Выбрать главу

Viktoria junior war längst alt genug, um über Diensteide und Befehlsketten Bescheid zu wissen. »Alles? Ich…« Sie zeigte auf die Schulterstücke ihrer Mutter.

»Ja, mein Leben ist meine Loyalität für die Krone. Ich sage, dass vielleicht Zeiten kommen werden, wenn — zeitweise — der Krone zu dienen heißt, Dinge außerhalb der sichtbaren Befehlskette zu tun.« Sie lächelte ihre Tochter an. »Manche von den Abenteuerromanen haben Recht, Viki. Die Chefin des Geheimdienstes vom Einklang hat wirklich ihre eigene besondere Befehlsgewalt… Huch, ich habe meine anderen Besprechungen lange genug verschoben. Wir werden wieder reden, sehr bald, wir alle.«

Nachdem die Generalin fort war, ging Viki in ihrem kleinen Schlafzimmer ganz oben auf dem Hügel hin und her. Sie war noch benommen, empfand aber kein unbewältigtes Entsetzen mehr. Es gab auch Erstaunliches und Hoffnungsvolles. Sie und Gokna hatten immer Spionage gespielt. Doch Mutter redete nicht von dem, was sie tat, und sie stand so hoch über dem gewöhnlichen Militär, dass es ein törichter Traum schien, in ihre Fußstapfen treten zu wollen. Kommerzieller Sicherheitsdienst, vielleicht bei Unternehmen, wie Hrunkner Unnerbei sie gegründet hatte, wirkte realistischer. Jetzt aber…

Viki spielte einen Augenblick lang mit Goknas kleinem Puppenhaus. Sie und Gokna würden nie über diese Pläne diskutieren können. Mutters Team hatte den ersten Verlust erlitten. Doch jetzt wussten sie, dass sie ein Team waren: Jirlib und Brent, Rhapsa, Klein Hrunk, Viki, Viktoria und Scherkaner. Sie würden lernen, ihr Bestes zu geben. Und am Ende wird das genügen.

Dreiunddreissig

Für Ezr Vinh vergingen die Jahre schnell, und das nicht nur wegen seines Viertelzeit-Wachzyklus. Die Zeit seit dem Überfall und den Morden machte fast ein Drittel seines Lebens aus. Es waren die Jahre, die er, wie sein inneres Ich versprochen hatte, mit unbeirrbarer Geduld durchzustehen gewillt war, ohne jemals das Bestreben aufzugeben, Tomas Nau zu vernichten und alles, was noch zu retten war, zurückzugewinnen. Es war eine Zeit, die sich, wie er geglaubt hatte, zu endloser Folter dehnen würde.

Ja. Er hatte mit unbeirrbarer Geduld gespielt. Und es hatte ihm Schmerz eingebracht… und Schande. Doch seine Furcht war die meiste Zeit etwas Fernes. Und obwohl er noch keine Einzelheiten kannte, verlieh allein schon das Wissen, für Pham Nuwen zu arbeiten, das sichere Gefühl, dass sie am Ende triumphieren würden. Doch zu seiner größten Überraschung sprang etwas immer wieder in den Vordergrund und forderte zu unbehaglicher Selbstbetrachtung heraus: In mancher Hinsicht waren diese Jahre befriedigender als jede Zeit seit der frühen Kindheit. Wie kam das?

Hülsenmeister Nau machte sparsamen Gebrauch von der verbliebenen medizinischen Automatik und hielt kritische ›Funktionen‹ wie Übersetzer die meiste Zeit auf Wache. Trixia war jetzt in den Vierzigern. Ezr sah sie fast jeden Tag, wenn er auf Wache war, und die kleinen Veränderungen in ihrem Gesicht schmerzten ihn.

Doch es gab auch andere Veränderungen bei Trixia, Veränderungen, die ihn glauben machten, seine Gegenwart und die verstreichenden Jahre würden sie ihm allmählich zurückbringen.

Wenn er zu früh in ihre winzige Zelle im Obergeschoss von Hammerfest kam, ignorierte sie ihn weiterhin. Doch dann traf er einmal hundert Sekunden nach der üblichen Zeit ein. Trixia saß da, das Gesicht zur Tür gekehrt. »Du kommst zu spät«, sagte sie. In ihrer Stimme klang dieselbe tonlose Ungeduld, wie sie bei Anne Reynolt vorkommen konnte. Alle Fokussierten waren berüchtigt für ihren Pünktlichkeitsfimmel. Trotzdem. Trixia hatte seine Abwesenheit bemerkt.

Und er bemerkte, dass Trixia jetzt selbst etwas auf ihr Äußeres achtete und sich pflegte. Ihr Haar war zurückgekämmt, fast hübsch, wenn er zu ihren Treffen kam. Jetzt waren ihre Gespräche öfters nicht mehr völlig einseitig… zumindest, wenn er sorgfältig auf die Themen achtete.

Heute betrat Ezr ihre Zelle rechtzeitig, aber mit etwas Schmuggelgut — zwei kleinen Delitesse-Törtchen aus Bennys Salon. »Für dich.« Er streckte die Hand aus und brachte ein Törtchen in ihre Nähe. Der Duft erfüllte die Zelle. Trixia starrte kurz auf seine Hand, als erwäge sie eine grobe Geste. »Du wolltest die anstehenden Übersetzungsaufträge mitbringen.«

Schade. Aber er heftete das Konfekt in den Arbeitsbereich nahe bei ihrer Hand. »Ja. Ich habe sie.« Ezr richtete sich an seiner üblichen Stelle neben der Tür ein, ihr gegenüber. Eigentlich war die Liste heute nicht lang. Fokus konnte Wunder vollbringen, doch ohne den Leim normalen gesunden Menschenverstands drifteten die verschiedenen Spezialistengruppen jede in ihre eigene Nabelschau ab. Ezr und die anderen Normalen lasen Zusammenfassungen der Fokussierten-Arbeit und versuchten herauszufinden, wo jede Fachgruppe etwas entdeckt hatte, das über die Fixierung der Blitzköpfe hinausging. Das wurde dann nach oben zu Nau gemeldet und kam in Form zusätzlicher Aufträge wieder zurück nach unten.

Heute hatte Trixia keine Mühe, die Aufträge einzuordnen, obwohl sie bei manchen von ihnen finster murmelte: »Zeitverschwendung.«

»Außerdem habe ich mit Rita Liao gesprochen. Ihre Programmierer sind sehr begeistert über das Zeug, das du ihnen gegeben hast. Sie haben ein Paket von Finanzanwendungen und Netz-Software entworfen, das auf den neuen Mikroprozessoren der Spinnen großartig laufen müsste.«

Trixia nickte. »Ja, ja. Ich rede jeden Tag mit ihnen.« Die Übersetzer kamen mit den Basiscode-Programmierern und mit den Blitzköpfen für Finanzen und Recht blendend aus. Ezr vermutete, es lag daran, dass die Übersetzer von diesen Gebieten nichts verstanden, und umgekehrt.

»Rita möchte ein Unternehmen auf dem Planeten etablieren, um die Programme zu vermarkten. Sie müssten alles Einheimische in den Schatten stellen und den Markt vollständig erobern.«

»Ja, ja. Wohlstand Software AG; ich habe schon einen Namen erfunden. Aber es ist noch zu früh.«

Er beredete es mit ihr von allen Seiten und versuchte, eine realistische Zeitabschätzung zur Weitergabe an Rita Liao zu bekommen. Trixia hatte eine Verbindung zu den Blitzköpfen, die die Strategie für die Einführung der Software entwickelten, sodass ihre gemeinsame Einschätzung wahrscheinlich ziemlich gut war. Wenn man alles über ein Computernetz abwickelte, hing man selbst bei perfekter Kenntnis und Planung davon ab, wie raffiniert dieses Netz war. Es würde mindestens noch fünf Jahre dauern, bis sich ein großer kommerzieller Software-Markt entwickelte, und etwas länger, bis die öffentlichen Datennetze der Spinnen in Gang kamen. Bis dahin würde es fast unmöglich sein, auf dem Planeten in größerem Umfang mitzuspielen. Sogar jetzt war die einzige Stelle, wo sie stetig Manipulationen vornehmen konnten, das Militärnetz des Einklangs.

Viel zu schnell kam Ezr zum letzten Punkt auf der Liste. Es mochte wie eine Kleinigkeit aussehen, doch aus langer Erfahrung wusste er, dass es Schwierigkeiten bereitete. »Neues Thema, Trixia — aber es ist wirklich eine Übersetzungsfrage: wegen der Farbe ›Kunter‹. Ich bemerke, dass du den Begriff immer noch bei der Schilderung von visuellen Szenen benutzt. Der Physiologe…«

»Kakto.« Trixias Augen verengten sich ein wenig. Wenn die Blitzköpfe sich austauschten, bestand normalerweise eine fast telepathische Nähe — oder sie hassten einander mit einer Art frostiger Feindschaft, die man für gewöhnlich nur in Unterhaltungsromanen aus dem akademischen Milieu fand. Norm Kakto und Trixia oszillierten zwischen diesen beiden Zuständen.