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Nun tat Jerry den ersten von mehreren nicht mehr rückgängig zu machenden Schritten:

»Als Ricardo verscholl, flog er keine alte Kiste. Er flog eine nagelneue Beechcraft«, berichtigte er sie mit voller Überlegung. »Indocharter hatte nie eine Beechcraft im Besitz. Auch heute nicht. Mein Redakteur hat das alles genau nachgeprüft, fragen Sie mich nicht, wie Indocharter hat nie eine Beechcraft gemietet, nie eine gepachtet, nie eine durch Absturz verloren.« Tiu mußte wieder schallend lachen.

Tiu ist ein eiskalter Bischof, Eminenz, hatte Craw gewarnt. Hat Monsignore Kos Diözese in San Francisco fünf Jahre lang mit beispielhafter Tüchtigkeit geleitet, und das Schlimmste, was die Rauchgiftzwerge ihm anhängen konnten, war, daß er an einem Feiertag seinen Rolls-Royce gewaschen hat.

»Heh, Mr. Wessby, vielleicht hat Lizzie eine für sie geklaut!« rief Tiu mit seinem halb amerikanischen Akzent. »Vielleicht ist sie nachts losgezogen und hat Flugzeuge von anderen Gesellschaften geklaut.«

»Mr. Tiu, das ist aber sehr garstig von Ihnen!« schalt Lizzie. »Wie gefällt Ihnen das, Pferdeschreiber? Wie?« Die Heiterkeit an ihrem Tisch hatte jetzt eine für drei Personen so ungewöhnliche Lautstärke erreicht, daß sich mehrere Köpfe neugierig nach ihnen umdrehten. Jerry sah sie in den Spiegeln, wo er schon beinah erwartete, Ko höchstpersönlich zu erblicken, wie er mit seinem krummbeinigen Seemannsgang durch die Bambustür auf sie zugewatschelt kam. Lizzie plapperte unbesonnen weiter.

»Oh, es war ein richtiges Märchen! In einem Augenblick hat Ric kaum noch genug zu essen und schuldete uns allen Geld, Charlies Ersparnisse, mein Nadelgeld von Daddy. Ric hat uns praktisch alle an den Bettelstab gebracht. Natürlich gehörte unser Geld ganz selbstverständlich auch ihm. Und dann, ehe wir's uns versahen, hatte Ric Arbeit, war schuldenfrei, das Leben war wieder ein Fest. Alle die anderen armen Piloten saßen auf Grund, und Ric und Charlie flogen überall herum, wie . . . «

» . . . wie die Fliegenpilze«, schlug Jerry vor, worauf Tiu sich vor Lachen so sehr krümmte, daß er sich an Jerrys Schulter klammern mußte, um nicht unter den Tisch zu fallen - während Jerry das unbehagliche Gefühl hatte, als sollte ihm für das Messer Maß genommen werden.

»Heh, das ist aber gut! Fliegenpilze! Gefällt mir. Lustiger Bursche sind Sie, Pferdeschreiber!«

Genau an dieser Stelle und unter dem Druck von Tius fröhlichen Unverschämtheiten leistete Jerry ausgezeichnete Arbeit. Die beste, sagte Craw später. Er überging Tiu völlig und griff den Namert auf, den Lizzie gerade erwähnt hatte. »Tja, was ist übrigens aus dem guten alten Charlie geworden, Lizzie?« fragte er, obwohl er keine Ahnung hatte, wer Charlie sein mochte. »Was ist aus ihm geworden, nachdem Ric auf offener Bühne verschwand? Sagen Sie bloß nicht, er ist auch mit seinem Schiff untergegangen.«

Wiederum entschwand sie auf einer neuen Woge der Geschwätzigkeit, und Tiu genoß offensichtlich alles, was er hörte, kicherte und nickte und gluckste, während er aß.

Er will den Spielstand feststellen, dachte Jerry. Dieser Gauner ist nicht eigens hierhergekommen, um Lizzie an die Kandare zu legen. Ich mache ihm Sorgen, nicht sie.

»Oh, Charlie ist unverwüstlich, absolut unsterblich«, erklärte Lizzie, und wiederum mußte Tiu herhalten. »Charlie Marshall, Mr. Tiu«, klärte sie ihn auf. »Ach, Sie sollten ihn kennen, ein phantastischer Halbchinese, nur Haut, Knochen und Opium und ein ausgesprochen fabelhafter Pilot. Sein Vater ist ein alter Kuomintang, ein schrecklicher Brigant und lebt droben in den Shan-Staaten. Seine Mutter war eine arme junge Korsin - sie wissen, daß die Korsen scharenweise nach Indochina kamen -, aber er ist wirklich absolut einmalig. Wissen Sie, warum er sich Marshall nennt? Sein Vater wollte ihm nicht seinen eigenen Namen geben. Also was tut unser Charlie? Legt sich statt dessen den höchsten Dienstrang in der Army zu. >Mein Dad ist General, aber ich bin Marschall<, sagte er immer. Ist das nicht drollig? Und weit besser als Admiral, würde ich meinen.«

»Super«, pflichtete Jerry bei. »Großartig. Charlie ist ein toller Bursche.«

»Liese ist selber ziemlich einmalig, Mr. Wessby«, bemerkte Tiu großzügig, und Jerry ließ nicht locker, bis sie darauf tranken - auf Lieses Einmaligkeit.

»Heh, was soll eigentlich immer dieses Liese?« fragte Jerry, als er sein Glas absetzte. »Sie heißen doch Lizzie. Wer ist diese Liese? Mr. Tiu, ich kenne die Dame nicht. Warum weihen Sie mich nicht ein?«

Hier wandte Lizzie sich endgültig hilfesuchend an Tiu, aber Tiu hatte sich etwas aus rohem Fisch bestellt und aß hastig und hingebungsvoll.

»Manche Pferdeschreiber fragen verdammt viel«, äußerte er mampfend.

»Neue Stadt, neues Blatt, neuer Name«, sagte Lizzie endlich mit wenig überzeugendem Lächeln. »Ich wollte Abwechslung, also habe ich mir einen neuen Namen zugelegt. Manche Frauen legen sich eine neue Frisur zu, ich lege mir einen neuen Namen zu.«

»Haben Sie sich auch einen neuen Freund zugelegt?« fragte Jerry. Sie schüttelte mit niedergeschlagenen Augen den Kopf, während Tiu eine Lachsalve losließ.

»Was ist los mit dieser Stadt, Mr. Tiu?« fragte Jerry und suchte instinktiv, sie zu decken, »{find die Burschen hier alle blind geworden oder was? Mein Gott, ich würde Kontinente durchqueren für sie, Sie etwa nicht? Egal, wie sie sich nennt, wie?«

»Ich gehe von Kaulun nach Hongkong, nicht weiter!« sagte Tiu, riesig belustigt über seinen eigenen Witz. »Oder ich bleibe in Kaulun und ruf sie an, sie soll für eine Stunde zu mir kommen!« Worauf Lizzies Augen niedergeschlagen blieben, und Jerry dachte, es müßte ein Hauptspaß sein, bei einer anderen Gelegen- heit, wenn sie alle mehr Zeit hätten, Tius fettes Genick an mehreren Stellen zu brechen.

Nur leider hatte ihm Craw nicht auf die Einkaufsliste geschrieben, daß er Tiu das Genick brechen solle.

Das Geld, hatte Craw gesagt. Im richtigen Moment zapfen Sie ein Ende der Goldader an, das ist dann Ihr großes Finale.

Also, brachte er sie auf das Thema Indocharter. Wer waren diese Leute, hatte sie gern für die Firma gearbeitet? Sie sprang so prompt darauf an, daß er sich fragte, ob ihr am Ende dieses Leben auf des Messers Schneide mehr Spaß gemacht habe als er sich vorstellte.

»Oh, es war ein phantastisches Abenteuer, Jerry! Sie können es sich nicht im Traum vorstellen, das schwöre ich Ihnen.« Wiederum Ries multinationaler Akzent: »Fluggesellschaft: allein schon das Wort ist so absurd. Ich meine, Sie dürfen dabei nicht an ihre funkelnagelneuen Flugzeuge denken und ihre bezaubernden Stewardessen und Champagner und Kaviar oder dergleichen, keine Spur. Das war Arbeit. Das war Pionierarbeit, und das hat mich in allererster Linie dazu hingezogen. Ich hätte ohne weiteres von Daddys Geld leben können oder vom Geld meiner Tanten, ich meine, glücklicherweise bin ich absolut unabhängig, aber wer kann der Herausforderung widerstehen? Unser Grundstock waren ein paar schauderhafte alte DC 3, buchstäblich mit Bindfaden und Kaugummi zusammengehalten. Wir mußten sogar die Zulassungsbescheinigungen kaufen. Niemand wollte sie ausstellen. Danach flogen wir buchstäblich alles: Hondas, Gemüse, Schweine. Oh, die Jungens hatten solche Geschichten mit diesen armen Schweinen. Sie sind ausgebrochen, Jerry. Kamen in die Erste Klasse, sogar in die Pilotenkabine, stellen Sie sich vor!«