Was, wie gesagt, zur Folge hatte, daß der ganze Fall auf den Kopf gestellt, der Spieß umgedreht wurde.
Sie kehrten zum Circus zurück, ohne ein Wort zu wechseln. Smiley stieg den letzten Treppenabsatz so langsam hinauf, daß Guillams Sorgen um die Gesundheit seines Chefs erneut erwachten und er bei nächster Gelegenheit den Arzt des Circus anrief, um ihm die Symptome zu schildern, wie er sie sah; nur um zu erfahren, daß Smiley den Arzt vor ein paar Tagen aus anderen Gründen konsultiert hatte und sich allem Anschein nach als unverwüstlich erwies. Die Tür des Thronsaals schloß sich, und Fawn, der Babysitter, hatte seinen geliebten Chef wieder einmal ganz für sich. Smileys Wünschen, soweit sie durchsickerten, haftete ein Ruch von Alchimie an. Beechcraft-Flugzeuge: er verlangte Pläne und Kataloge, und außerdem - vorausgesetzt, daß sie anonym zu beschaffen wären - alles über Besitzer, Käufe und Verkäufe dieser Maschinen in ganz Südostasien. Toby Esterhase tauchte pflichtschuldigst in das finstere Dickicht des Flugzeuggeschäfts, und bald darauf wurde Molly Meakin von Fawn ein entmutigender Stapel alter Nummern einer Zeitschrift ausgehändigt, die sich Transport World nannte, zusammen mit handschriftlichen Anweisungen von Smiley in der traditionell grünen Tinte seines Büros, wonach sie alle Inserate von Beechcraft-Flugzeugen heraussuchen sollte, die während der sechs Monate vor dem geplatzten Opiumtransport des Piloten Ricardo nach Rotchina das Auge eines potentiellen Käufers auf sich gezogen haben mochten.
Ebenfalls auf Smileys schriftlichen Befehl hin suchte Guillam einige von di Salis' Wühlmäusen auf und stellte ohne Wissen ihres temperamentvollen Vorgesetzten fest, daß sie noch immer weit davon entfernt waren, den Finger auf Nelson Ko zu legen. Ein älterer Knabe ging so weit, anzudeuten, daß Drake Ko bei seiner letzten Begegnung mit dem alten Hibbert nichts Geringeres als die Wahrheit gesprochen habe: nämlich, daß Bruder Nelson tatsächlich tot sei. Aber als Guillam diese Nachricht Smiley vortrug, schüttelte der nur ungeduldig den Kopf und gab ihm ein Telegramm zur Weiterleitung an Craw, worin dieser ersucht wurde, bei seiner dortigen Polizeiquelle und wenn möglich unter irgendeinem Vorwand alle amtsbekannten Einzelheiten über Reisen von Kos Manager Tiu nach und von Festland-China zu erfragen.
Craws ausführliche Antwort lag achtundvierzig Stunden später auf Smileys Schreibtisch und schien ihm einen seiner seltenen freudigen Augenblicke zu bereiten. Er ließ den Dienstwagen vorfahren und sich nach Hampstead kutschieren, wo er eine Stunde lang allein im sonnenhellen Frost durch die Heide wanderte, und laut Fawn die rotbraunen Eichhörnchen anglotzte, ehe er wieder in den Thronsaal zurückkehrte. »Aber sehen Sie denn nicht?« schalt er Guillam an diesem Abend in einer seiner ebenfalls seltenen Anwandlungen von Erregung. »Verstehen Sie denn nicht, Peter?« Und er schob ihm Craws Angaben unter die Nase und tippte sogar mit den Finger auf einen Eintrag: »Tiu ging sechs Wochen vor Ricardos Auftrag nach Schanghai. Wie lang blieb er dort? Achtundvierzig Stunden. Ach, Sie sind ein Dummkopf!«
»Ich bin nichts dergleichen«, protestierte Guillam. »Ich habe nur zufällig keinen direkten Draht zum lieben Gott, das ist alles.« In den Kellern spielte Smiley, in Klausur mit Millie McCraig, der Oberhorcherin, die Monologe des alten Hibbert nochmals ab und runzelte gelegentlich - sagte Millie - über di Salis' plumpes Drängen die Stirn. Im übrigen las er, schlich herum und sprach in kurzen intensiven Ausbrüchen mit Sam Collins. Diese Begegnungen kosteten Smiley, wie Guillam bemerkte, eine Menge Kraft, und seine Anwandlungen von Mißmut - die weiß Gott selten genug waren für einen Mann mit Smileys Belastungen - traten regelmäßig nach Sams Weggang auf. Und noch wenn sie abgeklungen waren, sah er angespannter und einsamer denn je aus, bis er wieder einen seiner langen nächtlichen Spaziergänge unternommen hatte.
Dann, etwa am vierten Tag, der in Guillams Leben aus irgendeinem Grund ein kritischer Tag war - wahrscheinlich wegen des Streits mit dem Schatzamt, das Craw keinen Bonus auszahlen wollte -, gelang es Toby Esterhase, durch die Netze Fawns und Guillams zu schlüpfen und unentdeckt in den Thronsaal zu gelangen, wo er Smiley ein Bündel fotokopierter Verkaufsverträge über eine brandneue viersitzige Beechcraft an die Firma Aerosuis & Co, eingetragen in Zürich, Einzelheiten anbei, vorlegte. Smiley war besonders erfreut über die Tatsache, daß die Maschine vier Sitze hatte. Die beiden rückwärtigen waren herausnehmbar, nur die Sitze des Piloten und Copiloten waren fest montiert. Das genaue Verkaufsdatum des Flugzeugs war der 20. Juli gewesen: also knapp einen Monat bevor der verrückte Ricardo zur Verletzung des rotchinesischen Luftraums gestartet war und es sich dann anders überlegt hatte. »Sogar Peter kann hier Zusammenhänge erkennen«, erklärte Smiley mit unbeholfener Neckerei. »Jetzt mal logisch, Peter, logisch.«
»Das Flugzeug wurde zwei Wochen nach Tius Rückkehr aus Schanghai verkauft«, erwiderte Guillam zögernd.
»Und weiter?« drängte Smiley. »Und weiter? Was folgt für uns daraus?«
»Wir fragen uns, wem die Firma Aerosuis gehört«, fauchte Guillam, der jetzt ausgesprochen reizbar wurde. »Genau. Vielen Dank«, sagte Smiley in gespielter Erleichterung. »Sie haben mir den Glauben an Ihre Fähigkeiten wiedergegeben, Peter. Und nun: was glauben Sie, wen wir an der Spitze von Aerosuis erblicken? Den Vertreter in Bangkok, keinen Geringeren.«
Guillam linste auf die Notizen auf Smileys Schreibtisch, aber Smiley war zu schnell für ihn und klappte die Hände darüber. »Tiu«, sagte Guillam und errötete prompt. »Hurra! Ja. Tiu. Gut gemacht.«
Aber als Smiley an diesem Abend Sam Collins holen ließ, hatten sich die Schatten wieder über seine hängenden Züge gesenkt.
Doch die Leinen waren ausgeworfen. Nach seinem Erfolg in der Luftfahrtindustrie wurde Toby Esterhase auf den Spirituosenhandel angesetzt und flog in der Maske eines Mehrwertsteuerinspektors zu den westschottischen Inseln, wo er drei Tage mit Stichproben in den Büchern einer auf den Terminverkauf von unabgelagerten Fässern spezialisierten Whiskybrennerei zubrachte. Er kehrte feixend wie ein erfolgreicher Bigamist zurück - um Connie zu zitieren.
Der Höhepunkt, in den dies alles einmündete, war ein außerordentlich langes Telegramm an Craw im Anschluß an eine feierliche Sitzung des Einsatz-Direktoriums - der Golden Oldies, um wiederum Connie zu zitieren, unter Hinzuziehung von Sam Collins. Diese Sitzung folgte einer ausgedehnten Lagebesprechung mit den Vettern, bei der Smiley sich jeglicher Erwähnung des abgängigen Nelson Ko enthielt, dafür jedoch gewisse weitere Überwachungs- und Kommunikationsmöglichkeiten vor Ort anforderte. Seinen Mitarbeitern erklärte Smiley seine Pläne folgendermaßen.
Bisher beschränkte sich die Operation auf das Sammeln von Informationen über Ko und die Verzweigungen der sowjetischen Goldader. Es war alles getan worden, um zu verhindern, daß Ko vom Interesse des Circus an seiner Person Wind bekäme. Dann faßte er zusammen, was sie bisher erzielt hatten: Nelson, Ricardo, Tiu, die Beechcraft, die Daten, die Verbindungslinien, die in der Schweiz eingetragene Luftfahrtgesellschaft - die, wie sich jetzt herausstellte, weder Geschäftsräume noch weitere Maschinen besaß. Er würde lieber, sagte er, auf die positive Identifizierung Nelsons warten, aber jede Operation sei ein Kompromiß, und die Zeit werde, unter anderem dank den Vettern, schon recht knapp.