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»Das tut mir leid«, sagte Smiley.

»Könnte für immer sein«, sagte Sol, sah Smiley dabei nicht an und zog an seiner Zigarette.

Hier dämmerte es Guillam zum erstenmal, daß irgend etwas Bedeutsames in der Luft lag. Er entdeckte die Spur einer regelrechten Spannung zwischen den beiden amerikanischen Lagern. Nach Guillams Kenntnis der amerikanischen Szene wurden sang- und klanglose Ämterwechsel selten durch etwas so Banales wie Krankheit verursacht. Er ging so weit, sich zu fragen, auf welche Weise Sols Vorgänger seine weiße Weste bekleckst haben mochte.

»Die Kollegen vom Rauschgift haben, äh, natürlich gewaltiges Interesse an unserem kleinen Hasch-Spielchen, George«, sagte Martello, und dieser verhaltene Fanfarenstoß verkündete indirekt, daß die Jagd auf Ricardo angeblasen war, obwohl Guillam feststellte, daß die amerikanische Seite sich offenbar noch immer seltsam gedrängt fühlte, einen anderen Grund für die Zusammenkunft vorzuschieben - wie Martellos nichtssagende Eröffnungsworte bewiesen:

»George, unsere Leute in Langley arbeiten wirklich gern sehr eng mit ihren guten Freunden vom Rauschgift zusammen«, erklärte er mit aller Wärme einer diplomatischen note verbale. »Beruht auf Gegenseitigkeit«, grollte Sol, der Veteran, zustimmend und stieß weiteren Zigarettenrauch aus, während er sich in den Haaren kratzte. Er schien Guillam ein eher verschlossener Mann zu sein und sich hier keineswegs behaglich zu fühlen. Cy, sein junger Gefährte, war bedeutend gewandter:

»Frage der Parameter, Mr. Smiley, Sir. Bei einer solchen Sache kann es vorkommen, daß die Kompetenzen sich überschneiden.«

Cys Stimme war ein bißchen zu hoch für seine Größe.

»Cy und Sol haben schon früher mit uns gejagt, George«, sagte Martello, was als weitere Beruhigungsspritze gedacht war. »Cy und Sol gehören zur Familie, dafür garantiere ich. Langley bezieht Rauschgift ein, Rauschgift bezieht Langley ein. So geht das.

Stimmt's, Sol?«

»Stimmt«, sagte Sol.

Wenn sie jetzt nicht bald miteinander ins Bett gehen, dachte Guillam, dann könnten sie sich statt dessen gegenseitig die Augen auskratzen. Er warf einen Blick zu Smiley hinüber, der sich unsichtbar machen zu wollen schien, während diese ganzen Erklärungen ihm zuliebe vonstatten gingen. »Vielleicht sollten wir uns erst einmal über den neuesten Stand der Dinge informieren«, schlug Martello nun vor, als forderte er die Anwesenden auf, sich zu waschen. Ehe wir was tun? überlegte Guillam.

Einer der schweigenden Männer hörte auf den Arbeitsnamen Murphy. Murphy war so hell, daß er fast ein Albino hätte sein können. Murphy nahm eine Akte vom Rosenholztisch und las mit großem Respekt in der Stimme daraus vor. Er hielt jede Seite extra zwischen seinen sauberen Fingern.

»Sir, Observierter flog Montag mit >Cathay Pacific Airlines< nach Bangkok, Einzelheiten des Fluges angegeben, und wurde am Flugplatz von Tan Shaw - unser Report liegt vor - in seiner Privatlimousine abgeholt. Sie fuhren direkt zur ständigen Suite von Airsea im Hotel Erawan.« Er blickte zu Sol hinüber. »Tan ist geschäftsführender Direktor von >Asian Rice and General<, Sir, das ist die >Airsea<-Tochter in Bangkok, alle Auskünfte liegen zu den Akten. Sie verbrachten drei Stunden in der Hotelsuite und -«

»Äh, Murphy«, unterbrach ihn Martello. »Sir?«

»Das »Report liegt von und >Auskünfte liegen zu den Akten« lassen Sie dann aus, ja? Wir alle wissen, daß wir über diese Burschen Akten haben. In Ordnung?«

»In Ordnung, Sir.«

»Ko allein?« fragte Sol.

»Sir, Ko hatte seinen Manager, einen gewissen Tiu bei sich. Tiu begleitet ihn praktisch überall hin.«

Als  Guillam hier wiederum riskierte, Smiley anzusehen, fing er einen fragenden Blick Smileys an Martello auf. Guillam vermutete, daß er an das Mädchen dachte - war sie auch dabeigewesen? -, aber Martellos mildes Lächeln zeigte keine Regung, und nach einem Moment schien Smiley sich damit abgefunden zu haben und nahm seine abwartende Haltung wieder ein. Sol hatte sich inzwischen seinem Assistenten zugewandt, es kam zu einem kurzen privaten Wortwechseclass="underline"

»Warum zum Teufel zapft nicht jemand diese verdammte Hotelsuite an, Cy? Was fürchten sie denn alle?«

»Wir schlugen das Bangkok bereits vor, Sol, aber sie haben Schwierigkeiten mit den Trennwänden, fanden keine geeigneten Vertiefungen oder so.«

»Diese Clowns in Bangkok sind arschlastige Schlafmützen. Ist das der gleiche Tan, den wir voriges Jahr wegen Heroin festnageln wollten?«

»Also das war Tan Ho, Sol. Dieser da ist Tan Lee. Es gibt unheimlich viele Tans dort drüben. Tan Lee ist nur ein Strohmann. Er besorgt den Kontakt zu Fatty Hong in Chiang Mai. Hong hinwiederum hat die Verbindungen zu den Anbauern und den Großhändlern.«

»Jemand sollte hingehen und das Schwein abknallen«, sagte Sol. Welches Schwein wurde nicht ganz klar. Martello nickte dem bleichen Murphy zu, er solle weitermachen. »Sir, die drei Männer fuhren dann hinunter zum Hafen - also Ko und Tan Lee und Tiu, Sir -, und sie sahen sich zwanzig oder dreißig kleine Küstenfahrzeuge an, die an der Pier entlang vertäut waren. Dann fuhren sie zurück zum Flugplatz von Bangkok, und der Observierte flog nach Manila, Philippinen, zu einer Zementkonferenz im Hotel Eden and Bali.«

»Tiu flog nicht nach Manila?« fragte Martello in hinhaltender Absicht.

»Nein, Sir. Flog nach Hause«, antwortete Murphy, und wiederum warf Smiley einen Blick zu Martello hinüber.

»Von wegen Zement«, rief Sol. »Waren das die Boote, die den Transport hinauf nach Hongkong besorgen, Murphy?«

»Ja, Sir.«

»Wir kennen diese Boote«, erklärte Sol vorwurfsvoll. »Wir sind seit Jahren hinter diesen Booten her. Stimmt's, Cy?«

»Stimmt«, bestätigte Cy prompt.

Sol war zu Martello herumgefahren, als wäre er persönlich daran schuld: »Sie verlassen den Hafen sauber. Nehmen den Stoff erst an Bord, wenn sie auf See sind. Niemand weiß, welches Boot die Fracht bekommt, auch nicht der Kapitän des betreffenden Schiffes, bis die Barkasse längsseits anlegt und ihnen den Stoff gibt. Sobald sie die Gewässer von Hongkong erreichen, werfen sie den Stoff über Bord, mit Bojen dran, und die Dschunken gabeln ihn auf.« Er sprach langsam, als tue das Sprechen ihm weh, jedes Wort quälte sich heiser heraus. »Wir liegen den Briten seit Jahren in den Ohren, daß sie diese Dschunken hopsgehen lassen, aber diese Schweine sind alle geschmiert.«

»Das ist alles, was wir haben, Sir«, sagte Murphy und legte seinen Bericht wieder auf den Tisch.

Wieder flogen Engel durch den Raum. Dann verschaffte ihnen ein hübsches Mädchen mit einem Tablett voll Kaffee und Keksen eine kurze Gnadenfrist. Aber als das Mädchen wieder draußen war, wurde das Schweigen noch peinlicher.

»Warum sagen Sie's ihm nicht einfach?« knurrte Sol endlich. »Sonst könnte sein, daß ich es tue.«

Womit sie, wie Martello gesagt haben würde, endlich zum Kern der Sache kamen.

Martello gab sich von nun an zugleich ernst und vertraulich: der Familienanwalt, der den Erben einen Letzten Willen vorliest. »George, äh, auf unsere Bitte hin hat Rauschgift nochmals einen Blick auf den Background und die Personalakte des vermißten Piloten Ricardo geworfen, und sie haben, wie wir beinah vermuteten, eine stattliche Menge Material ausgegraben, das bis dato nicht ans Licht gekommen war, aber hätte kommen sollen, dies aufgrund verschiedener Faktoren. Es führt meiner Ansicht nach zu nichts, jetzt auf irgendwen mit dem Finger zu deuten, und außerdem ist Ed Ristow ein kranker Mann. Sagen wir also, daß die Sache Ricardo, wie immer es auch passierte, in eine kleine Lücke zwischen Rauschgift und uns hineinfiel. Diese Lücke wurde inzwischen geschlossen, und wir möchten gern Ihre Informationen richtigstellen.«