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»Vielen Dank, Lawrence«, sagte sie süß und schenkte ihm ein Lächeln, das ihm für die ganze Nacht reichen würde. »Die Menschen hier sind so wundervoll, Jerry«, vertraute sie ihm im Bühnenflüstern an, als sie sich zum Haupteingang bewegten. »Wenn ich denke, was wir in Laos über die Chinesen gesagt haben! Und hier sind sie einfach die wundervollsten und herzlichsten und originellsten Menschen, die man sich vorstellen kann.« Sie war in einen staatenlosen ausländischen Akzent geschlüpft, stellte Jerry fest. Mußte ihn von Ricardo angenommen und als besonders schick beibehalten haben. »Die Leute denken immer: »Hongkong - sagenhaft zum Einkaufen - zollfreie Kameras - Restaurants -<, aber ehrlich, Jerry, wenn man wirklich eindringt und das wahre Hongkong kennenlernt und die Menschen - es ist alles da, was man sich im Leben irgend wünschen kann. Finden Sie meinen neuen Wagen nicht hinreißend?«

»So geben Sie also den Whiskyrebbach aus.« Er streckte die geöffnete Hand hin, und sie ließ die Schlüssel hineinfallen, damit er ihr die Tür aufschließen konnte. In stummem Gebärdenspiel gab er ihr die Orchideen zu halten. Hinter dem schwarzen Peak glomm der noch nicht aufgegangene Vollmond wie ein Waldbrand. Sie stieg ein, er reichte ihr die Schlüssel, und diesmal fühlte er die Berührung ihrer Hand und mußte wieder an Happy Valley denken und an Kos Kuß, als sie abfuhren.

»Darf ich auf dem Rücksitz mitfahren?« fragte er.

Sie lachte und öffnete ihm die Beifahrertür: »Wohin wollen Sie überhaupt mit diesen prächtigen Orchideen?«

Sie ließ den Motor an, aber Jerry stellte ihn sanft wieder ab, so daß sie ihn erstaunt anstarrte.

»Altes Haus«, sagte er ruhig. »Ich kann nicht lügen. Ich bin eine Natter an Ihrem Busen, und ehe Sie mich irgendwohin fahren, sollten Sie sich anschnallen und die leidige Wahrheit hören.« Er hatte den Augenblick sorgfältig gewählt, weil er nicht wollte, daß sie sich bedroht fühlte. Sie saß am Steuer ihres eigenen Wagens, unter der beleuchteten Markise ihres eigenen Wohnblocks, nur sechzig Fuß von Lawrence, dem Portier, entfernt, und er spielte den reuigen Sünder, damit sie sich um so sicherer fühlen sollte.

»Unsere zufällige Begegnung war kein reiner Zufall. Das ist Punkt eins. Punkt zwei, um es gleich ganz ehrlich zu sagen: meine Zeitung hat mich beauftragt, Sie ausfindig zu machen und Sie mit zahlreichen neugierigen Fragen über Ihren verstorbenen Kumpel Ricardo zu bestürmen.«

Sie beobachtete ihn noch immer, wartete noch immer. An der Kinnspitze hatte sie zwei kleine parallellaufende Narben wie ziemlich tiefe Krallenspuren. Er fragte sich, wer sie ihr beigebracht hatte und womit.

»Aber Ricardo ist tot«, sagte sie viel zu früh.

»Klar«, sagte Jerry beruhigend. »Unstreitig. Aber die Zeitung hat etwas, was sie gern als heißen Tip bezeichnet, daß er doch noch lebt, und es ist mein Job, ihr den Willen zu tun.«

»Aber das ist vollkommen absurd!«

»Genau. Total. Die sind verrückt geworden. Der Trostpreis sind zwei Dutzend gut durchgeknetete Orchideen und das beste Dinner in der Stadt.«

Sie wandte sich von ihm ab und blickte durch die Windschutzscheibe, so daß ihr Gesicht im vollen Strahl der Lampe war, und Jerry überlegte, wie es sein mochte, in einem so wunderschönen Körper zu wohnen, ihm vierundzwanzig Stunden am Tag Ehre zu machen. Ihre grauen Augen öffneten sich ein wenig weiter, und ihn überkam die boshafte Ahnung, er solle die aufsteigenden Tränen zur Kenntnis nehmen und die Art, wie ihre Hände sich haltsuchend an das Steuerrad klammerten. »Entschuldigen Sie«, flüsterte sie. »Es ist nur - wenn man einen Mann liebt - alles für ihn aufgibt, und er stirbt - und dann, eines Abends, aus heiterem Himmel -«

»Klar«, sagte Jerry. »Tut mir leid.«

Sie ließ den Motor an. »Warum sollte es Ihnen leid tun? Wenn er lebt, um so besser. Wenn er tot ist, bleibt alles, wie es ist. Es steht ein Pfund zu gar nichts.« Sie lachte. »Ric sagte immer, er sei unverwüstlich.«

Es ist, als würde man einen blinden Bettler bestehlen, dachte er. Sie dürfte nicht allein herumlaufen.

Sie fuhr gut, aber verkrampft, und er schloß daraus, daß sie erst vor kurzem ihre Fahrprüfung abgelegt hatte und daß der Wagen die Belohnung dafür war. Es war die ruhigste Nacht der Welt. Als sie zur Innenstadt hinunterglitten, lag der Hafen wie ein makelloser Spiegel in der Mitte der Schmuckschatulle. Sie sprachen über Lokale. Jerry schlug das Peninsula vor, aber sie schüttelte den Kopf.

»Okay. Dann gehen wir zunächst mal auf einen Drink«, sagte er.

»Los, wir wollen tüchtig auf den Zünder hauen!«

Zu seiner Überraschung faßte sie nach seiner Hand und drückte sie. Dann fiel ihm Craw ein. Das mache sie mit jedem so, hatte er gesagt.

Sie war für eine Nacht von der Kette: das war sein überwältigender Eindruck. Er erinnerte sich, wie er einmal seine Tochter Cat, als sie noch klein war, aus der Schule geholt hatte und wie sie eine ganze Menge verschiedener Dinge unternehmen mußten, um den Nachmittag zu dehnen. In einer dunklen Diskothek in Kaulun tranken sie Remy Martin mit Eis und Soda. Er vermutete, es sei Kos Lieblingsdrink, und sie hatte ihn sich angewöhnt, um Ko Gesellschaft zu leisten. Es war noch früh, und im Lokal waren vielleicht ein Dutzend Leute, mehr nicht. Die Musik war laut und sie mußten schreien, um sich zu verständigen, aber Lizzie erwähnte Ricardo mit keinem Wort. Sie hielt sich an die Musik, der sie mit zurückgeneigtem Kopf lauschte. Manchmal hielt sie seine Hand, und einmal legte sie den Kopf an seine Schulter, und einmal küßte sie ihn flüchtig und schwebte dann zum Parkett, um einen langsamen einsamen Tanz mit geschlossenen Augen und leisem Lächeln zu zelebrieren. Die Männer vergaßen ihre eigenen Mädchen und zogen Lizzie mit ihren Blicken aus. Die chinesischen Kellner brachten alle drei Minuten frische Aschenbecher, als Vorwand, um ihr in den Ausschnitt zu linsen. Nach zwei Drinks und einer halben Stunde bekundete sie eine Leidenschaft für den Duke und den Big-Band-Sound, und sie rasten zurück zur Insel und zu einem Lokal, das Jerry kannte und wo eine lebende Philippino-Kapelle recht ordentlich Ellington spielte. Cat Andersen sei das Beste, sagte sie, was es außer geschnittenem Brot gebe. Ob er einmal Armstrong und Ellington zusammen gehört habe? Waren sie nicht einfach die Größten? Wiederum Remy Martin, während sie ihm >Mood Indigo< vorsang. »Hat Ricardo getanzt?« fragte Jerry.

»Hat er getanzt?« sagte sie leise dagegen, während sie mit dem Fuß den Takt schlug und dazu leicht mit den Fingern schnalzte.

»Dachte, Ricardo hätte gehinkt?« warf Jerry ein.

»Das hat ihn nie gehindert«, sagte sie, noch immer ganz in die Musik vertieft. »Ich werde nie zu ihm zurückgehen, verstehen Sie.

Niemals. Dieses Kapitel ist abgeschlossen. Und wie.«

»Wo hatte er's her?«

»Das Tanzen?«

»Das Hinken.«

Sie krümmte den Finger um einen imaginären Abzug und feuerte einen Schuß in die Luft ab.

»Es war entweder der Krieg oder ein aufgebrachter Ehemann«, sagte sie. Er ließ es sich wiederholen, und diesmal waren ihre Lippen dicht an seinem Ohr.

Sie kannte ein neues japanisches Restaurant, wo es phantastisches Kobe-Beef gab.