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»Nein, alles in Ordnung. Wiedersehen!«

»Wiedersehen.«

Er hatte keine Taschenlampe, aber als er sich bückte und im Zwielicht unter dem Chassis herumtastete, fand er wiederum nichts.

»Haben Sie was verloren, Pferdeschreiber?« rief Ricardo wieder, wobei er die Hände vor den Mund hielt. »Anlassen«, sagte Jerry und stieg ein.

»Lichter an, Mister?« fragte Mickey. »Ja, Mickey. Lichter an.«

»Warum nennt er Sie Pferdeschreiber?«

»Gemeinsame Bekannte.«

Wenn Ricardo die KTs bestochen hat, dachte Jerry, dann ist es so und so egal. Mickey schaltete die Scheinwerfer an, und im Wagen leuchtete das amerikanische Armaturenbrett auf wie eine kleine Stadt.

»Los«, sagte Jerry. »Tempo-Tempo?«

»Ja, Tempo-Tempo!«

Sie fuhren fünf Meilen, sieben, neun. Jerry behielt den Zeiger im Auge. Er rechnete zwanzig bis zur ersten Kontrollstelle und fünfundvierzig bis zur zweiten. Mickey fuhr jetzt siebzig, und Jerry war nicht in Stimmung, um zu protestieren. Sie fuhren in der Straßenmitte, die Straße verlief gerade, und jenseits der gerodeten Streifen glitten die hohen Teakbäume vorüber wie orangefarbene Gespenster.

»Feiner Mann«, sagte Mickey. »Viel feiner Liebhaber. Die Mädchen sagen, er ein feiner Liebhaber.«

»Halt nach Drähten Ausschau«, sagte Jerry.

Auf der rechten Seite erschien eine Lücke zwischen den Bäumen, und ein roter Feldweg verschwand darin.

»Er hat schönes Leben da drinnen«, sagte Mickey. »Mädchen, Babies, er hat Whisky, PX. Er hat wirklich schönes Leben.«

»Gas weg, Mickey. Anhalten. Hier in der Mitte der Straße, wo es eben ist. Tu, was ich sage, Mickey.«

Mickey fing an zu lachen.

»Mädchen haben auch schönes Leben«, sagte er. »Mädchen kriegen Süßigkeiten, kleines Baby kriegt Süßigkeiten, alle kriegen Süßigkeiten!«

»Halt den verdammten Wagen an!«

Mickey ließ sich Zeit, bis er den Wagen zum Stehen brachte, er kicherte noch immer über die Mädchen.

»Ist das Ding da zuverlässig?« fragte Jerry und wies auf die Benzinuhr.

»Zuverlässig?« echote Mickey, der mit dem englischen Wort nichts anfangen konnte.

»Benzin. Sprit. Voll. Oder halb voll? Oder drei Viertel? Hat es auf der Hinfahrt richtig angezeigt?«

»Klar. Ist richtig«, versicherte Mickey ohne Zögern.

»Als wir zu dem verbrannten Dorf kamen, Mickey, stand es auf halbvoll. Es steht noch immer auf halbvoll.«

»Klar.«

»Hast du nachgefüllt? Aus einem Kanister? Hast du Benzin nachgefüllt?«

»Nein.«

»Steig aus.«

Mickey begann zu widersprechen, aber Jerry beugte sich über ihn, öffnete die Tür auf seiner Seite, stieß Mickey kurzerhand hinaus auf die Straße und folgte ihm. Er packte Mickeys Arm, drehte ihn auf den Rücken und schob den Jungen im Galopp vor sich her, über die Straße und zum Seitenstreifen und zwanzig Yards über die breite, weiche Fläche, dann warf er ihn ins Gebüsch und stürzte halb neben ihn, halb auf ihn, so daß der Atem aus Mickeys Brust in einem überraschten Japsen herausgepreßt wurde und er eine geschlagene halbe Minute brauchte, ehe er ein entrüstetes »Wozu« hervorbringen konnte. Aber Jerry hatte inzwischen bereits das Gesicht des Jungen wieder auf die Erde gepreßt, damit die Explosion darüber hinweggehen sollte. Der alte Ford schien zuerst zu brennen und nachher zu explodieren, schließlich bäumte er sich in einer letzten Lebensregung auf in die Luft, ehe er tot und lodernd auf die Seite fiel. Während Mickey bewundernd nach Luft rang, blickte Jerry auf die Uhr. Achtzehn Minuten, seit sie den Pfahlbau verlassen hatten. Vielleicht zwanzig. Hätte eigentlich früher passieren sollen, dachte er. Kein Wunder, daß Ricardo uns so schnell draußen haben wollte: in Sarratt wären sie nicht darauf gefaßt gewesen: das hier war fernöstliche Machart, und Sarratt gehörte mit Leib und Seele nach Europa und in die guten alten Tage des Kalten Krieges: Tschechei, Berlin und die alten Fronten. Jerry überlegte, welche Art Granate wohl verwendet wurde. Die Vietkong bevorzugten amerikanische Modelle: wegen der Doppelwirkung. Man braucht weiter nichts, sagten sie, als einen breiten Stutzen zum Benzintank. Man entfernt den Schwimmer, klebt ein Gummiband über die Feder, steckt die Granate in den Benzintank und wartet geduldig, bis sich das Benzin durch den Gummi gefressen hatte. Das Ergebnis gehörte zu jenen westlichen Errungenschaften, die erst durch die Vietkong entdeckt wurden. Ricardo mußte dicke Gummistreifen benutzt haben, dachte er.

Zum ersten Kontrollpunkt kamen sie nach vierstündigem Marsch auf der Straße. Mickey war überglücklich wegen der Versicherung, denn er nahm an, da Jerry die Prämie bezahlt hatte, würden sie automatisch das Geld kassieren und verprassen können. Jerry konnte ihn nicht von dieser Annahme abbringen. Aber Mickey hatte auch Angst: zuerst vor den KTs, dann vor Gespenstern, dann vor dem Colonel. Also erklärte Jerry ihm, daß sich nach diesem kleinen Zwischenfall weder ein Gespenst noch ein KT in die Nähe der Straße wagen würde. Was den Colonel anging - aber das sagte Jerry nicht zu Mickey -: der war Vater und Soldat und hatte einen Damm zu bauen: nicht umsonst baute er ihn mit Kos Zement und mit Transportmitteln von China Airsea.

Am Kontrollpunkt fand sich ein Lastwagen, der Mickey nach Hause brachte. Jerry fuhr ein Stück weit mit und sicherte ihm die Unterstützung seiner Zeitung bei irgendwelchen Schwierigkeiten mit der Versicherung zu, aber Mickey wollte in seiner Euphorie kein Wort von Schwierigkeiten hören. Unter anhaltendem Lachen tauschten sie ihre Adressen und zahlreiche herzliche Händedrücke aus, dann ließ Jerry sich an einer Raststätte absetzen und wartete einen halben Tag auf den Bus, der ihn nach Osten, auf einen neuen Kriegsschauplatz befördern sollte.

Erstens: Mußte Jerry unbedingt Ricardo aufsuchen? Wäre der Ausgang, für ihn persönlich, ein anderer gewesen, wenn er es nicht getan hätte? Oder lieferte Jerry, wie Smileys Verteidiger bis auf den heutigen Tag behaupten, durch seine Stippvisite bei Ricardo den letzten und entscheidenden Anstoß, der den Baum schüttelte und die reife Frucht zu Fall brachte? Für den Club der Smiley-Anhänger besteht kein Zweifeclass="underline" der Besuch bei Ricardo war der letzte Tropfen, und Ko ertrank darin. Ohne ihn hätte er womöglich noch so lange gezögert, bis die Schonzeit abgelaufen und Ko, und der Geheimdienst mit ihm, Freiwild für jedermann gewesen wären. Basta. Und auf den ersten Blick bewiesen die Fakten eine wunderbare Kausalität.

Denn folgendes passierte. Nur sechs Stunden nachdem Jerry und sein Fahrer Mickey sich aus dem Staub dieses Randstreifens in Nordost-Thailand aufgerappelt hatten, explodierte das ganze fünfte Stockwerk des Circus in einem Feuerbrand ekstatischen Jubels, der den Scheiterhaufen von Mickeys brennendem Leihwagen jederzeit in den Schatten gestellt hätte. In der Rumpelkammer, wo Smiley die Nachricht kundtat, tanzte Doc di Salis tatsächlich einen steifbeinigen kleinen Gigue, und Connie hätte unzweifelhaft mitgetanzt, wenn die Arthritis sie nicht an den elenden Rollstuhl gefesselt hätte. Trot heulte, Guillam und Molly fielen sich in die Arme, und nur Smiley bewahrte inmitten all dieses Überschwangs seine gewohnte leicht erschrockene Miene, obgleich Molly schwor, sie habe ihn erröten sehen, als er in die Runde blinzelte.

Er habe soeben eine Meldung bekommen, sagte er. Ein Blitzgespräch von den Vettern. Um sieben heute morgen, Hongkong-Zeit, habe Tiu bei Ko in Star Heights angerufen, wo Ko die Nacht bei Lizzie Worth zugebracht habe. Zuerst nahm Lizzie den Anruf entgegen, aber Ko schaltete sich am Nebenapparat ein und befahl ihr schroff, aufzulegen, was sie auch tat. Tiu schlug ein sofortiges gemeinsames Frühstück in der Stadt vor, bei George, sagte Tiu, zur großen Belustigung der Aufzeichner.