Rings um sie explodierte die Welt. Farben über Farben. Schmerz über die hellste Sonne hinaus, die sich Thrakt vorstellen konnte. Einen Augenblick gab es nur die Farbe des Schmerzes, die das Bewusstsein auslöschte, die Angst, sogar die Verwunderung.
Und dann war er wieder da. Unter Qualen, aber wenigstens bei Bewusstsein. Er lag zwischen Schnee und zufälligen Trümmern. Seine Augen… seine Augen schmerzten. Die Nachbilder der Hölle waren quer über seine Vordersicht eingebrannt und blockierten sein Sehvermögen. Die Nachbilder zeigten krasse Silhouetten vor einem Strahl vollständiger Dunkelheit: der Wachposten, Scherkaner Unterberg.
Unterberg! Thrakt kam auf die Füße, stieß Wandplatten beiseite, die auf ihn gefallen waren. Jetzt traten andere Schmerzen hervor. Sein Rücken war ein einziger massiver Schmerz. So geht es einem, wenn man durch Wände geschleudert wird. Er tat ein paar unsichere Schritte, doch es schien nichts gebrochen zu sein.
»Herr Professor? Professor Unterberg?« Seine eigene Stimme schien von weither zu kommen. Rachner wandte den Kopf hin und her wie ein Kind, das noch seine Babyaugen hat. Ihm blieb keine Wahl, seine Vordersicht war von brennenden Nachbildern erfüllt. Weiter unten entlang der Krümmung der Kraterwand war jetzt eine Reihe von rauchenden Löchern. Aber die Zerstörung hier war unvergleichlich größer. Keins von den Nebengebäuden Unterbergs stand noch, und Feuer breitete sich über alles Brennbare aus. Rachner machte einen Schritt in die Richtung, wo der Wachposten gestanden hatte. Doch jetzt war das der Rand eines tiefen, dampfenden Kraters. Der Hang über ihm war weggesprengt. Thrakt hatte so etwas schon einmal gesehen, doch das war ein schrecklicher Unfall gewesen, ein Munitionslager, das einen Artillerietreffer erhalten hatte. Was hat uns getroffen? Was hatte Unterberg dort unten gelagert? Etwas im Hintergrund seines Denkens stellte die Fragen, doch er hatte keine Antwort und eine Menge dringlichere Sorgen.
Da war ein Zischen von einem Tier, direkt zu seinen Füßen. Rachner wandte den Kopf. Es war Unterbergs Geleitkäfer. Seine Kampfhände waren zum Zustoßen erhoben, doch sein Körper lag verdreht unter den Trümmern. Der Panzer des armen Tiers musste gesprungen sein. Als er versuchte, ihn seitlich zu umgehen, kreischte der Käfer heftiger und machte einen gespenstischen Versuch, seinen zerquetschten Körper aus den Wandplatten zu befreien.
»Mobiy! Ist gut. Ist gut, Mobiy.« Das war Unterberg! Seine Stimme kam gedämpft, doch das galt jetzt für alle Geräusche. Als Thrakt an dem Geleitkäfer vorbeischlüpfte, zog er seinen gebrochenen Körper aus den Wandplatten hervor und folgte ihm zu Unterbergs Stimme. Aber das Zischen des Käfers war keine Drohung mehr. Es war eher ein schluchzendes Wimmern.
Thrakt ging am Rande des Kraters entlang. Der Rand war von Trümmern überhäuft, die heraufgeschleudert worden waren. Die glasigen Seiten begannen sich schon zu setzen, nach innen zu stürzen. Und noch immer keine Spur von Unterberg.
Der Geleitkäfer schleppte sich an Thrakt vorbei. Dort, direkt vor dem Käfer: Ein einzelner Spinnenarm ragte hoch aus dem Wirrwarr heraus. Der Geleitkäfer schrie und begann schwach zu graben. Rachner tat es ihm gleich, zog Bretter weg, schaufelte den warmen breitgestreuten Erdboden beiseite. Warm? Es war heiß wie der Grund von Calorica. Es war etwas besonders Entsetzliches daran, in warmer Erde begraben zu sein. Verzweifelt grub Thrakt schneller.
Unterberg war mit dem Hinterende unten verschüttet, sein Kopf lag nur einen Viertelmeter unter der Oberfläche. Binnen Sekunden hatten sie ihn bis hinter die Schultern befreit. Der Boden gab nach, glitt mit dem übrigen Kraterrand weg. Thrakt streckte die Arme vor, schlang sie um Unterbergs Arme — und zog. Ein Zentimeter, dreißig… und die beiden fielen auf den oberen Hang, als gerade Unterbergs Grab in die Grube rutschte.
Der Geleitkäfer kroch um sie herum, seine Arme ließen nie seinen Herrn los. Unterberg tätschelte das Tier sanft. Dann wandte er sich um, drehte den Kopf ebenso albern hin und her wie vor ihm Thrakt. Auf der Kristalloberfläche seiner Augen waren Blasen. Scherkaner Unterberg hatte Thrakts Augen gegen den Blitz abgeschirmt; die ganze obere Hälfte vom Kopf des Kupps war der Explosion direkt ausgesetzt gewesen.
Unterberg schien in die Grube hinabzuschauen. »Jaybert? Nishnimor?«, sagte er leise, ungläubig. Er kam auf die Füße und ging auf den Steilhang zu. Sowohl Thrakt als auch der Käfer hielten ihn zurück. Zuerst ließ sich Unterberg von ihnen zurück über den Kamm des aufgeworfenen Erdbodens führen. Unter der dicken Kleidung war es schwer auszumachen, aber mindestens zwei von seinen Beinen schienen gebrochen zu sein.
Dann: »Viktoria? Brent? Hört ihr mich? Ich kann nicht mehr mit…« Er machte kehrt und wollte wieder zurück zur Grube gehen. Diesmal musste Rachner richtig mit ihm kämpfen. Der arme Kupp pendelte immer wieder ins Delirium und heraus. Nachdenken! Rachner schaute hangabwärts. Der Hubschrauberplatz hatte sich geneigt, doch der Boden oberhalb hatte ihn vor den herabfallenden Trümmern gedeckt. Seine Mühle stand noch da, anscheinend nicht beschädigt. »Ah! Professor, ich habe ein Telefon in meinem Hubschrauber. Kommen Sie mit, wir können die Generalin von dort aus anrufen.« Es war eine schwache Improvisation, aber anscheinend spielte das keine Rolle. Unterberg schwankte einen Moment, brach fast zusammen. Dann ein Augenblick trügerischer Klarheit: »Ein Hubschrauber? Ja… Den kann ich gebrauchen.«
»Gut. Dann gehen wir jetzt.« Thrakt ging auf das obere Ende der Treppe zu, aber Unterberg zögerte. »Wir können Mobiy nicht zurücklassen. Nishnimor und die anderen ja. Die sind bestimmt tot. Aber Mobiy…«
Mobiy stirbt bereits. Aber Thrakt sagte das nicht laut. Der Geleitkäfer kroch nicht mehr. Seine Arme winkten sacht zu Unterberg hin. »Es ist ein Tier, Herr Professor«, sagte Thrakt leise.
Unterberg kicherte im Delirium. »Das kommt nur auf den Maßstab an, Oberst.«
Also zog Thrakt seine Überjacke aus und machte eine Trageschleife für den Geleitkäfer. Das Tier wirkte wie ungefähr vierzig Kilo von sehr totem Gewicht. Aber sie gingen abwärts, und jetzt folgte Scherkaner Unterberg ohne weitere Einwände, er brauchte nur gelegentlich Hilfe, um auf den Stufen zu bleiben. Was könntest du jetzt also Besseres tun, na, Oberst? Der auf der Lauer liegende Feind hatte schließlich zugeschlagen. Thrakt schaute über den Krater hin auf die Muster rauchender Zerstörung. Wahrscheinlich sah es ebenso auf der Hochebene aus, und die strategischen Verteidigungsanlagen des Königs waren in Klump gehauen. Zweifellos war das Oberkommando mit Atombomben belegt worden. Was immer ich auch tun wollte, jetzt ist es zu spät.
Siebenundfünfzig
Das Taxi schwebte vom L1-Gemengsel hoch. Unter ihnen lag die Mündung von S745 offen und verströmte Luft und Eispartikel. Ohne Qiwi hätten sie immer noch hinter der Druckluke in der Falle gesessen. Qiwis Landung und die improvisierte Luftschleuse hätten vielleicht nicht einmal gut verwaltete Blitzköpfe zustande gebracht.
Nau ließ Ali Lin sanft auf den Vordersitz neben Qiwi gleiten. Die Frau wandte sich von der Steuerung ab, und ihr Gesicht verzerrte sich vor Trauer. »Papa? Papa?« Sie streckte die Hand aus, um seinen Puls zu fühlen, und ihr Gesichtsausdruck entspannte sich ein wenig.
»Ich glaube, er kommt durch, Qiwi. Schau, in L1-A gibt es Medizinautomatik, und…«
Qiwi rutschte wieder in ihren Sitz zurück. »Das Arsenal…« Doch ihr Blick blieb bei ihrem Vater, und das Entsetzen wich teilweise der Nachdenklichkeit. Unvermittelt schaute sie weg und nickte. »Ja.«