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Jerry hatte inzwischen Masters' Brandyfahne gerochen, die keine noch so große Menge Kaffee überdecken konnte, und er vermutete, daß Masters schon sehr lange getrunken hatte, ohne daß es ihm gelang, betrunken zu werden. »Mr. Westerby, Sir?«

»Ja, alter Junge.« Masters streckte die Hand aus.

»Alter Junge, ich möchte, daß Sie mir die Hand schütteln.« Die Hand schwebte mit hochgerecktem Daumen zwischen ihnen. »Wozu?« sagte Jerry.

»Ich möchte, daß Sie die Willkommenshand ergreifen, Sir. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben sich soeben um Aufnahme in den Club zweitklassiger Machte beworben, wo, soviel ich höre, Ihre eigene ruhmreiche Nation Chairman, Präsident und ältestes Mitglied ist. Schütteln!«

»Begrüße Sie an Bord«, sagte Jerry und schüttelte dem Major zuvorkommend die Hand.

Sofort wurde ihm dafür ein strahlendes Lächeln falscher Dankbarkeit zuteil.

»Also das nenn ich wirklich hübsch von Ihnen, Mr. Westerby, Sir. Wenn wir irgend etwas tun können, um Ihren Aufenthalt bei uns angenehmer zu machen, bitte lassen Sie es mich wissen. Wenn Sie das Anwesen mieten möchten: jedes einigermaßen vernünftige Angebot wird akzeptiert.«

»Sie könnten ein Fläschchen Whisky durch die Gitterstäbe schieben«, sagte Jerry und grinste.

»Aber mit Vergnügen«, sagte Masters und zog die Worte so in die Länge, daß sie wie ein langsamer Boxhieb wirkten. »Mann nach meinem Herzen. Yes, Sir.«

Masters ließ ihm eine halbe Flasche J & B, die er aus dem Schrank genommen hatte, und ein paar alte Nummern von Playboy zurück.

»Halten wir uns eigens für englische Gentlemen, die keinen Finger gerührt haben, uns zu helfen«, erklärte er herzlich. »Sehr aufmerksam von Ihnen«, sagte Jerry. »Jetzt geh ich und schicke Ihren Brief heim zur Mammi. Übrigens, wie geht's der Queen?«

Masters schloß nicht ab, aber als Jerry die Tür probierte, war sie nicht zu öffnen. Die Fenster, die auf den Flugplatz hinausgingen, hatten undurchsichtige Doppelscheiben. Auf der Rollbahn landeten und starteten Flugzeuge, ohne daß man einen Laut hörte. So versuchten sie, den Krieg zu gewinnen, dachte Jerry: aus schalldichten Räumen heraus, hinter undurchsichtigem Glas, mit allen Maschinen in Reichweite. So haben sie ihn verloren. Er trank, er empfand nichts. Es ist also vorbei, dachte er, das war alles. Was würde seine nächste Station sein? Charlie Marshalls alter Herr? Kleine Spritztour durch die Shan-Staaten, Plauderstündchen mit den Leibwächtern des Generals? Er wartete, seine Gedanken drängten sich formlos. Er setzte sich, dann legte er sich aufs Sofa und schlief eine Weile, wie lange, wußte er nicht. Er erwachte jäh, als die Tonbandmusik einsetzte, die gelegentlich von Wald-und-Wiesendurchsagen unterbrochen wurde. Würde Captain Soundso dies oder jenes tun? Einmal wies der Sprecher auf die Möglichkeit zur Weiterbildung hin. Dann auf preisgünstige Waschmaschinen. Einmal kam ein Gebet. Die Krematoriumsstille und die Musik machten Jerry so nervös, daß er im Zimmer auf und ab lief.

Er ging hinüber zum anderen Fenster, und im Geist sah er Lizzies Gesicht neben seiner Schulter, wie damals das Gesicht der Waise. Er trank noch einen Schluck Whisky. Ich hätte im Lastwagen schlafen sollen, dachte er. Ich hätte überhaupt mehr schlafen sollen. Also haben sie den Krieg schließlich doch verloren. Der Schlaf hatte ihm nicht gut getan. Es schien lange her zu sein, daß er nicht mehr so geschlafen hatte wie früher. Seit Old Frosti war es aus damit. Seine Hand zitterte: Herrje, sieh dir das an. Er dachte an Luke. Zeit, daß wir wieder mal zusammen auf den Schwoof gehen. Er muß jetzt wieder zurück sein, wenn es ihn nicht erwischt hat. Muß mein Hirn ein bißchen zur Ruhe bringen, dachte er. Aber das Hirn machte sich in letzter Zeit gern selbständig. Ein bißchen zu oft, genau gesagt. Muß es an die Kandarre nehmen, sagte er sich streng. Mann. Er dachte an Ricardos Granaten. Beeil dich, dachte er. Los, wir müssen uns entscheiden. Wohin jetzt? Wer kommt als nächster dran? Sein Gesicht war trocken und heiß, und seine Hände waren feucht. Sein Kopf schmerzte über den Augen. Verdammte Musik, dachte er. Gottverdammte Weltuntergangsmusik. Er suchte fieberhaft herum, ob man sie nicht irgendwo abstellen konnte, als er Masters unter der Tür stehen sah, einen Umschlag in der Hand und Leere im Blick. Jerry las das Telegramm. Masters ließ sich wieder auf die Sessellehne nieder.

»>Junge, komm bald Wieden«, sang Masters und äffte seinen eigenen Südstaatenakzent nach. »>Komm direkt nach Haus. Nicht erst noch zweihundert Dollar kassieren.« Die Vettern werden Sie nach Bangkok fliegen. Von Bangkok fliegen Sie unverzüglich weiter nach London in England, nicht, wiederhole, nicht London in Ontario, mit einer Maschine Ihrer Wahl. Unter keinen Umständen kehren Sie nach Hongkong zurück. Ausgeschlossen! Nein, Sir! Mission beendet, Junge. Danke, gut gemacht. Ihre Majestät ist entzückt. Also flugs heim zum Abendbrot, es gibt Maisgrütze und Truthahn und Blaubeerkuchen. Hört sich an wie eine Bande Tanten, für die Sie da arbeiten, Mann.« Jerry las das Telegramm ein zweites Mal. »Maschine nach Bangkok startet eins, eins, null, null«, sagte Masters. Er trug seine Armbanduhr mit dem Zifferblatt nach innen, so daß sie die Zeit nur für ihn anzeigte. »Hören Sie?« Jerry grinste: »Entschuldigung, altes Haus. Langsamer Leser. Vielen Dank. Zu viele große Worte. Muß das alte Hirn ganz schön arbeiten. Hören Sie, ich hab meine Sachen im Hotel gelassen.«

»Meine Hausboys stehen Eurer Königlichen Hoheit zur Verfügung.«

»Danke, aber wenn's Ihnen nichts ausmacht, möchte ich lieber den offiziellen Kanal vermeiden.«

»Wie Sie wünschen, Sir, ganz wie Sie wünschen.«

Am Tor stehen Taxis. Hin und zurück in einer Stunde. »Danke«, wiederholte er.

»Wir haben Ihnen zu danken.«

Zum Abschied lieferte der Sarratt-Mann ein smartes Beispiel von Verfahrenstechnik. »Darf ich das solang hierlassen?«fragte er und wies auf seine schäbige Schreibmaschine neben Masters' IBM-Kugelkopfmodell.

»Sir, wir werden sie hüten wie unseren Augapfel.« Hätte Masters sich die Mühe gemacht, in diesem Augenblick zu ihm hinzusehen, so wäre er vielleicht angesichts von Jerrys ungewöhnlich leuchtendem Blick stutzig geworden. Vielleicht wäre er, wenn er Jerrys Stimme besser gekannt oder auf ihre so besonders liebenswürdige Rauheit geachtet hätte, gleichfalls stutzig geworden. Hätte er gesehen, wie Jerry sich in seine Haartolle einkrallte, den Unterarm vor die Brust hielt in dem instinktiven Wunsch, sich zu verstecken, oder hätte er auf Jerrys albernes Dankesgrinsen geachtet, als der Junge wiederkam, um ihn in dem blauen Jeep zum Tor zu fahren: dann wären ihm vielleicht Zweifel gekommen. Aber Major Masters war nicht nur ein verbitterter Fachmann, der eine Menge Enttäuschungen erlebt hatte. Er war ein Gentleman aus dem Süden, der den Dolchstoß der Niederlage von den Händen unergründlicher Wilder empfing; und er hatte gerade damals nicht viel Zeit übrig für die Verdrehtheiten eines ausgedienten, überfälligen Briten, der sein in den letzten Zügen liegendes Spukhaus als Postamt benutzte.