Park hatte die meisten Mikrosatelliten seiner Flotte im planetennahen Raum ausgesetzt, kurz bevor die Aufsteiger eintrafen. Jetzt befanden sich da draußen Zehntausende von den faustgroßen Geräten. Mit raffinierten Manövern kamen sie viel öfter zwischen die Raumflugkörper der Aufsteiger, als purer Zufall erwarten lassen sollte. Und sie meldeten ihre Daten zurück an das Fenster für elektronische Aufklärung hier auf der Brücke. Sie meldeten, dass es viel zu viel Direktkommunikation zwischen den Schiffen der Aufsteiger gab. Das konnte unschuldige Automatik sein. Wahrscheinlicher war es eine Tarnung für verschlüsselte militärische Koordination, listige Vorbereitungen seitens des Feindes. (Und Pham Trinli hatte die Aufsteiger nie als etwas anderes denn als Feinde betrachtet.)
Parks Stab erkannte natürlich die Anzeichen. Auf ihre zimperliche Art waren diese Waffenführer der Dschöng Ho sehr scharf. Trinli beobachtete drei von ihnen, wie sie über die Muster des Funkverkehrs diskutierten, die, ausgesandt von Aufsteigern, über die Flotte hinwegspülten. Einer der jüngeren Waffenführer glaubte, sie sähen da vielleicht eine Mischung von Sondierungen auf physikalischer Ebene und nach Software — alles in einem wohlorchestrierten Durcheinander. Doch wenn das zutraf, war es raffinierter als die besten E-Maßnahmen der Dschöng Ho… und das war unglaublich. Ein höherrangiger Waffenführer bedachte den Untergebenen nur mit einem finsteren Blick, als sei die Vermutung ein ausgewachsener Kopfschmerz. Nicht einmal die, die im Gefecht gestanden haben, verstehen, worum es geht. Einen Augenblick lang war Trinlis Gesichtsausdruck sogar noch saurer.
In seinem Ohr ertönte vertraulich eine Stimme. »Was meinst du, Pham?«
Trinli seufzte. Er murmelte in sein Sprechgerät, kaum die Lippen bewegend: »Es stinkt, Sammy. Du weißt das.«
»Mir wäre wohler, wenn du in einer anderen Befehlszentrale wärst.« Die Brücke der Pham Nuwen befand sich offiziell hier, aber in Wahrheit waren Befehlszentralen über die bewohnbaren Teile des Schiffes verstreut. Mehr als die Hälfte des auf der Brücke sichtbaren Personals befand sich in Wahrheit anderswo. In der Theorie machte das das Sternenschiff zu einer schwierigen Beute. In der Theorie.
»Ich kann es besser machen. Ich habe mich in eins der Taxis gehackt und es auf Fernsteuerung umgestellt.« Der alte Mann schwebte von seinem Sattel hoch. Er schwebte schweigend hinter den Reihen von Brückentechnikern entlang, vorbei am Bild von den Schwerhebern, am Bild von Diems Trupp, der sich zum Abflug aus dem trockenen Tal bereit machte, an den Bildern der Gesichter von ach so gutwilligen Aufsteigern… vorbei an den bedrohlichen Bildschirmen der E-Maßnahmen. Niemand nahm wirklich Notiz von ihm, außer Sammy Park, der ihm einen Blick zuwarf, als er durch die Eingangstür der Brücke glitt. Trinli nickte dem Flottenkapitän kurz zu.
Memmen ohne Rückgrat, fast jeder Einzelne. Nur Sammy und Kira Pen Lisolet hatten die Notwendigkeit erkannt, als Erste zuzuschlagen. Und sie hatten kein einziges Mitglied des Handelskomitees überzeugt. Selbst nachdem sie den Aufsteigern von Angesicht zu Angesicht begegnet waren, konnte das Komitee nicht die unzweifelhafte Heimtücke der anderen erkennen. Stattdessen hatten sie einen Vinh gebeten, für sie zu entscheiden. Einen Vinh!
Trinli schwebte rasch leere Korridore entlang, hielt an der Taxischleuse an und klappte die Luke des Taxis auf, das er präpariert hatte. Ich könnte Lisolet bitten, zu meutern. Als Zweiter Flottenkapitän hatte sie ihr eigenes Kommando, die DHS Unsichtbare Hand. Eine Meuterei war physikalisch möglich, und wenn sie erst einmal zu schießen begann, würden sich Sammy und die anderen ihr gewiss anschließen müssen.
Er schlüpfte in das Taxi, schaltete die Schleusenpumpen ein. Nein, mich können die alle mal. Irgendwo in seinem Hinterkopf kam ein kleiner Schmerz auf. Normalerweise hatte Anspannung nicht diese Wirkung auf ihn. Er schüttelte den Kopf. Schön, die Wahrheit war, er bat Lisolet nicht, zu meutern, weil sie eine von den sehr seltenen Leuten war, die Ehre besaßen. Also würde er das Beste aus dem machen, was er hatte. Sammy hatte wirklich Waffen mitgebracht. Trinli grinste, als er an die bevorstehende Zeit dachte. Selbst wenn die andere Seite zuerst losschlägt, wette ich, dass wir die sein werden, die zuletzt noch da sind. Während sein Taxi aus dem Flaggschiff der Dschöng Ho glitt, studierte Trinli die aktualisierten Bedrohungsanalysen und machte Pläne. Was würde die andere Seite versuchen? Wenn sie lange genug warteten, würde er vielleicht doch noch mit Sammys Waffencodes klarkommen… und seine eigene Ein-Mann-Meuterei beginnen.
Es gab eine Menge Anzeichen für den sich zusammenbrauenden Verrat, doch selbst Pham Trinli entging das Augenscheinlichste. Man musste die Angriffsmethode erraten, um darauf zu kommen.
Ezr Vinh wusste kaum etwas von den militärischen Entwicklungen weiter oben. Die an der Oberfläche verbrachten Kilosekunden waren harte, faszinierende Arbeit gewesen, Arbeit, die einem nicht viel Zeit ließ, Verdachtsmomenten nachzugehen. In seinem ganzen Leben hatte er nur ein paar Megasekunden damit verbracht, auf der Oberfläche von Planeten umherzuspazieren. Trotz des Trainings und der Dschöng-Ho-Medizin fühlte er die Anspannung. Die ersten Kilosekunden waren ihm vergleichsweise leicht erschienen, doch jetzt schmerzte jeder Muskel. Zum Glück war er nicht der einzige Schlappschwanz. Der ganze Trupp schien fix und fertig zu sein. Das Aufräumen am Ende war eine sorgfältige Überprüfung Punkt für Punkt, dass sie keinen Müll zurückgelassen hatten, dass alle Spuren ihrer Anwesenheit in den Effekten beim Wiederaufflammen des EinAus-Sterns untergehen würden. Beim Rückweg zum Lander hinauf verstauchte sich Truppführer Diem den Knöchel. Ohne die Frachtwinde des Landers wäre der restliche Aufstieg unmöglich gewesen. Als sie endlich an Bord waren, war selbst das Ausziehen und Verstauen ihrer Thermojacken eine Qual.
»Gott.« Benny brach auf der Liege neben Vinh zusammen. Von überall entlang des Hauptgangs erklang Stöhnen, als der Lander sie himmelwärts katapultierte. Dennoch empfand Vinh eine leise Befriedigung. Sie hatten sich rechtschaffen abgearbeitet.
Es wurde jetzt unter Diems Truppmitgliedern wenig geschwatzt. Das Geräusch von den Triebwerken des Landers war ein Dröhnen an der Grenze zum Infraschall, das in ihren Knochen seinen Ursprung zu nehmen und nach außen zu dringen schien. Vinh hörte noch öffentliche Gespräche von weiter oben, aber Trixia war nicht mehr dabei. Niemand redete jetzt mit Diems Leuten. Korrektur: Qiwi versuchte, mit ihm zu reden, aber Ezr war einfach zu erschöpft, um dem Balg den Gefallen zu tun.
Über der Krümmung der Welt lag die Arbeit der Schwerheber hinter dem Zeitplan zurück. Saubere Kernexplosionen hatten mehrere Millionen Tonnen gefrorenen Ozeans losgebrochen, aber Dampf über der Abbaustelle komplizierte den Rest der Arbeit. Der Aufsteiger, Brughel, beklagte sich, sie hätten den Kontakt mit einem ihrer Heber verloren.
»Ich glaube, das liegt an Ihrem Blickwinkel«, erklang die Stimme eines Dschöng-Ho-Technikers. »Wir sehen sie alle. Drei sind noch an der Oberfläche; einer ist von Dunst vor Ort stark eingenebelt, sieht aber gut positioniert aus. Drei weitere sind beim Aufsteigen, sauber, gut getrennt… Einen Moment…« Sekunden vergingen. Auf einem weiter entfernten Kanal redete eine Stimme von einem medizinischen Problem; anscheinend hatte jemand in der Schwerelosigkeit gekotzt. Dann war der Flugdispatcher wieder da: »Das ist seltsam. Wir haben kein Bild von der Ostküstenoperation mehr.«