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»Sagen Sie, woher haben Sie diese Narben?«, fragte er, als sie hinfuhren. Er faßt sich an sein eigenes Kinn. »Die linke und die rechte. Wie ist das passiert?«

»Ach, bei der Hätz auf unschuldige Füchse«, sagte sie mit leisem Lächeln. »Mein lieber Papa war ein Pferdenarr. Ich fürchte, er ist es noch immer.«

»Wo lebt er?«

»Daddy? Ach, das übliche verfallene Schloßgemäuer in Shropshire. Meilen zu groß, aber sie wollen nicht weg. Kein Personal, kein Geld, drei Viertel des Jahres eiskalt. Mama kann nicht mal ein Ei kochen.«

Er hatte sich noch nicht wieder erholt, als ihr eine Bar einfiel, wo man himmlische Curry-Canapes bekam, also fuhren sie herum, bis sie das Lokal gefunden hatten, und sie küßte den Barmann. Es gab keine Musik. Er wußte selbst nicht, wie es zuging, daß er ihr plötzlich von sich und der Waise erzählte. Wie es zur Trennung kam, verschwieg er aus guten Gründen.

»Ah, aber Jerry, darling«, sagte sie lehrhaft: »Mit fünfundzwanzig Jahren Unterschied zwischen Ihnen und ihr, was können Sie da anderes erwarten?«

Und mit neunzehn Jahren und einer chinesischen Ehefrau zwischen dir und Drake Ko, was zum Teufel kannst du erwarten? dachte er beinah ärgerlich.

Sie gingen - nochmals Küßchen für den Barmann -, und Jerry war weder durch ihre Gesellschaft noch von den Cognac-Sodas so berauscht, daß ihm der Telefonanruf entgangen wäre, den sie angeblich tätigte, um eine Verabredung abzusagen, noch die ungewöhnliche Dauer dieses Telefonanrufs noch ihre ziemlich ernste Miene, als sie zurückkam. Als sie wieder im Wagen saßen, erhaschte er ihren Blick und glaubte, darin eine Spur von Mißtrauen zu lesen. »Jerry?«

»Ja?«

Sie schüttelte den Kopf, lachte, strich ihm mit der Hand übers Gesicht, dann küßte sie ihn. »Lustig«, sagte sie. Er nahm an, sie verstehe nicht recht, wieso sie ihn vollständig vergessen haben konnte, wenn sie ihm wirklich damals dieses Faß ungelagerten Whisky verkauft hatte. Er nahm an, sie überlege ferner, ob sie ihm wohl, zusammen mit dem Verkauf des Whisky, weitere Dienstleistung hatte zukommen lassen, von der Art, auf die Craw so unverblümt angespielt hatte. Aber das war ihr Problem, fand er. Von Anfang an gewesen.

Im japanischen Restaurant bekamen sie, dank Lizzies Lächeln und anderer Attribute, den Ecktisch. Sie saß so, daß sie den Raum überblickte, und er saß da und blickte Lizzie an, was recht hübsch war für Jerry, aber Sarratt zum hellen Wahnsinn getrieben hätte. Im Kerzenlicht sah er ihr Gesicht sehr deutlich und nahm zum erstenmal bewußt die Zeichen der Abnutzung wahr: nicht nur die Krallenspuren an ihrem Kinn, sondern auch die Zeugnisse ihrer Reisen und Strapazen, die für Jerry eine bestimmte Qualität besaßen, wie ehrenhafte Narben aus all den Kämpfen gegen ihr Pech und ihren Unverstand. Sie trug ein entzückendes Goldarmband, neu, und eine verbeulte Blechuhr mit einem Walt-Disney-Zifferblatt und verkratzten behandschuhten Zeigern, die auf die Ziffern wiesen. Ihre Anhänglichkeit an die alte Uhr beeindruckte ihn, und er wollte wissen, wer sie ihr geschenkt habe. »Daddy«, sagte sie zerstreut.

Über ihnen, im Plafond, war ein Spiegel eingelassen, und Jerry konnte zwischen den Skalps der Speisenden Lizzies goldenes Haar und den Ansatz ihres Busens sehen und den Goldstaub der Härchen in ihrem Nacken. Als er versucht hatte, sie mit Ricardo zu überrumpeln, war sie argwöhnisch geworden: Jerry hätte merken müssen, was er indessen nicht tat, daß ihre Haltung sich verändert hatte, seit sie diesen Telefonanruf tätigte. »Welche Garantie habe ich, daß mein Name nicht in Ihrem Blatt erscheint?« fragte sie. »Nur mein Versprechen.«

»Aber wenn Ihr Redakteur weiß, daß ich Ricardos Mädchen war, was könnte ihn daran hindern, ihn hineinzusetzen?«

»Ricardo hatte massenhaft Mädchen. Das wissen Sie. Er hatte sie in jeder Machart und Größe, nacheinander und gleichzeitig.«

»Aber mich gab es nur einmal«, sagte sie fest, und er sah sie zur Tür blicken. Aber sie hatte bekanntermaßen die Gewohnheit, wo immer sie auch sein mochte, sich dauernd nach jemandem umzusehen, der nicht anwesend war. Er überließ ihr weiterhin die Initiative.

»Sie sagten, Ihr Blatt habe einen heißen Tip«, sagte sie. »Was ist damit gemeint?«

Die Antwort hierauf hatte er mit Craw zurechtgezimmert, ja, sogar richtiggehend eingeübt. Daher gab er sie nun energisch, wenn nicht sogar überzeugt von sich.

»Ries Absturz ereignete sich vor achtzehn Monaten in den Bergen bei Peilin nahe der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha. Niemand fand eine Leiche, niemand fand Wrackteile, und es geht das Gerücht, er habe Opium geflogen. Die Versicherung zahlte nie die Police aus, und Indocharter reichte nie eine Klage ein. Warum nicht? Weil Ricardo einen Exklusiwertrag hatte, für sie zu fliegen. A propos, warum verklagt niemand Indocharter? Zum Beispiel Sie? Sie waren seine Lebensgefährtin. Warum reichten Sie nicht Schadenersatzklage ein?«

»Das ist eine sehr vulgäre Bemerkung«, sagte sie mit ihrer Herzoginnenstimme.

»Außerdem heißt es auch, er sei unlängst in der einen oder anderen Spelunke gesehen worden. Er hat sich einen Bart wachsen lassen, aber das Hinken kann er nicht kaschieren, heißt es, so wenig wie seine löbliche Gepflogenheit, pro Tag einer Flasche Whisky den Hals zu brechen oder, mit Verlaub gesagt, im Umkreis von fünf Meilen oder wo er gerade geht und steht hinter allem herzulaufen, was einen Rock anhat.« Sie rüstete sich zu einer Erwiderung, aber er wollte seinen Spruch bis zum Ende aufsagen.

»Der Chefportier im Hotel Rincome in Chiang Mai identifizierte ihn nach einem Foto, trotz des Barts. Gut, wir Europäer sehen für sie alle gleich aus. Aber er war seiner Sache wirklich ziemlich sicher. Ferner, erst im vergangenen Monat nahm ein fünfzehn Jahre altes Mädchen in Bangkok, Einzelheiten liegen vor, ihr Bündelchen mit zum mexikanischen Konsulat und benannte Ricardo als den glücklichen Vater. Ich persönlich glaube nicht an Achtzehnmonatskinder, und Sie vermutlich auch nicht. Und sehen Sie mich nicht so an, altes Haus. War nicht meine Idee, oder?«

Es war Londons Idee, hätte er hinzufügen können, eine so saubere Mischung aus Fakten und Fiktion, wie sie nur jemals zum Bäumeschütteln verwendet wurde. Aber das Mädchen sah in Wahrheit an ihm vorbei, wieder genau auf die Tür. »Noch etwas, wonach ich Sie fragen möchte, ist dieser faule Zauber mit den Whiskyfässern«, sagte er.

»Es war kein fauler Zauber, Jerry, es war ein absolut korrektes Unternehmen.«

»Altes Haus. Sie waren absolut in Ordnung. Keine Spur von Skandal mit Ihnen verknüpft. Etcetera. Aber wenn Ric ein paar faule Sachen zuviel gemacht haben sollte, so könnte das doch ein Grund sein für das altbewährte Verschwindez-vous oder?«

»Das sähe Ric nicht ähnlich«, sagte sie nach einer Weile, und es klang wenig überzeugt. »Er wollte immer der stadtbekannte große Mann sein. Davonlaufen war nicht seine Art.« Es tat ihm aufrichtig leid, daß er sie so quälen mußte. War genau das Gegenteil dessen, was er sich normalerweise für sie gewünscht hätte. Er beobachtete sie und wußte, daß sie bei jedem Wortgefecht immer der Verlierer war; sie fühlte sich dabei hoffnungslos unterlegen und schickte sich in die Niederlage. »Zum Beispiel«, fuhr Jerry fort - während sie besiegt den Kopf senkte -, »wenn bewiesen würde, daß Ihr Ric, wenn er seine Fässer losschlug, das Geld für sich behielt und, anstatt es an die Brennerei abzuführen - reine Hypothese, nicht der geringste Beweis -, dann, in diesem Fall . . . «