Und jetzt war er wirklich im Angriff: »Seltsam, dass die Tradition nicht mehr Interesse für die früheste Vergangenheit aufbringen sollte, Dame Pedure. Doch egal. Die Veränderungen, die die Wissenschaft in dieser gegenwärtigen Generation bewirkt, werden so groß sein, dass ich mich zur Illustration vielleicht lieber auf sie beziehen sollte. Die Natur hat bestimmte Strategien erzwungen — der Zyklus der Generationen ist einer davon, da stimme ich zu. Ohne diesen Zwang würden wir wahrscheinlich nicht existieren. Doch bedenken Sie die Verschwendung, meine Dame. Alle unsere Kinder sind jedes Jahr im selben Lebensstadium. Wenn dieses Stadium erst einmal vorbei ist, müssen die Mittel für ihren Unterricht bis zur nächsten Generation nutzlos warten. Für derlei Verschwendung gibt es keine Notwendigkeit mehr. Mit der Wissenschaft…«
Die Geehrte Pedure stieß ein pfeifendes Lachen aus, voll Sarkasmus und Überraschung. »Sie gestehen es also ein! Sie wollen, dass Unzeit zu einer Lebensweise wird, statt Ihre vereinzelte Sünde zu sein.«
»Natürlich!« Papa setzte nach. »Ich möchte, dass die Leute wissen: Wir leben in einem Zeitalter, das anders ist. Ich möchte, dass die Leute in jeder Phase der Sonne Kinder haben können, wenn sie es möchten.«
»Ja. Sie haben vor, uns übrige zu vereinnahmen. Sagen Sie, Unterberg, haben Sie schon geheime Schulen für Unzeitlinge? Gibt es Hunderte oder Tausende wie Ihre sechs, die nur darauf warten, von uns akzeptiert zu werden?«
»Äh… nein. Bisher haben wir für meine Kinder keine Spielgefährten gefunden.«
Die ganzen Jahre über hatten sie alle sich Spielgefährten gewünscht. Mutter hatte nach welchen gesucht, bisher ohne Erfolg. Gokna und Viki folgerten daraus, dass andere Unzeitlinge sehr gut versteckt sein mussten… oder sehr selten. Manchmal fragte sich Viki, ob sie vielleicht wirklich verdammt waren; es war so schwer, andere zu finden.
Die Geehrte Pedure lehnte sich auf ihrem Sitz zurück und lächelte fast freundlich. »Das ist mir ein Trost, Meister Unterberg. Sogar in unserer Zeit sind die meisten Leute anständig und Ihre Perversionen selten. Nichtsdestoweniger ist die ›Kinderstunde‹ weiterhin beliebt, obwohl die Rechtzeit-Generation jetzt über zwanzig ist. Ihr Programm ist eine Verlockung, die es zuvor nicht gab. Und daher ist unser Austausch von Standpunkten schrecklich wichtig.«
»Ja, wirklich. Das glaube ich auch.«
Die Geehrte Pedure schob den Kopf vor. So ein Pech. Die Kupp hatte erkannt, dass Papa es ernst meinte. Wenn sie Papa zum Spekulieren brachte…, dann konnte es sehr eng werden. Pedures nächste Frage kam im beiläufigen Ton aufrichtiger Neugier. »Ich habe den Eindruck, Meister Unterberg, dass Sie das Moralgesetz verstehen. Halten Sie es vielleicht für so etwas wie das Gesetz der schöpferischen Kunst — etwas, das große Denker wie Sie selbst brechen können?«
»Große Denker, pah.« Doch die Frage hatte offensichtlich Papas Phantasie gefesselt und lenkte ihn von überzeugender Rhetorik ab. »Wissen Sie, Pedure, ich habe Moralregeln nie zuvor so betrachtet. Was für eine interessante Idee! Wollen Sie sagen, sie könnten von denen ignoriert werden, die ein angeborenes Talent für… wofür haben? Ein Talent für Güte? Wohl kaum… Obwohl ich gestehe, dass ich ein Laie bin, wenn es um moralische Argumente geht. Ich spiele gern und ich denke gern. Der Gang durch das Dunkel war ein großartiger Vorbote, wie er auch für den Krieg wichtig war. Die Wissenschaft wird wunderbare Veränderungen in der nahen Zukunft der Spinnheit hervorbringen. Ich habe ungeheuer viel Spaß bei alledem, und ich möchte, dass das Publikum — einschließlich derer, die wirklich Experten für moralische Gedanken sind — die Konsequenzen der Veränderungen versteht.«
Die Geehrte Pedure sagte: »In der Tat.« Der Sarkasmus war nur zu spüren, wenn man wie Klein Viktoria misstrauisch zuhörte. »Und Sie haben irgendwie vor, mit der Wissenschaft das Dunkel als großen Erneuerer und großes Mysterium zu ersetzen?«
Papa machte mit den Esshänden wegwerfende Bewegungen. Er schien vergessen zu haben, dass er im Rundfunk war. »Die Wissenschaft wird das Dunkel der Sonne so harmlos und erkennbar machen wie die Nacht, die am Ende eines jeden Tages anbricht.«
Im Kontrollraum stieß Didi einen kleinen Ruf der Überraschung aus. Es war das erste Mal, dass Viki die Technikerin auf die Sendung reagieren hörte, die sie überwachte. Draußen im Aufnahmeraum saß Rappaport Grabber aufrecht da, als hätte ihm jemand einen Speer in den Hintern gestochen. Papa schien es nicht zu bemerken, und die Geehrte Pedure reagierte so beiläufig, als ob sie die Möglichkeit von Regen erörterten: »Wir werden das ganze Dunkel hindurch leben und arbeiten, als ob es nur eine lange Nacht wäre?«
»Ja! Was, meinen Sie, bedeutet das ganze Gerede von Kernkraft?«
»Also werden wir alle Dunkelschreiter sein, und es wird kein Dunkel geben, kein Mysterium, keine Tiefe, darin der Geist der Spinnheit ruhen kann. Die Wissenschaft wird uns das alles nehmen.«
»Quatsch. Auf dieser kleinen Welt wird es keine richtige Dunkelheit mehr geben. Doch das Dunkel wird es immer geben. Gehen Sie nachts nach draußen, Dame Pedure. Schauen Sie empor. Wir sind umgeben von Dunkel und werden es immer sein. Und so, wie unser Dunkel im Laufe der Zeit in einer Neuen Sonne endet, so endet das größere Dunkel an den Gestaden von Billionen Sternen. Bedenken Sie! Wenn der Zyklus unserer Sonne einst weniger als ein Jahr dauerte, dann kann unsere Sonne noch früher die ganze Zeit über von mittlerer Helligkeit gewesen sein. Ich habe Studenten, die sicher sind, dass die meisten Sterne ganz wie unsere Sonne sind, nur viel, viel jünger, und dass viele von ihnen Welten wie unsere haben. Sie wollen eine Tiefe, die von Dauer ist, eine Tiefe, auf die sich die Spinnheit verlassen kann? Pedure, es gibt eine Tiefe am Himmel, und sie erstreckt sich ohne Ende.« Und schon war Papa bei seinem Raumfahrt-Thema. Selbst Jungakademiker gingen auf Distanz, wenn Papa damit anfing; nur ein harter Kern von Verrückten spezialisierte sich auf Astronomie. Es war alles so verquer. Für die meisten Leute erforderte die Idee, so etwas Stetiges wie Sternenlicht könnte dem Sonnenlicht verwandt sein, eine größere Glaubensanstrengung, als die meisten Religionen verlangten.
Grabber und die Geehrte Pedure sahen mit offenen Schlund zu, wie Papa die Theorie immer weiter ausbaute. Grabber hatte den wissenschaftlichen Teil des Programms immer gemocht, und jetzt war er ganz hypnotisiert. Pedure andererseits… Ihr Schock klang rasch ab. Entweder hatte sie das schon gehört, oder es führte von dem Kurs weg, den sie zu verfolgen gedachte.
Die Uhr im Kontrollraum tickte auf die Orgie von Werbebotschaften zu, die immer die Sendung beendete. Es sah so aus, als würde Papa das letzte Wort haben… nur dass Viki sicher war, dass die Geehrte Pedure die Uhr genauer als alles andere im Studio beobachtete und auf einen exakt gewählten strategischen Augenblick wartete.
Und dann griff sich die Klerikerin ihr Mikrofon fest und sprach laut genug, um Scherkaners Gedankenfluss zu unterbrechen. »Sehr interessant, aber den Raum zwischen den Sternen zu besiedeln, liegt gewiss jenseits der Zeit der gegenwärtigen Generation.«
Papa winkte ab. »Mag sein, aber…«
Die Geehrte Pedure fuhr fort, die Stimme akademisch und interessiert: »Die große Veränderung während unserer Zeit ist also einfach die Eroberung des nächsten Dunkels, desjenigen, welches den gegenwärtigen Sonnenzyklus beendet?«
»Korrekt. Wir — alle, die wir diese Rundfunksendung hören — werden keine Tiefen brauchen. Das ist das Versprechen der Kernkraft. Alle großen Städte werden genug Energie haben, um für mehr als zwei Jahrhunderte warm zu bleiben — das ganze bevorstehende Dunkel hindurch. Sodass…«
»Ich verstehe, also müssen sehr große Bauvorhaben stattfinden, um die Städte einzuschließen?«
»Ja, und die Farmen. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass…«