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Ein Ruck am Kabel brachte ihn auf den Boden zurück. »Weitergehen, müssen weitergehen.« Gil keuchte schwer. Zweifellos gab er die Worte von Unnerbei weiter. Unterberg wollte sich schon entschuldigen, als er gewahrte, dass es Amberdon Nishnimor hinten am Schlitten war, die Halt gemacht hatte.

»Was ist?«, fragte Scherkaner.

»… Amber sah… Licht im Osten… Weitergehen.«

Osten. Rechts. Das Glas auf dieser Seite seines Helms war beschlagen. Er hatte einen undeutlichen Eindruck von einem nahen Höhenzug. Ihr Einsatzgebiet lag keine vier Meilen von der Küste entfernt. Von diesen Höhen aus hätte er einen klaren Blick zum Horizont. Entweder war das Licht ziemlich nahe oder sehr weit entfernt. Ja! Da war ein Licht, ein fahles Leuchten, das sich seitwärts und nach oben ausbreitete. Nordlicht? Scherkaner bezwang seine Neugier, setzte weiter einen Fuß vor den anderen. Aber bei Gott dem Tiefsten, wie sehr er wünschte, er könnte jenen Höhenzug besteigen und übers gefrorene Meer schauen!

Scherkaner war ein guter kleiner Soldat bis zum nächsten Schlammhalt. Er schaufelte eine glühende Mischung von Exotherms, Brennstoff und Luftschnee in Havens Körbe, als es geschah. Fünf winzige Lichter jagten am Westhimmel empor und ließen hier und da kleine Zacken wie eine Art langsame Blitze zurück. Einer von den fünfen erlosch, doch die anderen rückten rasch aneinander und… Licht gleißte auf, so hell, dass Unterbergs obere Sicht schmerzvoll verschwamm. Doch seitlich konnte er noch sehen. Die Helligkeit nahm immer mehr zu, tausendmal heller als die fahle Sonnenscheibe. Vielfache Schatten zeichneten sich rings um sie scharf ab. Die vier Lichter wurden immer noch heller, bis Scherkaner die Hitze durch die Schalendecke seines Anzugs dringen spürte. Der Luftschnee überall auf dem Feld schoss in neblig weißem Glanz empor. Die Wärme nahm noch einen Augenblick zu, nun fast brennend — und schwand dann, hinterließ am Rücken das warme Gefühl, das man hat, wenn man an einem Sommertag in den Mitteljahren in den Schatten tritt.

Die Nebel wirbelten um sie herum, erzeugten den ersten spürbaren Wind, seit sie das U-Boot verlassen hatten. Plötzlich war es sehr kalt, da die Nebel Wärme aus ihren Anzügen saugten; nur ihre Stiefel waren für direkten Kontakt eingerichtet. Das Licht schwand jetzt, Luft und Wasser kühlten sich wieder ab, kristallisierten und sanken zu Boden. Unterberg riskierte es, seine Oberaugen zu fokussieren: Die stechenden Lichtpunkte hatten sich zu glühenden Scheiben ausgebreitet und verblassten zusehends. Wo sie sich überlappten, sah er ein Wogen und Falten wie bei Nordlicht; sie standen also nicht nur in der Richtung, sondern auch in der Entfernung beieinander. Vier, dicht an dicht — die Ecken eines regelmäßigen Tetraeders? So schön… Doch was war die Entfernung? War das eine Art Kugelblitze nur ein paar hundert Meter über dem Feld?

In ein paar Minuten würden sie zu schwach sein, um sie zu sehen. Doch jetzt waren da andere Lichter, helle Blitze jenseits des östlichen Höhenzuges. Im Westen glitten scharfe Lichtpunkte immer schneller in den Zenit. Ein schimmernder Lichtschleier breitete sich hinter ihnen aus.

Die vier Mitglieder der Gruppe standen reglos da. Für einen Moment war Unnerbeis Soldaten-Persönlichkeit beiseite gefegt, und es blieb nichts als Ehrfurcht. Er stolperte von dem Schlitten fort und legte Scherkaner eine Hand auf den Rücken. Seine Stimme kam schwach über die schlechte Verbindung: »Was ist das, Scherkaner?«

»Weiß nicht.« Er fühlte, wie Unnerbeis Arm zitterte. »Aber eines Tages werden wir’s verstehen… Gehen wir weiter, Feldwebel.«

Wie federgetriebene Marionetten, die plötzlich angestoßen wurden, beendete die Gruppe das Aufladen und setzte ihren Weg fort. Über ihnen ging die Vorstellung weiter, und obwohl es da nichts gab, was den vier brennenden Sonnen gleichgekommen wäre, waren die Lichter schöner und ausgedehnter als jedes bekannte Nordlicht. Zwei Sterne glitten immer schneller über den Himmel. Die gespenstischen Schleier, die sie hinterließen, breiteten sich bis hinab nach Westen aus. Jetzt flammten sie hoch am Osthimmel blendend auf, Miniaturversionen der ersten brennenden Lichter. Als sie verblassten und zersprühten, krochen Lichtspuren vom Punkt ihres Verschwindens abwärts und wurden jedes Mal heller, wenn sie die früheren leuchtenden Gebiete durchliefen.

Die spektakulärsten Lichterscheinungen waren jetzt vorbei, doch die langsamen geisterhaften Bewegungen von Licht dauerten an. Wenn es wirklich wie echtes Nordlicht Hunderte von Meilen weiter oben lag, dann gab es da eine immense Energiequelle. War es knapp über ihren Köpfen, dann sahen sie vielleicht etwas, das im Tiefen Dunkel das Gegenstück eines Sommergewitters war. So oder so war die Vorstellung alle Risiken dieses Abenteuers wert.

Schließlich erreichten sie den Rand des Militärlagers der Basser. Das seltsame Nordlicht war nicht sichtbar, als sie ihren Weg die Eingangsrampe hinab begannen.

Es hatte nie viel Zweifel bezüglich der Ziele gegeben. Es waren die, die sich Unterberg ursprünglich vorgestellt, an die Viktoria Schmid an jenem Nachmittag im Landeskommando gedacht hatte. Wenn sie irgendwie das Tiefste Dunkel erreichen könnten, dann könnten vier Soldaten und etwas Sprengstoff diverse Schäden an Treibstofflagern, an den flachen Tiefen der Oberflächentruppen, vielleicht sogar beim Generalstab von Basville anrichten. Selbst diese Ziele konnten den Forschungsaufwand nicht rechtfertigen, den Unterberg verlangte.

Doch es gab einen offensichtlichen Knackpunkt. Ebenso, wie die moderne Militärmaschinerie einen Vorteil bei Anbruch des Dunkels erstrebte, indem sie durch längeren Kampf einen schlafenden Gegner ausmanövrierte, so würden bei Beginn der Neuen Sonne die ersten Armeen, die wieder auf dem Schlachtfeld agierten, einen entscheidenden Vorteil erlangen.

Beide Seiten hatten große Vorräte für diese Zeit angelegt, doch die Strategie dazu unterschied sich weitgehend von der für die Jahre des Schwindens und den Anbruch des Dunkels. Soweit die Wissenschaft feststellen konnte, erreichte die Neue Sonne ihre immense Helligkeit binnen weniger Tage, vielleicht Stunden. Ein paar Tage lang war sie ein sengendes Ungeheuer, mehr als hundertmal heller als in den Mittleren Jahren und im Schwinden. Es war jener Ausbruch von Helligkeit — nicht die Kälte des Dunkels —, der alle Bauwerke jeder Generation mit Ausnahme der robustesten zerstörte.

Diese Rampe führte zu einem vorgeschobenen Depot der Basser. Es gab andere entlang der Front, doch das war das Depot für das Nachschubkorps, das ihre manövrierfähigen Kräfte unterstützen würde. Ohne es würden die besten Truppen der Basser nicht in die Kämpfe eingreifen können. Die vorgezogenen Einheiten der Basser an den Vormarschpunkten der Krone würden keinen Rückhalt haben. Das Landeskommando rechnete sich aus, dass die Zerstörung des Depots einen günstigen Waffenstillstand erzwingen oder eine Serie leichter Siege für die Armeen der Krone erlauben würde. Vier Soldaten und etwas wohlgezielter Vandalismus konnten dafür ausreichen.

… Wenn sie nicht beim Versuch erfroren, diese Rampe hinab zu gelangen. Es gab Häufchen von Luftschnee auf den Stufen und stellenweise Reste von Gebüsch, das zwischen den Steinplatten gewachsen war, doch das war alles. Wenn sie jetzt stehen blieben, dann, um Eimer mit Schlamm von dem Schlitten vorzureichen, den Nishnimor und Unnerbei zogen. Das Dunkel schloss sich um sie, erhellt nur vom gelegentlichen Glimmen verschütteter Exotherms. Geheimdienstberichte behaupteten, diese Rampe sei keine zweihundert Meter lang.