals. Ricardo schwieg und fixierte Jerry wiederum sehr genau, kratzte sich sinnend den Bart. Endlich seufzte er, goß für beide Whisky ein und schob ein Glas über den Tisch. Unter ihnen bereitete sich der vollendet schöne Tag auf sein langsames Sterben vor. Die grünen Bäume wurden schwer. Der Holzrauch von der Feuerstelle der Mädchen roch feucht.

»Wo gehen Sie von hier aus hin, Voltaire?«

»Heim«, sagte Jerry.

Ricardo lachte wiederum schallend.

»Bleiben Sie über Nacht, ich schicke Ihnen eins von meinen Mädchen.«

»Ich tue genau, was mir paßt, ja, altes Haus«, sagte Jerry. Die beiden Männer belauerten einander wie kämpfende Tiere, und eine Weile stand es tatsächlich Spitz auf Knopf.

»Sie sind ein verrückter Kerl, Voltaire«, murmelte Ricardo.

Aber der Sarratt-Mann obsiegte. »Aber eines Tages fand der Flug doch statt, ja?« sagte Jerry. »Er wurde nicht abgeblasen. Und dann? Los, altes Haus, erzählen Sie, wie's war.«

»Klar«, sagte Ricardo. »Klar, Voltaire«, trank einen Schluck und beobachtete ihn. »Wie's war«, sagte er. »Hören Sie zu, ich erzähle Ihnen, wie's war, Voltaire.«

Und dann bringe ich dich um, sagten seine Augen.

Ricardo war in Bangkok, Rosie forderte ihn heftig. Tiu bestand darauf, daß Ricardo jederzeit erreichbar sein müsse, und eines frühen Morgens, etwa um fünf, traf ein Bote in ihrem Liebesnest ein und beorderte Ricardo per sofort ins Erawan. Ricardo war von der Hotelsuite sehr beeindruckt. So etwas hätte er auch gern gehabt.

»Jemals Versailles gesehen, Voltaire? Ein Schreibtisch, so groß wie eine B 52. Dieser Tiu ist eine ganz andere Persönlichkeit als der Kuli mit der Katzenstinke, der nach Vientiane gekommen ist, okay? Er ist ein sehr einflußreicher Mann. >Ricardo<, sagt er zu mir. »Diesmal ist es sicher. Diesmal liefern wir ab.«< Seine Anweisungen waren einfach. In ein paar Stunden ging eine reguläre Maschine nach Chiang Mai. Ricardo sollte sie nehmen. Im Hotel Rincome waren bereits Zimmer für ihn bestellt. Dort sollte er über Nacht bleiben. Allein. Kein Alkohol, keine Frauen, keine Gesellschaft.

»>Sie sollten sich eine Menge zu lesen mitnehmen, Mr. Ricardo«, sagte er zu mir. >Mr. Tiu«, sage ich zu ihm. >Sie sagen mir, wo ich hinfliegen soll. Sie sagen mir nicht, wo ich lesen soll. Okay?« Der Kerl ist sehr arrogant hinter seinem großmächtigen Schreibtisch, verstehen Sie, Voltaire? Ich seh mich gezwungen, ihm Manieren beizubringen.«