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Connie Sachs verfolgte eine ganz andere Linie. Sie konzentrierte ihr Interesse auf die Aktivitäten unbekannter, von Karla ausgebildeter Talentsucher, die in den fünfziger Jahren unter den ausländischen Studenten der Universität Leningrad zugange waren; und auf - nie bewiesene - Gerüchte, wonach Karla als junger Komintern-Agent nach dem Krieg an den kommunistischen Untergrund von Schanghai ausgeliehen worden sein sollte, um dort den illegalen Apparat aufbauen zu helfen. Mitten in all das neuerliche Wühlen platzte eine kleine Bombe aus Grosvenor Square. Mr.  Hibberts Enthüllungen waren noch ofenfrisch, und die Rechercheure beider Familien werkten noch wie die Rasenden, als Peter  Guillam mit einer dringenden Meldung bei Smiley aufkreuzte. Smiley war wie immer in seine eigene Lektüre vertieft, und als Guillam eintrat, schob er eine Akte in die Schreibtischlade und schloß sie.

»Die Vettern haben angerufen«, sagte Guillam sanft. »Wegen Bruder Ricardo, Ihrem Lieblingspiloten. Sie möchten Sie so bald wie möglich im Annex sehen. Ich soll spätestens gestern zurückrufen.«

»Sie möchten was«

» Möchten Sie sehen.«

»Ach nein? Wirklich? Du lieber Gott.« Und er tappte in sein Badezimmer, um sich zu rasieren.

Als Guillam in sein eigenes Büro zurückkam, sah er Sam Collins im Polstersessel sitzen, eine seiner barbarischen braunen Zigaretten rauchen und sein waschbares Lächeln lächeln. »Irgendwas los?« fragte Sam sehr beiläufig. »Scheren Sie sich raus hier«, fauchte Guillam. Sam schnüffelte für Guillams Geschmack ohnehin viel zu viel herum, aber an diesem Tag hatte er einen konkreten Grund, ihm zu mißtrauen. Als Guillam zu Lacon ins Cabinet Office gegangen war, um ihm die monatliche Vorschußaufstellung des Circus zur Begutachtung vorzulegen, hatte er zu seiner Überraschung Sam Collins aus Lacons Privatbüro auftauchen und lässig mit Lacon und Saul Enderby vom Foreign Office schäkern sehen.

 

 Ricardos Auferstehung

 

Vor dem Sündenfall hatten bemüht informelle Besprechungen zwischen den Geheimdienstpartnern im Rahmen der Besonderen Beziehungen allmonatlich stattgefunden, und anschließend hatte man sich zu einem, wie Smileys Vorgänger Alleline gern sagte, »Humpen« zusammengesetzt. Wenn die Amerikaner als Gastgeber an der Reihe waren, dann wurden Alleline und seine Kohorten, unter ihnen der allseits beliebte Bill Haydon, in eine weitläufige Dachterrassenbar gelotst, im Circus das Planetarium genannt; und mit trockenen Martinis und einer Aussicht auf West London gelabt, die sie sich sonst nie hätten leisten können. Waren die Briten dran, dann wurde in der Rumpelkammer ein Tisch aufgeschlagen, mit einem geflickten Damasttuch bedeckt und die amerikanische Abordnung durfte der letzten Bastion der Saint-James-Spione, die übrigens auch die Wiege ihrer eigenen Dienststelle gewesen war, ihre Aufwartung machen und dazu südafrikanischen Sherry schlürfen, den man diskret in geschliffenen Karaffen getarnt hatte mit der Begründung, sie merkten den Unterschied doch nicht. Für die Diskussionen gab es keine Tagesordnung, und traditionsgemäß wurden keine Notizen gemacht. Alte Freunde hatten solche Mittel nicht nötig, zumal die versteckten Mikrophone nüchtern blieben und bessere Arbeit leisteten.

Seit dem Sündenfall war es mit diesen kleinen Feinheiten für eine Weile Schluß gewesen. Auf Anweisung von Martellos Hauptquartier in Langley, Virginia, wurde die »Britische Verbindung«, als die der Circus dort bekannt war, auf die Liste derer gesetzt, die man auf Armlänge fernhielt, also zusammen mit Jugoslawien und dem Libanon, und eine Zeitlang benutzte man nicht einmal mehr die gleiche Straßenseite und hob bei einer Begegnung kaum den Blick. Die beiden Dienste glichen einem entfremdeten Ehepaar während des anhängigen Scheidungsverfahrens. Aber schließlich dämmerte jener graue Wintermorgen, an dem Smiley und  Guillam sich in gelinder Eile am Vordereingang des Legal Advisor's Annex am Grosvenor Square einstellten, wo bereits deutliches Tauwetter herrschte, sogar in den starren Mienen der beiden Marineinfanteristen, die ihnen die Taschen durchsuchten. Es waren übrigens Doppeltüren, schwarze Gitter über schwarzem Eisen, und auf den Gitterstäben vergoldete Federn. Was allein sie gekostet hatten, hätte den ganzen Circus mindestens ein paar Tage lang am Leben erhalten. Drinnen überkam sie das Gefühl, als wären sie von einem Weiler in die Hauptstadt versetzt. Maitellos Büro war sehr groß. Es gab keine Fenster, und es hätte ebensogut Mitternacht sein können. Über einem leeren Schreibtisch entfaltete sich, in halber Länge der Stirnwand, eine amerikanische Fahne, als wehte sie im Wind. In der Mitte des Raums war, um einen Rosenholztisch, ein Kreis aus Flugzeugsesseln arrangiert, und in einem davon saß Martello selber, ein stämmiger, fröhlich aussehender Yale-Mann im Tweedanzug, der zu keiner Jahreszeit saisongemäß wirkte. Rechts und links von ihm zwei schweigende Männer, einer so bleich und bieder wie der andere. »George, das ist freundlich von Ihnen«, sagte Martello munter mit seiner dunklen, anheimelnden Stimme, während er ihnen rasch entgegenschritt. »Das muß ich Ihnen nicht erst sagen. Ich weiß, wie beschäftigt Sie sind. Ich weiß. Sol«, er wandte sich an zwei Unbekannte, die auf der anderen Seite des Büros saßen, der eine ebenso jung wie Martellos schweigende Männer, wenn auch weniger glatt; der andere vierschrötig und hart und sehr viel älter, mit Narben im Gesicht und Bürstenhaarschnitt, ehemaliger Teilnehmer irgendeines Krieges. »Sol«, wiederholte Martello, »ich möchte Sie mit einer der wahren Legenden unseres Metiers bekanntmachen, Soclass="underline" Mr. George Smiley. George, das ist Sol Eckland, ein großer Mann in unserem Drogenbekämpfungsdezernat, früher >Bureau of Narcotics and Dangerous Drugs< genannt und jetzt umgetauft, stimmt's, Sol? Sol, und das hier ist Pete Guillam.«

Der ältere der beiden Männer streckte eine Hand aus, Smiley und Guillam schüttelten sie, und sie fühlte sich an wie trockene Baumrinde.

»So«, sagte Martello und sah so zufrieden drein wie ein erfolgreicher Heiratsvermittler. »George, äh, erinnern Sie sich an Ed Ristow, ebenfalls beim Rauschgift, George? Hat Sie vor einpaar Monaten einmal drüben telefonisch begrüßt? Nun, Sol ist Ristows Nachfolger. Zuständig für Südostasten. Und Cy hier arbeitet mit ihm.«

Niemand kann sich Namen so gut merken wie die Amerikaner, dachte Guillam.

Cy war der jüngere der beiden. Er hatte Koteletten und eine goldene Uhr und sah aus wie ein Mormonen-Missionar: fromm, aber streitbar. Er lächelte, als hätte er es in der Schule gelernt, und Guillam lächelte zurück.

»Was ist mit Ristow?« fragte Smiley, als sie sich setzten. »Infarkt«, knurrte Sol, der Veteran, mit einer Stimme, so trocken wie seine Hand. Sein Haar war wie Stahlwolle, in schmale Streifen zerteilt. Wenn er sich am Kopf kratzte, was er häufig tat, raschelte es.