»Ali. Ja! Du wirst einen besseren Park bauen, ich versprech’s. Aber jetzt. Ich muss wissen, gibt es eine Möglichkeit, aus dem Park zu gelangen — ohne vorher zu ertrinken?«
Gott sei Dank konnte der Blitzkopf daran etwas Interessantes finden. Alis zentrale Interessen waren in den letzten paar hundert Sekunden wieder und wieder frustriert worden. Normalerweise kann nichts die Loyalität von Blitzköpfen erschüttern, doch wenn sie glaubten, jemand käme zwischen sie und ihr Fachgebiet… Nach einem Moment zuckte Ali die Achseln und sagte: »Natürlich. Hinter diesem Felsbrocken ist eine Schleusenöffnung. Ich hab sie nie versiegelt.«
Marli schwebte zu dem Felsen hinab. Eine Schleuse hier? Ohne seine Datenbrille wusste Nau es nicht. Doch Dutzende davon mündeten in den Park, die Kanäle, durch die sie das Eis von der Oberfläche geholt hatten.
»Der Blitzer hat Recht, Herr Hülsenmeister! Und die Öffnungscodes funktionieren.«
Nau und die anderen bewegten sich um den Felsen herum, schauten in das Loch, das Marli geöffnet hatte. In der Zwischenzeit waren die Wände ihrer Lufthöhle — ihrer Blase — in Bewegung gekommen. In dreißig Sekunden würde auch hier Wasser sein. Marli schaute zu Nau herüber, und ein Teil des Triumphs verlor sich aus seinem Gesichtsausdruck. »Herr Hülsenmeister, hier drinnen werden wir vor dem Wasser sicher sein, aber…«
»Aber wir kommen nirgendwo hin. Stimmt. Ich weiß.« Der Kanal würde bei einer versiegelten Luke enden, und dahinter war Vakuum. Es war eine Sackgasse.
Ein sich langsam kräuselnder Stalaktit von Wasser platschte über Naus Kopf und zwang ihn, sich neben Marli zu ducken. Der herabhängende Wasserberg zog sich zurück, und für einen Augenblick hob sich ihre Decke. Schritt für Schritt habe ich fast alles verloren. Unglaublich. Und plötzlich wusste Tomas, dass Ezr Vinhs undeutlich hervorgestoßene Behauptung wahr sein musste. Pham Trinli war nicht Zamle Eng; das war eine passende Lüge gewesen, für Tomas Nau zurechtgeschneidert. All die Jahre über war sein größter Held — und daher der tödlichste unter seinen möglichen Feinden — in Reichweite gewesen. Trinli war tatsächlich Pham Nuwen. Zum ersten Mal seit seiner Kindheit wurde Nau von lähmender Furcht ergriffen.
Doch selbst Pham Nuwen hatte seine schwachen Seiten, seine unablässige moralische Schwäche. Ich habe mein Leben lang die Laufbahn des Mannes studiert und mir alles Gute daran angeeignet. So gut wie nur irgendwer kenne ich seine Schwächen. Und ich weiß, wie ich sie nutzen kann. Er betrachtete die anderen, machte Inventar bei ihnen und ihrer Ausrüstung: ein alter Mann, den Qiwi liebte, etwas Funkausrüstung, ein paar Waffen, ein paar Schützen. Es würde ausreichen.
»Ali, gibt es da nicht eine Faser-Endstelle am äußeren Ende dieser Schleusen? Ali!«
Der Blitzkopf wandte sich von seiner Betrachtung der Wellen an der Decke ab. »Ja, ja. Wir brauchten eine sorgfältige Koordination, als wir das Eis heruntergeschafft haben.«
Nau winkte Marli in den Schleusengang. »Geht in Ordnung. Das wird funktionieren.« Einer nach dem anderen schlüpften sie durch den engen Eingang. Rings um sie löste sich die Unterseite der Blase vom Boden. Jetzt bedeckte ein halber Meter Wasser den Boden, und es stieg. Tung und Ali Lin kamen in einem Wasserschauer herein. Ciret tauchte als letzter durch und schlug hinter ihnen die Luke zu. Ein paar Dutzend Liter Wasser kamen mit herein, jetzt nichts mehr als verschüttetes Wasser. Doch auf der anderen Seite der Luke hörten sie die See steigen.
Nau wandte sich Marli zu, der seinen Funklaser als diffuse Lampe benutzte. »Gehen wir hoch zur Endstelle, Korporal! Ali Lin wird mir helfen, jemanden anzurufen.«
Pham Nuwen war nahe dran, zu gewinnen, doch Nau hatte noch seinen Geist und die Fähigkeit, auszugreifen und andere zu manipulieren. Während sie den Schleusengang hinaufschossen, überlegte er, was er wohl Qiwi Lin Lisolet sagen würde.
General Schmid verließ das Rednergitter. Die Information auf Tim Niederers Karten war an die Gewählten verteilt worden, und jetzt dachten fünfhundert Köpfe über den Handel nach. Hrunkner Unnerbei stand im Schatten hinter dem Gitter und überlegte. Schmid hatte wieder einmal ein Wunder vollbracht. In einer gerechten Welt würde es garantiert funktionieren. Was also würde sich Pedure ausdenken, um das zu kontern?
Schmid trat zurück, bis sie auf seiner Höhe war. »Kommen Sie mit, Feldwebel. Ich habe jemanden gesehen, mit dem ich schon seit langem reden möchte.« Später am Tag würde eine Abstimmung stattfinden. Vorher konnte es durchaus weiterführende Fragen an die Generalin geben. Es gab eine Menge Zeit für politische Manöver. Er und Niederer folgten der Generalin zum anderen Ende des Podiums und blockierten den Ausgang. Eine verlotterte Kupp in ausgefallenen Beinkleidern kam auf sie zu. Pedure. Die Jahre waren nicht sanft mit ihr verfahren — oder vielleicht waren die Geschichten von den Mordversuchen wahr. Sie ging seitlich um Viktoria Schmid herum, aber die Generalin vertrat ihr den Weg.
Schmid lächelte sie an. »Hallo, Kupplimörderin. Wie schön, dich persönlich zu treffen.«
Pedure zischte. »Ja. Und wenn Sie mir nicht aus dem Weg gehen, wird es mir ein großes Vergnügen sein, Sie auch zu erledigen.« Die Worte hatten einen starken Akzent, aber das winzige Messer in ihrer Hand war deutlich genug.
Schmid breitete die Arme seitlich aus, ein ausgefallenes Achselzucken, das überall in der Halle Aufmerksamkeit erregen musste. »Vor allen diesen Leuten, Geehrte Pedure? Das glaube ich kaum. Du bist…«
Schmid zögerte, hob ein Paar Hände zum Kopf und schien zu lauschen. Ihrem Telefon?
Pedure starrte einfach nur, ihre ganze Haltung voll Misstrauen. Pedure war klein, ihr Chitin wundgerieben und ihre Gestik einfach ein bisschen zu schnell. Ein Bild, das nicht im Mindesten vertrauenswürdig war. Sie musste so daran gewöhnt sein, aus der Ferne zu töten, dass persönlicher Charme und Sprachgewandtheit Talente waren, die sie längst abgeschrieben hatte. Sie war hier, wo sie Dinge direkt regelte, nicht in ihrem Element. Unnerbeis Zuversicht nahm eine Spur zu.
Etwas surrte in Pedures Jacke. Ihr kleines Messer verschwand, und sie langte nach dem Telefon. Einen Augenblick lang sahen die beiden Spionagechefs wie alte Freundinnen aus, die ihre Erinnerungen teilten.
»Nein!« Pedure zuckte zusammen, ihre Stimme war ein Kreischen. Sie griff mit den Esshänden nach dem Telefon, stopfte es sich fast in den Schlund. »Nicht hier! Nicht jetzt!« Die Tatsache, dass sie plötzlich ein Spektakel boten, schien ihr egal zu sein.
General Schmid wandte sich Unnerbei zu. »Jedermanns Pläne sind soeben den Bach runtergegangen, Feldwebel. Drei eisgestützte Projektile kommen auf uns zu. Uns bleiben ungefähr sieben Minuten.« Einen Moment lang heftete sich Unnerbeis Blick an die Kuppel über ihnen. Sie lag dreihundert Meter unter der Oberfläche, sicher gegen taktische Kernspaltungs-Bomben. Doch er wusste, dass die Flotte der Sinnesgleichen zu viel größeren Dingen vorangeschritten war. Ein Dreifachstart war höchstwahrscheinlich ein Tiefenwirkungsschlag. Dennoch… Ich habe geholfen, diesen Ort zu entwerfen. Es gab Treppen in der Nähe, Zugänge zu viel tieferen Stellen. Er langte nach einem Arm von Schmid. »Bitte, Frau General. Folgen Sie mir.« Sie gingen zurück über das Podium.
Schurken und gute Kerle, Unnerbei hatte Mut und Feigheit bei ihnen allen gesehen. Pedure… nun, Pedure geriet vor Panik fast in Konvulsionen. Sie drehte sich in kleinen Sprüngen hin und her und kreischte auf Bassisch in ihr Telefon. Abrupt hielt sie inne und wandte sich wieder Schmid zu. Entsetzen kämpfte mit ungläubiger Überraschung. »Die Raketen. Es sind eure! Ihr…« Mit einem Schrei warf sie sich auf Schmid, das Messer eine silbrige Verlängerung ihres längsten Arms.