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So gelang es Luke dank Old Craw schließlich, seine Neuigkeit an den Mann zu bringen.

»Gentlemen! - Zwerg, verdammter Polack, laß meinen Fuß los! - Gentlemen!« Er hielt inne und betupfte sich die Lippen mit dem Taschentuch. »Das Haus, bekannt unter dem Namen High Haven, steht zum Verkauf, und Ehrwürden Tufty Thesinger haben sich aus dem Staub gemacht.«

Nichts tat sich, aber er hatte auch nichts Besonderes erwartet. Journalisten geben ihrem Erstaunen nicht lauthals Ausdruck, nicht einmal ihrem Unglauben.

»High Haven«, wiederholte Luke schallend, »ist zu haben. Mr, Jake Chiu, der bekannte und beliebte Immobilienmakler, Ihnen besonders in seiner Eigenschaft als mein aufgebrachter Hauswirt ein Begriff, wurde von der Regierung Ihrer Majestät beauftragt, über High Haven zu disponieren. Im Klartext: die Bude zu verscheuern. Loslassen, polnischer Saukerl, ich bring dich um!« Der Zwerg hatte ihn vom Tisch gestoßen. Nur ein hurtiger Luftsprung bewahrte Luke vor Schaden. Vom Fußboden aus brüllte er weitere Beschimpfungen gegen seinen Angreifer. Inzwischen hatte Craw seinen großen Kopf Luke zugewendet, die feuchten Augen hefteten sich böse glotzend auf ihn, schienen ihn nie mehr loslassen zu wollen. Luke fragte sich, gegen welches von Craws zahlreichen Gesetzen er verstoßen haben mochte. Unter seinen verschiedenen Verkleidungen war Craw ein komplizierter und einsamer Mensch, wie die ganze Tischrunde wußte. Die absichtliche Ruppigkeit verdeckte eine Liebe zum Fernen Osten, die ihn zuweilen bis zur Unerträglichkeit zu packen schien, so daß er monatelang von der Bildfläche verschwinden konnte und wie ein gereizter Elefant auf seinen eigenen Pfaden stapfte, bis er sich diesem Leben wieder gewachsen fühlte.

»Bitte nicht zu faseln, Ehrwürden, wenn's beliebt«, sagte Craw schließlich und warf den großen Kopf gebieterisch in den Nacken. »Kein dreckiges Gewäsch in die bekömmlichen Gewässer spucken, wenn's gefällig ist, Herr Baron. High Haven ist das >Spukhaus<, schon seit Jahren, die Residentur. Bau des luchsäugigen Major Tufty Thesinger, ehedem bei Her Majesty's Rifles, jetzt der Lestrade des Yard in Hongkong. Tufty würde sich nie aus dem Staub machen. Er ist ein >Spuk<, kein Waschlappen. Gebt meinem Sohn zu trinken, Monsignore« - dies zu dem chinesischen Barmann -, »er redet irre.«

Craw gab einen weiteren Feuerbefehl, und der Club wandte sich wieder seinen intellektuellen Exerzitien zu. Lukes großartige Erstmeldung in Sachen Spionage war für die Kollegen kein Novum. Er genoß seit langem einen Ruf als verhinderter Spitzeljäger, und seine Hinweise waren unweigerlich haltlos. Seit Vietnam sah dieser Dämlack Spione unter jedem Teppich. Er war überzeugt, daß sie die Welt regierten, und einen Großteil seiner freien Zeit trieb er sich, falls er nüchtern war, in der Umgebung der zahlreichen Heere kaum getarnter China-Beobachter und noch üblerer Gestalten herum, die das riesige amerikanische Konsulat auf dem Hügel heimsuchten. An einem weniger ereignislosen Tag hätte die Sache folglich damit ihr Bewenden gehabt: So jedoch sah der Zwerg eine Gelegenheit zur Kurzweil, und ergriff sie.

»Sag mal, Luide«, begann er und drehte dabei die ausgestreckten Handflächen nach oben, »steht High Haven, mit kompletter Einrichtung zum Verkauf oder nur wie besichtigt?«

Die Frage wurde mit Applaus belohnt. War High Haven wertvoller mit seinen Geheimnissen oder ohne sie?

»Steht es mit Major Thesinger zum Verkauf?« hakte der südafrikanische Fotograf in seinem humorlosen Singsang ein, und wiederum lachten alle, wenn auch nicht mehr so herzhaft. Der Fotograf war eine gespenstische, klapperdürre Gestalt mit Bürstenhaarschnitt, und sein Gesicht war so zerpflügt wie die Schlachtfelder, auf denen er herumgeisterte. Er kam aus Kapstadt, aber sie nannten ihn Deathwish den Hunnen. Sie sagten, er würde sie noch alle begraben, denn er stelzte immer hinter ihnen her wie ein Klageweib.

Ein paar vergnügliche Minuten lang ging Lukes Eröffnung völlig unter in einer Flut von Thesinger-Stories und Thesinger-Imitationen, an denen sich alle außer Craw beteiligten. Man erinnerte sich, daß der Major ursprünglich als Importkaufmann in der Kolonie aufgetaucht war, drunten in den Docks mit irgendeiner albernen Legende; nach einem halben Jahr erschien er völlig übergangslos auf der Beamtenliste und übersiedelte komplett mit seinem Personal blasser Schreiber und teigiger, wohlerzogener Sekretärinnen in besagtes Spukhaus, um dort irgend jemandes Nachfolge anzutreten. Besonders seine Tete-á-tete-Lunches wurden geschildert, zu denen, wie sich jetzt herausstellte, fast jeder der anwesenden Journalisten irgendwann einmal eingeladen war, und die mit spitzfindigen Vorschlägen beim Cognac endeten, einschließlich so wunderschöner Formulierungen wie: »Hören Sie, alter Junge, falls Ihnen jemals ein interessanter Chinaman vom anderen Flußufer vor die Büchse kommen sollte - einer mit Zugang, Sie verstehen? -, dann denken Sie an High Haven!« Dann die magische Telefonnummer, die »direkt auf meinem Schreibtisch anklingelt, keine Zwischenstation, keine Tonbänder, nichts, ja?« - die ein gutes halbes Dutzend von ihnen in ihren Notizbüchern stehen hatte: »Da, schreiben Sie's auf Ihre Manschette, sagen Sie einfach, es ist ein Rendezvous oder eine Freundin oder so. Fertig? Hongkong fünf-null-zwei-vier . . . « Sie leierten die Zahlen im Chor herunter, dann wurde es still. Irgendwo schlug eine Uhr Viertel nach drei. Luke erhob siel langsam und klopfte sich den Staub von den Jeans. Der alt« schanghainesische Kellner gab seinen Posten bei den Regalen au und holte die Speisenkarte hervor, in der Hoffnung, jemand wolle essen. Eine Weile zögerten sie. Der Tag war vertan. War es schon beim ersten Gin gewesen. Im Hintergrund ertönte tiefes Knurren als der Rocker sich einen üppigen Lunch bestellte: »Und dazu ein kaltes Bier, kalt, verstanden? Sehl kalt. Und luck zuck.« Der Superintendent wußte mit Eingeborenen umzugehen und versäumte nie, darauf hinzuweisen. Dann war es wieder still »Na, geschafft, Lukie«, rief der Zwerg und brachte sich außer Reichweite. »Damit dürften Sie den Pulitzerpreis gewinnen. Gratuliere, darling. Knüller des Jahres.«

»Ach, leckt mich doch, alle mitnander«, sagte Luke und begab sich durch das Lokal zur Bar, wo zwei blaßgelbe Mädchen saßen. Armymädchen auf der Pirsch. »Jake Chiu hat mir die Scheiß-Anweisung gezeigt, oder? Anweisung von Her Majesty's Scheiß-Service, oder? Scheiß-Wappen aufm Briefkopf, Löwe vögelt Geiß. Hei, sweethearts, kennt ihr mich noch? Ich bin der nette Onkel, der euch aufm Jahrmarkt die Lutscher gekauft hat.«

»Thesinger antwortet nicht«, sang Deathwish der Hunne moros vom Telefon her. »Niemand antwortet. Nicht Thesinger, nicht sein Diensthabender. Apparat ist außer Betrieb.« War es die Aufregung oder die Langeweile gewesen, niemand hatte bemerkt, wie Deathwish ans Telefon gegangen war.