Ein nackter weißer Arm langte unter einem zerschmetterten Garderobenschrank hervor. Ezrs Geist schreckte angesichts des Entsetzens und des Rätsels auf. Wen haben wir zurückgelassen? Omo, ja. Doch der Arm war nackt, glänzte in blutleerem Weiß. Er berührte die Hand am Ende des Arms. Sie zuckte, glitt um seine Finger herum. Aha, überhaupt keine Leiche, nur eine von diesen Druckjacken, die Nau bevorzugte. Ein Gedanke tauchte aus dem Dämmerschein auf: Vielleicht kann ich die Blutung stillen. Er zog an dem Jackenärmel. Er gab nach, blieb hängen, dann schwebte er frei. Ezr verlor den Halt am Boden, und einen Augenblick lang war es ein Tanz von ihm und der Jacke. Der linke Ärmel ging auf, bis hinab in die Finger, wo sich die Öffnung verzweigte. Er schob den Arm in ganzer Länge hinein, und die Jacke schloss sich von den Fingern bis zur Schulter. Er zog das Gewebe über seinen Rücken und legte die rechte Seite lose um seinen misshandelten Arm. Jetzt konnte er zu Tode bluten, und niemand würde noch einen Tropfen sehen. Zieh den Stoff fest. Er ruckelte ihn zurecht. Enger, einen richtigen Druckverband. Er strich mit der linken Hand die Jacke über dem verletzten Arm fest, presste aus dem Fleisch darunter qualvollen Schmerz heraus. Doch das Druckgewebe reagierte und wurde steif. Wie aus weiter Ferne hörte er sich vor Scherz stöhnen. Für einen Moment verlor er das Bewusstsein; als er wieder zu sich kam, lag er leicht auf dem Kopf.
Doch jetzt war sein rechter Arm ruhiggestellt, der Druckärmel maximal gespannt. Es war solch ein schmerzhaftes Extrem, doch vielleicht würde es genügen, um ihn am Leben zu erhalten.
Er trank von vorbeischwebendem Wasser und versuchte zu denken.
Hinter ihm erklang ein missmutiges Miauen. Das Himmelskätzchen glitt heran, setzte sich auf seine Brust und den unversehrten Arm. Er griff hinauf, fühlte den zitternden Körper. »Auch in Schwierigkeiten?«, fragte er. Es kam als Krächzen heraus. Die großen dunklen Augen des Kätzchens schauten ihn an, und es grub sich tief in den Raum zwischen seiner Brust und den linken Arm. Seltsam. Normalerweise ging ein krankes Kätzchen weg und versteckte sich; das hatte Ali Lin eine Menge Scherereien bereitet, obwohl die Wesen markiert waren. Das Himmelskätzchen war durchnässt, doch es schien ganz munter zu sein. Vielleicht — »Bist du gekommen, um mich zu trösten, Kleines?«
Er fühlte jetzt das Schnurren und die Wärme seines Körpers. Er lächelte; schon jemanden zu haben, der ihm zuhörte, munterte ihn auf.
Es erklang ein Flattern von Flügeln. Noch zwei Kätzchen. Drei. Sie schwebten über ihm und miauten gereizt, als wollten sie sagen: »Was habt ihr aus unserem Park gemacht« oder vielleicht: »Wir wollen was zu essen«. Sie wirbelten um ihn herum, jagten das Kleine aber nicht von seinem Arm weg. Dann glitt der größte, ein Kater mit lädierten Ohren, von Ezr weg und setzte sich auf den höchsten Punkt der Ruinen. Er schaute finster auf Ezr herab und begann seine Flügel zu putzen. Das verdammte Vieh sah nicht einmal nass aus.
Der höchste Punkt, der in den Ruinen geblieben war… eine Diamantröhre von fast zwei Metern Durchmesser, bedeckt von einer Metallkappe. Ezr begriff plötzlich, worauf er schaute: das Tunnelende in Naus Zimmer, höchstwahrscheinlich eine direkte Verbindung nach L1-A. Er schoss den Hügel hinan zu der Säule mit der Metallkappe. Der Kater duckte sich, zögerte, Ezr aus dem Weg zu gehen. Sogar jetzt waren die Wesen so besitzergreifend wie immer.
Die Kontroll-Lichter an der Luke zeigten grün, der Zugang war offen.
Er schaute den großen Kater an. »Du weißt, dass du auf dem Schlüssel zu allem sitzt, was, Kumpel?«
Er löste sanft das kleinste Kätzchen von seiner Jacke und scheuchte sie alle vom Lukenmechanismus fort. Er glitt zurück, öffnete sich. Würden die Dummerchen ihm zu folgen versuchen? Er winkte ihnen ein letztes Mal zu. »Egal, was ihr vielleicht denkt, ihr wollt nicht wirklich mitkommen. Pistolendraht tut weh.«
Der Gruppenraum im Obergeschoss war mit zusätzlichen Sitzen vollgestopft; es blieb kaum Raum, um die Kanten herum zu manövrieren. Und sobald Silipan die Verbindungen der Blitzköpfe abschaltete, wurde der Ort zum Irrenhaus. Trud tauchte von den nach ihm greifenden Armen weg, zog sich zum Steuerbereich im oberen Teil des Raums zurück. »Es behagt ihnen nicht — wirklich nicht —, wenn man sie von ihrer Arbeit trennt.«
Es war schlimmer, als Pham es erwartet hatte. Wären die Blitzköpfe nicht festgebunden gewesen, wären er und Trud angegriffen worden. Er schaute wieder zu dem Aufsteiger hin. »Es musste sein. Das ist der Kern von Naus Macht, und jetzt hat er keinen Zugriff mehr darauf. Wir bringen alles bei L1 in unsere Gewalt, Trud.«
Silipans Blick war glasig. Es waren zu viele Schocks gewesen. »Alles bei L1? Das ist unmöglich… Du hast uns alle umgebracht, Pham. Du hast mich umgebracht.« Eine gewisse Aufmerksamkeit war zurückgekehrt; zweifellos stellte er sich vor, was Nau und Brughel mit ihm machen würden.
Pham hielt ihn mit der freien Hand fest. »Nein. Ich gedenke zu gewinnen. Wenn ich gewinne, überlebst du. Und die Spinnen auch.«
»Was?« Trud biss sich auf die Lippe. »Ja, wenn man ihm die Unterstützung abschaltet, kommt Ritser langsamer voran. Vielleicht kriegen so die Spinnen eine Chance.« Sein Blick ging ins Leere, huschte dann wieder zu Pham zurück. »Was bist du, Pham?«
Pham antwortete leise, hob dabei die Stimme gerade so weit, dass sie die gerufenen Forderungen der Blitzköpfe übertönte. »Momentan bin ich deine einzige Hoffnung.« Er zog Silipans konfiszierte Datenbrille aus der Tasche und gab sie ihm.
Trud zog das zerknitterte Material sorgfältig glatt und setzte die Brille auf. Einen Augenblick lang schwieg er, dann: »Wir haben mehr Brillen. Ich kann dir eine besorgen.«
Pham lächelte das Fuchslächeln, das Silipan vor zweihundert Sekunden zum ersten Mal gesehen hatte. »Geht schon in Ordnung. Ich habe etwas Besseres.«
»Oh«, sagte Trud kleinlaut.
»Jetzt möchte ich von dir eine Schadensabschätzung. Gibt es irgendeine Möglichkeit, deine Leute hier arbeiten zu lassen, während Nau abgeschaltet bleibt?«
Trud zuckte wütend die Achseln. »Du weißt, dass das unmög…« Er schaute wieder zu Pham auf. »Vielleicht, vielleicht gehen ein paar triviale Sachen. Wir machen Offline-Berechnungen. Vielleicht könnte ich die Blitzköpfe für numerische Steuerung dazu bringen…«
»Tüchtig so. Beruhige diese Leute und schau, ob jemand von ihnen uns helfen kann.«
Sie trennten sich. Silipan schwebte zu den Blitzköpfen hinunter, sagte beschwichtigende Worte, sammelte das Erbrochene ein, das die plötzliche Aufregung mit sich gebracht hatte. Die Rufe wurden nur noch lauter:
»Ich brauche die aktuellen Kursdaten!«
»Wo sind die Übersetzungen von der Antwort der Sinnesgleichen?«
»Ihr Dummköpfe, ihr habt die Verbindung eingebüßt!«
Pham glitt seitlich an der Decke entlang und schaute hinab auf die Reihen sitzender Blitzköpfe, hörte auf die Beschwerden. An der Wand gegenüber schwebten Anne und ihr anderer Assistent reglos an Greiffilz-Halterungen. Sie müsste sicher sein und es überstanden haben. Deine letzte Schlacht wird gerade geschlagen, nur eben ein, zwei Jahrhunderte, nachdem du alles verloren geglaubt hattest.
Das Bild hinter Phams Augen ging ein und aus. Im größten Teil des Obergeschosses hatte er die Mikrowellen-Impulsenergie wieder in Gang setzen können. Er hatte vielleicht hunderttausend Orter in Reichweite und intakt. Es war ein helles Meta-Licht, das seine Sicht in unzusammenhängenden Strängen über das Obergeschoss erweiterte, zu allen Stellen, wo eine Wolke Orter zum Leben erwacht war und eine Kette von Verbindungen zu ihm finden konnte.