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»Verstehe«, sagt Smiley ruhig. Kritzelnd schürzt er die Lippen, wie tadelnd, während die Brauen sehr weit nach oben wandern. »Sein Posten in Kiangnan verschaffte ihm auch eine Reihe von Sitzen in den Planungsausschüssen für Marineangelegenheiten und auf dem Gebiet des Nachrichtenwesens und der Langzeit-Strategie. Ab neunzehnhundertdreiundsechzig kann man seinen Namen regelmäßig in den Peking-Reports der Vettern lesen.«

»Gut gemacht, Karla«, sagt Guillam, der neben Smiley sitzt, ruhig, und Smiley, der noch immer schreibt, schließt sich dieser Meinung tatsächlich an, indem er »ja« sagt.

»Der einzige, Peter, Lieber!« kräht Connie, die plötzlich nicht mehr länger an sich halten kann. »Der einzige von allen diesen Kröten, der es kommen sah! Eine Stimme in der Wildnis war er, was, Trot? >Gebt acht auf die gelbe Gefahr<, hat er sie gewarnt. >Eines Tages machen sie kehrt und beißen die Hand, die sie füttert, so sicher wie irgend etwas. Und wenn es soweit ist, dann habt ihr achthundert Millionen neue Feinde, die an eure Hintertür dreschen. Und eure Kanonen zeigen alle in die falsche Richtung. Laßt es euch gesagt sein.< Hat sie gewarnt«, wiederholte sie und zog in ihrer Erregung den Bastardhund heftig am Ohr. »Hat alles in einer Schrift niedergelegt, »Aufstrebender sozialistischer Partner zeigt abweichlerische Tendenzen«. Rannte zu jedem kleinen Lümmel im Kollegium der Moskauer Zentrale damit. Entwarf es Wort für Wort in seinem schlauen kleinen Kopf, während er seine Zeit in Sibirien für Onkelchen Joe Stalin absaß. »Spioniere heute schon bei deinen Freunden, sie werden morgen bestimmt deine Feinde sein«, hat er sie gewarnt. Ältester Spruch in der Branche, Karlas Lieblingsspruch. Als sie ihm seinen Job zurückgaben, hat er ihn praktisch auf dem Dschertschiniskij-Platz ans Schwarze Brett genagelt. Kein Mensch hat sich auch nur einen Deut darum geschert. Nicht die Bohne. Fiel auf unfruchtbaren Boden, mein Lieber. Fünf Jahre später erwies sich, daß er recht gehabt hatte, und das Kollegium dankte ihm auch dafür nicht, das kann ich Ihnen sagen! Er hat nach ihrem Geschmack eine Spur zu oft recht gehabt, diese Gimpel, wie, Trot! Du weißt es, darling, du weißt, worauf die alte Närrin hinauswill!« Worauf sie den Hund an den Vorderpfoten ein paar Zoll hochhebt und ihn wieder auf ihren Schoß plumpsen läßt.

Connie kann es nicht ertragen, daß der alte Doc das Rampenlicht für sich allein hat, finden sie in stillschweigender Übereinstimmung. Sie sieht die Logik ein, aber die Frau in ihr kann sich nicht mit der Realität abfinden.

»Sehr schön, er wurde reingewaschen, Doc« sagt Smiley gelassen und stellt damit die Ruhe wieder her. »Gehen wir nochmals zurück zum Jahr siebenundsechzig, ja?« Und er stützt wiederum das Kinn in die Hand.

Im Halbdunkel linst Karlas Porträt ausdruckslos auf die Versammlung herab, während di Salis weiterspricht. »Nun ja, die übliche unerfreuliche Geschichte, darf man annehmen, Chef«, leiert er. »Kriegte wohl die Eselsmütze auf. Auf der Straße angespuckt. Frau und Kinder herumgestoßen und verprügelt. Umerziehungshaft, Arbeitslager >dem Ausmaß seines Verbrechens angepaßt<. Zwangsweise Wiederentdeckung der bäuerlichen Tugenden. Einer der Berichte vermeldet, er sei in eine ländliche Gemeinde geschickt worden, um sein Gewissen zu prüfen. Und als er wieder nach Schanghai zurückgekrochen kam, ließen sie ihn nochmals ganz von unten anfangen, Bolzen in Eisenbahnschienen treiben oder was auch immer. Was die Russen anging - wenn sie unser Thema sind« - spricht er hastig weiter, ehe Connie ihn wieder unterbrechen kann -, »so war er eine Enttäuschung. Kein Zugriff, keinen Einfluß, keine Freunde.«

»Wie lang hat er gebraucht, um wieder nach oben zu klettern?« fragt Smiley mit einem charakteristischen Senken der Lieder. »Vor ungefähr drei Jahren bekam er zum erstenmal wieder eine gehobene Funktion. Auf lange Sicht hat er das, was ihnen am meisten fehlt: Verstand, technisches Know-how, Erfahrung. Aber seine formelle Rehabilitierung fand erst Anfang dreiundsiebzig, statt.«

Während di Salis mit der Beschreibung der verschiedenen Stadien von Nelsons ritueller Wiedereinsetzung in Ämter und Würden fortfährt, zieht Smiley ruhig eine Akte heran und schlägt andere Daten nach, die für ihn aus bisher noch ungeklärten Gründen plötzlich von brennender Relevanz sind.

»Die Zahlungen an Drake setzen Mitte zweiundsiebzig ein«, murmelt er. »Sie steigen Mitte dreiündsiebzig steil an.«

»Zugleich mit Nelsons neuerlichem Zugriff, darling«, raunt Connie ihm zu wie eine Souffleuse. »Je mehr er weiß, desto mehr sagt er, und je mehr er sagt, desto mehr kriegt er. Karla zahlt nur für Bonbons, und auch dann noch tut es ihm höllisch weh.« Dreiundsiebzig - sagt di Salis - sei Nelson, nachdem er sämtliche einschlägigen Geständnisse ablegte, in das Revolutionskomittee der Stadtverwaltung von Schanghai aufgenommen und zum Verantwortlichen für eine Marineeinheit der Volksarmee ernannt worden. Sechs Monate später -»Datum?« unterbricht Smiley. »Juli dreiundsiebzig.«

»Und wann wurde Nelson formell rehabilitiert?«

»Der Rehabilitierungsprozeß begann im Januar dreiundsiebzig.«

»Vielen Dank.«

Sechs Monate später, so berichtet di Salis weiter, sitzt Nelson in nicht bekanntet Funktion im Zentralkomitee der Chinesischen Kommunistischen Partei.«

»Heiliger Strohsack«, sagt Guillam leise, und Molly drückt verstohlen seine Hand.

»Und ein Bericht der Vettern«, sagt di Salis, »undatiert, wie üblich, aber gut belegt, bezeichnet Nelson als inoffiziellen Berater am Rüstungs- und Beschaffungsausschuß des Verteidigungsministeriums.«

Anstatt diese Enthüllung mit seiner gewohnten Kollektion von Ticks zu garnieren, hält di Salis wiederum eisern still, was die Wirkung erhöht.

»Was Qualifikation betrifft, Chef«, fährt er ruhig fort, »vom operativen Standpunkt aus gesehen würden wir von der China-Abteilung Ihres Hauses dies als eine der Schlüsselpositionen in der gesamten chinesischen Administration betrachten. Wenn es uns freistünde, ein Plätzchen für einen Agenten innerhalb des Festlands auszusuchen, so könnte unsere Wahl durchaus auf Nelsons Posten fallen.«

»Gründe?« will Smiley wissen, dessen Aufmerksamkeit noch immer abwechselnd seiner Niederschrift und dem geöffnet vor ihm liegenden Aktenband gilt.

»Die chinesische Marine ist noch immer in der Steinzeit. Natürlich haben wir formal Interesse am technologischen Wissen der Chinesen, aber unsere wahren Prioritäten liegen, wie wohl auch die Moskaus, auf strategischem und politischem Gebiet. Darüber hinaus könnte Nelson uns die Gesamtkapazität sämtlicher chinesischer Werften liefern. Und nochmals darüber hinaus könnte er uns das Potential der chinesischen U-Boot-Flotte angeben, die für die Vettern schon seit Jahren ein Schreckgespenst ist. Und für uns desgleichen, wenigstens zeitweise, wie ich vielleicht hinzufügen darf.«