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Keine Frage, Hugh Gregory war der Mörder. Jeder mußte das zugeben und war tief betrübt darüber. Doch die meisten waren überzeugt, daß ihn keine niedrigen Beweggründe, sondern das unstillbare Bedürfnis nach Rache für die lang erduldeten Beleidigungen dazu getrieben hätten. Hugh beteuerte eisern seine Unschuld, trotz der fatalen Kette belastender Indizien. Seine Unschuldsbekundungen klangen so aufrichtig, daß sich einige Leute aus dem Dorf eine Weile in ihrer Meinung irremachen ließen, doch nur eine Weile; denn am mittleren Nachmittag fand man ein blutiges Messer, das, wie allseits bekannt, Hugh gehörte, am unteren Ende seiner Matratze versteckt; ein verschwindend kleiner roter Fleck auf dem Drillich hatte die Aufmerksamkeit auf den schmalen Riß gelenkt, durch den das Messer hineingeschoben worden war.

Kein Mensch glaubte jetzt noch an Hugh Gregorys Unschuld, außer Mary Gray, und auch ihr Vertrauen schwand dahin. Hugh hatte ihr einen Brief geschrieben, in dem er sie anflehte, den Glauben an ihn nicht zu verlieren; Gott in Seiner Gnade werde zu Seiner Zeit die Wahrheit gewiß an den Tag bringen. Doch dieser Brief blieb bei John Gray hängen und kam nicht weiter. Mehrere Tage lang harrte Mary Gray verzweifelt der Antwort auf eine Nachricht, die sie Hugh geschickt hatte, mit der Bitte, ihr doch ein tröstliches Wort zu sagen; doch es kam keine Antwort - bis zu ihr. Tommy Gray hatte versprochen, Marys Brief zu Hugh zu schmuggeln, und seinen Auftrag auch erfüllt; doch der alte Gray behielt den Jungen im Auge; er fing die Antwort ab und schüchterte ihn derart ein, daß dieser Mary bereitwillig berichtete, wie Hugh ihren Brief vor seinen Augen zerknüllt habe, mit den Worten, wenn sie ihn wirklich liebe, würde sie Himmel und Erde für seine Rettung in Bewegung setzen, statt wertvolle Zeit mit der Nachfrage zu verschwenden, ob er schuldig oder unschuldig sei. Es folgten mehrere Tage und Nächte tiefster Qual, und nur die freundliche Zuwendung und die warmen Worte des Grafen konnten das Leiden des Mädchens ein wenig lindern. Schließlich gab sie alle Hoffnung auf und fügte sich in die bittere Erkenntnis von Hugh Gregorys Schuld. Auch ihre Mutter war inzwischen davon überzeugt. Und so nahm in diesem Haus niemand mehr seinen Namen in den Mund. Mary jedoch mußte feststellen, daß auch das Verbrechen die Liebe nicht abtöten konnte. Sie liebte Hugh Gregory immer noch -diese Liebe ließ sich nicht bezwingen. Aber heiraten könne sie ihn niemals, sagte sie. Nun komme, was da wolle, sagte sie; ihr sei es gleich, was das Schicksal ihr noch bringe.

Während die Wochen verstrichen, lernte sie den Grafen zu schätzen, denn in seiner Gesellschaft kam sie noch am ehesten zur Ruhe.

Es würde lange dauern, die Bitten, Beschwörungen und Belagerungen aufzuführen, die am Ende Mary Grays Widerstand zermürbten und ihr die Zustimmung, Graf Fontainebleau zu heiraten, abrangen. Das Vermögen, das durch den Tod des Onkels auf Mary - und damit auf die ganze Familie - übergegangen war, stachelte den Ehrgeiz ihres Vaters nach Höherem nur noch an, nun wollte er sich mit ausländischem Adel verbunden sehen. Als es darum ging, ein Datum für die Hochzeit zu finden, sagte Mary matt: «Entscheidet ihr das. Mir ist es gleichgültig. Laßt mir nur ein wenig Zeit und Ruhe.»

Der 29. Juni wurde festgesetzt, die Hochzeit sollte im engsten Kreise stattfinden, in John Grays Haus. - Von nun an ging Mary Gray nicht mehr vor die Tür und weigerte sich, irgend jemanden zu empfangen außer ihre Familie und den Grafen. Das Neueste des Tages und der Dorfklatsch wurden in ihrer Gegenwart nicht angesprochen. Nur eins ließ die Zukunft erhoffen. Man hatte ihr versichert, Hughs Prozeß könne dank der Finessen seiner Anwälte um ein oder zwei Jahre hinausgezögert werden, und das werde er wahrscheinlich gar nicht mehr erleben, da seine Gesundheit bereits einigen Schaden genommen hatte.

In Wirklichkeit kam es sehr bald zum Prozeß. Dies wurde aber vor Mary geheimgehalten. Der Schuldspruch erfolgte am 22. Juni. Und als Tag der Vollstreckung durch den Strang wurde der 29. bestimmt - der Tag der Hochzeit!

Verwirrung! Was nun? Die Hochzeit verschieben? Nein. Nicht nötig. Das ganze Dorf war aufgewühlt vor Kummer. David Gray war allgemein verhaßt, Hugh Gregory dagegen uneingeschränkt beliebt gewesen. Die Leute hatten sich eingeredet, es sei sicher nur ein Urteil wegen Totschlags und eine Gefängnisstrafe zu erwarten. Schon eilten Boten quer durchs Land zur Hauptstadt; ganz bestimmt würde die

Urteilsvollstreckung ausgesetzt, womöglich käme es zu einer Begnadigung. Wozu also die Hochzeit verschieben? Mary wußte nichts von dem Urteil, nicht einmal vom Prozeß.

Kapitel 7

Unbehaglich fühlte sich die Runde, die am späten Vormittag des 29. Juni in John Grays Haus beisammensaß, denn alle außer Mary wußten, daß kein Aufschub der Vollstreckung gekommen war. Selbst John Gray schauderte es bei dem Gedanken, die Hand eines arglosen Mädchens einem Mann zu geben, den sie nicht liebte, während derjenige, den sie liebte, einem Tod der Schande entgegenging. Mrs. Gray lag seit einer Woche krank im Bett, erdrückt von der Angst, die Gesuche um Aufschub oder Begnadigung könnten womöglich Schiffbruch erleiden. Der alte Reverend hatte sich geweigert, seines Amtes zu walten, so daß man einen fremden Prediger auf der Durchreise für die Trauung heranziehen mußte. John Gray fing ihn an der Tür ab und ermahnte ihn, den freudigen Anlaß nur ja nicht durch irgendeine Anspielung auf die traurigen Ereignisse im Dorf zu trüben.

Der Fremde sagte vorsichtig: «Sie hätten mich nicht warnen müssen. Kein Mensch könnte das bei einem solchen Anlaß. Ich bin am Galgen vorbeigekommen. Das ganze Dorf war dort. Keiner zeigte sich ungerührt; alle Frauen und einige der Männer weinten. Der junge Mann stand unter dem Galgen zwischen den Sheriffs, die Schlinge baumelte über seinem Kopf im Wind. Er war blaß und abgezehrt, doch er stand aufrecht wie ein Ehrenmann. Und gesprochen hat er auch. Er beharrte auf seiner Unschuld. Er sagte, dies seien die Worte eines Mannes im Angesicht des Todes, im Angesicht Gottes, und Gott wisse, er sei unschuldig. Überall wurden klagende Stimmen laut: <Wir glauben dir, wir glauben dir.> Zweimal sagte er, er sei bereit, die Sheriffs ergriffen die Schlinge und die schwarze Kapuze, doch beide Male erhob sich ein großes Geschrei: <Wartet, wartet, um Gottes Barmherzigkeit willen! Der Aufschub kommt bestimmt, die Begnadigung kommt bestimmt!> Dann sah ich überall Menschen, die auf Wagen und Äste geklettert waren, mit der Hand die Augen beschatteten und in die weite Prärie hinausstarrten; alle paar Minuten rief einer aus: <Da! Ist das nicht ein Mann auf einem Pferd? - Nein

- ja - ganz da hinten, das ist ganz bestimmt ein schwarzer Fleck - das muß doch ein Pferd sein!> Doch jedesmal war’s eine Enttäuschung. Schließlich zogen die Sheriffs dem armen Burschen die schwarze Kapuze übers Gesicht, und was für ein Aufschrei ging da durch die Menge! Ich konnte es nicht ertragen und floh. Wie haben sie alle diese arme Seele geliebt, und wie haben ihn die Mutterherzen dort bemitleidet!»

Der Prediger und John Gray betraten das Wohnzimmer. Ein Segen wurde gesprochen, dann erhob sich Mary, blaß und matt, zwischen Graf Fontainebleau und ihrem Vater. Die Trauzeremonie nahm ihren Lauf: «Hubert Graf Fontainebleau, willst du diese Frau zu deinem gesetzlich angetrauten Weibe nehmen und geloben, sie zu lieben und zu ehren, bis daß der Tod euch scheidet?»

Der Graf neigte den Kopf.

«Mary Gray, willst du diesen Mann zu deinem gesetzlich angetrauten Gatten nehmen und geloben, ihm treu zu bleiben, ihn zu - »

Schon seit einer Weile hatte der Hochzeitsgesellschaft ein fernes Geräusch in den Ohren gesummt, stetig lauter werdend, als käme das, was es verursachte, immer näher. Nun brach ganz in der Nähe eine Salve wilder Jubelrufe los, und Sekunden später ergoß sich eine Meute johlender Dorfbewohner ins Haus, an der Spitze Hugh Gregory und die Sheriffs.